4. Dez. 2023 · 
Umwelt

Kommunen warnen: Windräder dürfen den Landschaftsschutz nicht zerstören

Die Kommunalverbände befürchten, dass der von der Landesregierung angepeilte zügige Ausbau der Windkraft an manchen Stellen übereilt geschieht. „Es ist verkehrt, den Bau von Windrädern generell in den Landschaftsschutzgebieten zu erlauben“, sagte Prof. Hubert Meyer, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), am Montag in einer Anhörung des Landtags-Umweltausschusses. Der Entwurf des Landesgesetzes für den Ausbau der Windkraft stand auf der Tagesordnung, alle wichtigen Verbände durften dazu ihre Positionen vortragen.

Der Windkraftausbau in Niedersachsen bleibt ein Streitthema. | Foto: Link

Für die Arbeitsgemeinschaft von NLT, Niedersächsischem Städtetag (NST) und Niedersächsischem Städte- und Gemeindebund (NSGB) trug Prof. Meyer die Vorbehalte vor. Das neue Gesetz verpflichtet die Landkreise und den Regionalverband Braunschweig als Träger der Regionalplanung, bis 2027 Vorranggebiete für den Windkraftausbau vorzusehen. Das sollen landesweit 2,2 Prozent der Landesfläche sein – jeder Landkreis soll mit dem Landesgesetz einen spezifischen Wert zugewiesen bekommen. Dabei gibt es Unterschiede, einige Kreise erhalten 4 Prozent, andere weniger als 1 Prozent.

Prof. Meyer sagte, die Landkreise hätten in den vergangenen Jahren „mit unendlichen Mühen“ die EU-Vorgaben für Naturschutz- und FFH-Gebiete erfüllt. Diese Ergebnisse würden nun „leichtfertig geopfert“, wenn Landschaftsschutzgebiete (LSG) auch mit Windrädern bestückt werden dürfen. Die Kommunen plädierten deshalb dafür, die Entscheidung über ein LSG-Tabu den Trägern der Regionalplanung, also den Kreisen, selbst zu überlassen und nicht im Landesgesetz zu regeln. Bisher sind auch historische Waldflächen als Windkraft-Standorte ausgenommen.

Prof. Hubert Meyer | Foto: Link

Im Landtag wird aber diskutiert, ob man auch hier eine Öffnung gestatten sollte. Dazu verwies Silke Weyberg vom Landesverband der Erneuerbaren Energien (LEE) auf das Beispiel des Kreises Northeim: Der Kreis plane so, dass im Fall einer landesweiten Erlaubnis sofort auch ältere Waldstandorte einbezogen werden können. Die Kommunalverbände äußerten sich dazu nicht. Sie betonten aber, dass sie sich eine schnelle Wirksamkeit des Gesetzes wünschen, da die Steuerung des Windkraft-Ausbaus immer dringlicher werde. Derzeit habe man 6000 Windräder in Niedersachsen, die nach einer durchschnittlichen Genehmigungsdauer von vier bis fünf Monaten gebaut werden konnten.

Silke Weyberg | Foto: LEE

Sinnvoll sei es, wie in Weser-Ems die Festlegungen für Windräder auch über die Bauleitplanung der Gemeinden zu regeln und die Raumordnung nicht immer zwingend zwischenzuschalten. Die Fristen für die Fortschreibung der Regionalen Raumordnungsprogramme seien im Übrigen viel zu knapp. Dass es für die Aufrüstung bestehender Windräder, das sogenannte „Repowering“, im Bundesgesetz eine Privilegierung gebe, wirke sich vor Ort häufig belastend aus: „Das benachteiligt die, die schon sehr früh mit der Windkraftplanung begonnen hatten“, sagt Prof. Meyer.

Marco Trips, Präsident des NSGB, beharrte auf der geplanten „Wertschöpfungsabgabe“. Sie sieht vor, dass künftige Bauherrn neuer Windräder 0,2 Cent je Kilowattstunde als Abgabe an Gemeinden im Radius von 2,5 Kilometern rund um die Anlage zahlen sollen. Trips hält diese Abgabe für wesentlich. „Käme sie nicht, dann würde das die Akzeptanz gegenüber Windkraftanlagen in vielen Gemeinden stark schwächen.“

Marco Trips | Foto: NSGB

Es sei sinnvoll, dass sich eine Mitgliedsgemeinde einer Samtgemeinde und die Samtgemeinde die Einnahmen zu je 50 Prozent teilen. „Dann verhindern wir, dass sich eine kleine Gemeinde mit 300 Bürgern von den Erträgen ein Schwimmbad baut.“ Nicht realisierbar sei der Gedanke, das Geld an Ortsteile von Einheitsgemeinden zu überweisen – denn Ortsteile hätten nicht den Rechtsstatus wie Mitgliedsgemeinden.

Gerd Hujahn (SPD), selbst Ortsbürgermeister, sieht es anders: „Es ist doch wichtig, die Betroffenen von neuen Windrädern mit der Abgabe zu bedenken, nicht eine womöglich weit entfernt liegende Stadt, die weit von ihrem betroffenen Ortsteil weg liegt.“

Gerd Hujahn (SPD) | Foto: Götz Schleser

Grundsätzliche Skepsis gegenüber dieser Wertschöpfungsabgabe hegt der LEE. Geschäftsführerin Silke Weyberg sagte, angesichts der Debatte über Industriestrompreise, Netzentgelte und Strommarktdesign werde die geplante Abgabe die Stromproduktion noch teurer machen. Außerdem sei die Umsetzung kompliziert, und im Fall von Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen rät der LEE davon strikt ab – denn diese Projekte hätten schon jetzt teilweise eine sehr begrenzte Wirtschaftlichkeit.

Auch die Variante, Windkraft-Betreiber sollten eine 20-prozentige Beteiligung an ihren Investitionen zulassen, sei sehr schwer umzusetzen. Der LEE schlägt als Alternative zu der 0,2-Cent-Abgabe einen einmaligen Betrag vor, den eine Kommune beim Bau eines Windrads erhalten soll, das könnten 2500 Euro je Megawatt sein.

Dieser Artikel erschien am 5.12.2023 in Ausgabe #212.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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