
Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) bekommt Gegenwind aus der Richterschaft zu spüren. Ihre wiederholt auch im Landtag erklärte Absicht, bis Ende 2025 alle Gerichte im Lande vollständig auf die digitale E-Akte umgestellt zu haben, wird von den Personalvertretungen offenbar als Zumutung empfunden. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick haben sowohl der Hauptrichterrat bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit als auch der Hauptpersonalrat des niedersächsischen Justizministeriums die weitere Einführung der E-Akte zunächst aufgehalten. Da es sich in vielen Punkten hier um mitbestimmungspflichtige Vorgänge handelt, müsste das Ministerium jetzt den Versuch einer Schlichtung unternehmen. Dadurch könnte aber der ehrgeizige Zeitplan von Wahlmann ins Wanken geraten. Wie das Ministerium auf Anfrage mitteilt, lehnt der Hauptrichterrat die Digitalisierung bei amtsgerichtlichen Sachgebieten und gerichtlichen Strafsachen ab. Es gebe Defizite bei Programmen, Scanprozessen und Schulungen.
Ein Bundesgesetz von 2017 bestimmt, dass alle Verfahren an den Gerichten und bei den Staatsanwaltschaften bis spätestens 1. Januar 2026 elektronisch geführt werden müssen – also nicht mehr über die Papierform, sondern als E-Akte. Auf Anfrage des Politikjournals Rundblick erklärt die Sprecherin von Wahlmann, das Thema Digitalisierung sei „in der vorherigen Legislaturperiode mitunter stiefmütterlich behandelt“ worden, dies löse „nun auf der Zielgeraden Druck aus“. Diese Formulierung ist als Seitenhieb auf ihre Vorgängerin Barbara Havliza (CDU) zu verstehen. Die Umstellung, gesteht das Ministerium ein, sei „mit vielen Änderungen und einigen Anstrengungen verbunden“, man sei aber schon entscheidend vorangekommen. So arbeiteten jetzt „alle Fachgeberichtsbarkeiten und die Zivilgerichte vollständig digital“, die übrigen Rechtsgebiete würden folgen. Die Ministerin betont noch einmal, es werde „gelingen, die Einführung der elektronischen Akte in allen Bereichen bis zum 31. Dezember 2025 abzuschließen“.

Daran indes werden innerhalb der Justiz Zweifel laut. Gerade in heiklen Bereichen wie Nachlasswesen, Betreuungsangelegenheiten, Zwangsvollstreckungen oder im großen Bereich des Strafrechts melden sich Kritiker. Sie sehen eine Gefahr für die Verpflichtung, verlässliche und rechtlich abgesicherte Verfügungen zu treffen. Jüngst hatte es Berichte über gravierende Probleme im Amtsgericht Burgwedel (Region Hannover) gegeben – im Grundbuchamt kam es dort zu langen Wartezeiten, Mitarbeiter berichteten über tagelange Systemausfälle und Software-Probleme, sodass Fristversäumnisse drohten. Aus Kreisen der Richter wird der Ratschlag laut, die Ministerin möge nicht unverrückbar am Termin des Jahreswechsels festhalten, sondern angesichts der praktischen Probleme bei der Einführung der E-Akte eine Übergangszeit einräumen – oder zumindest öffentlich einräumen, dass die Umstellung etwas länger dauern könnte als im Bundesgesetz vorgegeben. Wahlmanns Sprecherin erklärte, man werde in dieser Woche Versuche einer Einigung mit den Beteiligten unternehmen.