Rundblick-Historie: Die 2020er in Niedersachsen
Als das Virus in die Nachrichten vordrang, warnten viele deutsche Politiker vor Panikmache. Würde es so ähnlich sein wie die Schweinegrippe, die 2009 für zunächst große Aufmerksamkeit sorgte – dann aber doch nicht zur großen und bedrohlichen Pandemie geworden war? Es entwickelte sich anders und hatte ziemlich abrupt Konsequenzen, die sich die meisten vorher niemals hätten vorstellen können. Anfang März traf sich die Landkreisversammlung in Varel (Kreis Friesland) – und das geschah in einer seltsam angespannten Situation. Einige Teilnehmer verweigerten den Handschlag, sie hatten schon Hinweise vernommen, dass es künftig wohl Kontaktbeschränkungen geben würde. Andere waren unbesorgt wie immer.
Dann dauerte es wenige Tage, bis die Gefahreneinschätzung sich zuspitzte. Die Schulen wurden geschlossen, der Einzelhandel ebenso – nur Lebensmittel durften weiter gekauft werden. Der politische Betrieb wurde heruntergefahren, größere Versammlungen und Menschenansammlungen wurden verboten. Der Landtag stellte seine Arbeit weitgehend ein, hektisch wurden die Angebote für Video-Konferenzen in den Ministerien, Fraktionen, in den Unternehmen und Verwaltungen hervorgekramt, ausgetestet und verbessert. In den folgenden Monaten wurden die Kontaktbeschränkungen intensiviert, dann folgte die Maskenpflicht, es wurden Sicherheitsglas-Abstände eingeführt.
Die Corona-Krise hat das öffentliche Leben über Monate, verteilt auf mehrere Phasen im Frühjahr 2020, im Herbst 2020 bis zum Frühjahr 2021, dann noch mal im Jahr 2021 so stark eingeschränkt wie es zuvor nie gewesen ist. Die Folgen der Kontaktverbote für die Kinder und Jugendlichen, aber auch für das gesamte öffentliche Leben waren dramatisch. Alte Menschen in Pflegeheimen durften zeitweise nicht mehr besucht werden, viele starben, ohne dass sich die Angehörigen von ihnen verabschieden konnten. Auch bei Beerdigungen wurde eine Teilnehmer-Höchstzahl verfügt.
Das alles hat die Landespolitik sehr stark geprägt. Es kam sogar zu einem Aufbegehren der Landtagsfraktionen, weil in den ersten Wochen der Krisenstab täglich die neueste Lage in einer Pressekonferenz verkündete und die dortigen Journalisten die einzige Instanz waren, die vor einem breiteren Publikum im Fernsehen die Maßnahmen hinterfragen konnten.
Die Corona-Zeit prägte die erste Phase der Zwanziger Jahre. Als sie fast vorüber zu sein schien, am 24. Februar 2022, kam ein neuer Krieg direkt vor die deutsche Haustür – Russland überfiel die Ukraine, und das hatte drastische Folgen auch bei uns. Die Abhängigkeit vom russischen Gas musste von der neuen Ampel-Regierung im Bund, die Ende 2021 ins Amt gekommen war, abgelöst werden. Die Preise schnellten in die Höhe, es folgte auf die Angst vor einer Gas-Mangellage im Winter 2022/2023 noch eine Inflation, die so stark war wie seit vielen Jahren nicht mehr.
Die SPD diskutierte, ob der Altkanzler Gerhard Schröder wegen seiner Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin nicht aus der Partei ausgeschlossen werden sollte. Zwei Schiedsgerichte in Hannover lehnten das strikt ab, Schröder blieb Genosse. Bei der Landtagswahl im Oktober 2022 siegten Stephan Weil und seine SPD, die CDU unter ihrem Spitzenkandidaten Bernd Althusmann verlor- Es wurde ein rot-grünes Kabinett gebildet.
Viele Diskussionen im Jahr 2023 drehten sich um die Frage, wie sich die SPD wohl neu aufstellen würde, wenn Stephan Weil – Ministerpräsident seit mehr als zehn Jahren – nicht mehr an der Spitze stehen wird. Weil ließ sich 2023 nicht in die Karten schauen, er kandidierte erneut als SPD-Landesvorsitzender. Die CDU indes verjüngte sich deutlich. Neuer Fraktions- und Parteivorsitzender wurde 2023 der Jurist Sebastian Lechner aus der Region Hannover, neue Parlamentarische Geschäftsführerin Carina Hermann aus Göttingen.
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