21. Juli 2025 · 
MeldungSoziales

„Integrationspolitisch wichtig": Osnabrücker Verein "Exil" fordert Familiennachzug für alle

Der Osnabrücker Verein "Exil" kritisiert die zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete – und warnt vor psychischen und integrationspolitischen Folgen.

Anna-Maria Anders ist beim Verein "Exil" für Flüchtlings- und Migrationsrecht zuständig. | Foto: Exil

Bundestag und Bundesrat haben entschieden, dass Flüchtlinge, die kein Asyl bekommen haben, aber auch nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können, zwei Jahre lang ihre Familienangehörigen nicht nachholen dürfen. Bisher gab es ein begrenztes Kontingent von 1000 Personen im Monat, die ihren Eltern, minderjährigen Kindern oder Ehepartnern nach einem umfangreichen Antragsverfahren nach Deutschland folgen durften. Den Familiennachzug auszusetzen, sei der falsche Weg, sagt Anna-Maria Anders, Expertin für Flüchtlings- und Migrationsrecht beim Osnabrücker Verein "Exil". Sie fordert: „Familiennachzug für alle!“ und erklärt: „Von 2016 bis 2018 wurde der Familiennachzug schon einmal ausgesetzt. Damals gab es mehrere Studien, die gezeigt haben: Familiennachzug ist integrationspolitisch sinnvoll und wichtig. Die tägliche Sorge um die Familie erschwert das Ankommen, den Spracherwerb und die Arbeitssuche.“ Dass Menschen unter uns leben, die zusätzlich zu ihrer Fluchterfahrung noch schweren psychischen Belastungen durch die Trennung von ihrer Familie ausgesetzt sind, sollten wir nicht wollen, argumentiert Anders.

Erklärtes Ziel des neuen Gesetztes ist, Zuwanderung zu begrenzen. Doch dass ein Gesetz Menschen davon abschrecken werde, nach Deutschland zu fliehen, hält Anders für „Quatsch und Symbolpolitik“: „Wer sein Leben schützen muss, der geht immer“, sagt sie. Mögliche Fehlanreize oder Abschreckungsfaktoren in den Zielländern spielen dabei keine Rolle. „Das Märchen von den Pull-Faktoren ist in der Migrationsforschung widerlegt.“ Das Gesetz gilt zwar erstmal nur für zwei Jahre, doch für Jugendliche, die in der Zwischenzeit volljährig werden, ist die Trennung von ihren Eltern jetzt besiegelt. Die Chance, ein Visum für Familiennachzug als Härtefall zu erhalten, hält Anna-Maria Anders für gering: „Dafür muss man nachweisen, dass dringende humanitäre Gründe in der eigenen Situation ganz anders als in vergleichbaren Situationen anderer Geflüchteter aus dem gleichen Herkunftsland vorliegen.“ Statt Behörden und Gerichte mit der Prüfung von Einzelfällen zu belasten, sei der Familiennachzug für alle eine unbürokratischere Lösung, argumentiert Anders.

Die Beraterin hat noch mehr Ideen, wie man Familien zusammenführen und damit die Integration verbessern könnte: Sie fordert eine Verkürzung der Wartezeiten, Familiennachzug auch für Geschwister, die Digitalisierung des Antragsverfahrens und Ausnahmen beim Sprachnachweis für Mütter. Das betrifft nicht nur die subsidiär Schutzberechtigten, die von dem neuen Gesetz erfasst sind, sondern alle getrennten Familien auf der Flucht: Die Frauen sitzen oft mit ihren kleinen Kindern in Transitländern fest, erklärt Anna-Maria Anders. Sie haben als derzeit Alleinerziehende ohne Kinderbetreuung keine Möglichkeit, einen Sprachkurs zu besuchen.

Anne Beelte-Altwig
AutorinAnne Beelte-Altwig

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