Georg Schütte ist seit 2020 Generalsekretär der unabhängigen und gemeinnützigen Volkswagenstiftung, die gemeinsam mit dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium aufgrund einer Sonderdividende aus dem Porsche-Börsengang aktuell so viel Geld in die Forschung investieren kann wie nie zuvor. Im Gespräch mit der Rundblick-Redaktion erläutert er, warum unsere Hochschulen bei der Exzellenzförderung von Bund und Ländern dennoch schlecht abgeschnitten haben und wie das Förderprogramm „Zukunft.Niedersachsen“ sowohl die Breiten- wie die Spitzenforschung voranbringen soll.

Rundblick: Herr Schütte, nur zwei von zwölf niedersächsischen Projektskizzen haben es bei der Exzellenzstrategie in die nächste Auswahlrunde geschafft. Warum hat Niedersachsens Wissenschaft nicht besser abgeschnitten?
Schütte: Die Antwort ist trivial: Die anderen waren diesmal besser. Diese Exzellenzcluster, also Zusammenschlüsse für Spitzenforschung, entstehen nicht über Nacht, sondern müssen über lange Zeit vorbereitet werden. Bei der Begutachtung wird beispielsweise darauf geachtet, wie viele Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft bereits erfolgreich beantragt worden sind, beispielsweise ob zuvor Mittel für einen Sonderforschungsbereich eingeworben werden konnten, aus dem dann ein erfolgreiches Cluster werden kann. Das braucht ungefähr drei bis vier Jahre Vorlauf. Das haben andere Hochschulen in Deutschland besser gemacht.

Rundblick: Aber was hat den niedersächsischen Hochschulen gefehlt? Lag es am Geld?
Schütte: Die Wissenschaft ist zwar bundesweit strukturell unterfinanziert. Es fehlt dauerhaft an Geld für die Kernaufgaben der Länder: die langfristige Finanzierung von Personal und Bau. In Niedersachsen kann es am Geld aber nicht gescheitert sein. Über die Niedersachsen-Förderung von Stiftung und Landesregierung, die früher als „Niedersächsisches Vorab“ bekannt war, haben wir bereits vor drei Jahren Gelder zur Verfügung gestellt, die vor allem für Personal, aber auch für Geräte und andere Sachmittel verwendet werden konnten. Wenn aber vor drei Jahren Fördermittel bereitgestellt wurden, sind die neuen Stelleninhaber erst seit zwei Jahren da und es braucht Zeit, bis diese entsprechende Wirkung entfalten. Es fehlte also eher am langfristigen Aufbau.
Rundblick: Schauen wir einmal genauer hin: Wo hat es geklappt und wo gehakt?
Schütte: Die erfolgreiche Uni Oldenburg hat ihr Projekt langfristig aufgebaut und verschiedene Bereiche auf innovative Art verbunden. Die Universität Göttingen hat sich mit fünf Skizzen beworben und ist mit keiner zum Zuge gekommen. Das mag damit zu tun gehabt haben, dass die gesamte Universität in einer Phase des Übergangs war und ist. Lüneburg ist als Außenseiter gestartet, hat seine Nische gefunden und diese exzellent ausgefüllt – und hat es am Ende doch nicht geschafft. Dort müssen wir noch einmal genauer hinschauen, woran es gelegen hat. Die MHH war mit einem Vorschlag erfolgreich, und die Leibniz-Universität Hannover ist ja bereits bei vier bestehenden Exzellenzclustern gut dabei.

Rundblick: Wie bewerten Sie denn die Chancen der insgesamt sechs bestehenden Cluster, die sich um eine Folgeförderung bewerben wollen? Werden die alle auch weiterhin gefördert?
Schütte: Aktuell haben wir 57 Exzellenzcluster in ganz Deutschland, man hat sich darauf verständigt, diese auf maximal 70 zu erhöhen. Niemand kann die finalen Entscheidungen vorhersagen. Die kritische Skizzenauswahl war aber ein deutliches Zeichen, dass sich niemand ausruhen darf – das wird kein Selbstläufer. Alle müssen sich der Konkurrenz stellen und ihre Konzepte weiterentwickeln. Es geht darum, eine Vision für die kommende Förderphase zu entwickeln. Klar ist: Der Kampf um die klügsten Köpfe wird härter. Vielerorts muss zudem jetzt ein Generationenwechsel gestaltet werden.
Rundblick: Wie können Volkswagenstiftung und Wissenschaftsministerium hier in Niedersachsen dabei unterstützen?
Schütte: Das Kuratorium der Volkswagenstiftung hat im vergangenen Jahr mehr als 500 Millionen Euro im Programm „Zukunft.Niedersachsen“ bewilligt, die größte Fördersumme für Forschung, Lehre und Transfer in der Geschichte des Landes. Zudem haben wir gerade mit „Potenziale strategisch entfalten“ einen Fördertopf in Höhe von 265 Millionen Euro bereitgestellt, der den Hochschulen dabei helfen soll, ihr Profil zu schärfen. Dieser Förderschwerpunkt knüpft an die Potenzialanalyse der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen an, die in einem Zwischenbericht die Stärken und Schwächen der einzelnen Standorte herausgearbeitet hat. Wir haben da eine große Spannbreite unterschiedlicher Expertisen und Schwerpunkte, von der Energieforschung bis zur Landesgeschichte, um einmal zwei sehr unterschiedliche Beispiele zu nennen. Bis zum Sommer können die Anträge gestellt werden, im Herbst werden sie begutachtet. Das kann übrigens auch eine gute Gelegenheit für all jene sein, die sich für die nächste Runde der Exzellenzstrategie warmlaufen wollen, um ihre eigene Bewerbungsstrategie zu überprüfen.

Rundblick: Profilschärfen klingt so, als hätte man sich von dem „Prinzip Gießkanne“ bei der Wissenschaftsförderung verabschiedet.
Schütte: Mit „Zukunft.Niedersachsen“ wollen wir zweierlei erreichen: Dort, wo man gut ist, in die Spitzenliga aufsteigen. Und außerdem die Forschung im gesamten Land auf einem höheren Niveau strategisch weiterentwickeln. Niedersachsen hat das Glück, sich beides leisten zu können. Die breite Forschungslandschaft unterstützen wir etwa über „Potenziale entfalten“ – davon werden am Ende viele Standorte profitieren können, wenn auch in unterschiedlicher Höhe. Gleichzeitig fördern wir aber auch die Leuchttürme, wie beispielsweise das „Quantum Valley Lower Saxony“, das wir mit einer Initialförderung von 25 Millionen Euro unterstützt haben und das inzwischen über 100 Millionen Euro an weiteren Fördergeldern eingeworben hat. Der Verbund hat einen raketenhaften Aufstieg hingelegt und als Ausrichter der „European Quantum Technologies Conference“ bewiesen, dass es inzwischen ganz oben mitspielt.

Rundblick: Sie laden am 23. April Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zum ersten niedersächsischen Innovationsdialog ins Schloss Herrenhausen ein. Es geht bei „Zukunft.Niedersachsen“ also auch darum, Wissenschaft und Wirtschaft stärker zu verzahnen. Woran hapert es da noch?
Schütte: Transfer ist eine strategische Säule des Programms, also Forschungswissen wirtschaftlich nutzbar zu machen. Gründungen aus der Universität heraus spielen dabei eine große Rolle. Dazu braucht es an den Hochschulen einen gewissen Kulturwandel, und jede kulturelle Änderung benötigt Zeit. Die meisten Hochschulen sind in dieser Frage aber schon unterwegs, beispielsweise mit Innovations-, Transfer- oder Gründungsbeauftragten. Es gibt bereits Förderinstrumente im Land, aber diese reichen noch nicht aus, um eine nachhaltige Unterstützung anzubieten. Die Förderung ist befristet und die Stellen laufen nach wenigen Jahren aus. Das bedeutet dann vielfach, dass man als Gründungswilliger nach wenigen Jahren wieder von vorn beginnen muss. Als Volkswagenstiftung können wir zwar länger als drei Jahre fördern, aber auch unsere Mittel werden befristet vergeben. Aus dieser Kurzatmigkeit müssen wir herauskommen. Dass neben dem Ministerpräsidenten, dem Wirtschafts- und Wissenschaftsminister auch die Startup-Beauftragte der Bundesregierung unserer Einladung nach Herrenhausen folgt, bezeugt die Relevanz des Themas, aber auch den gemeinsamen Willen, der Gründungskultur in Niedersachsen einen Schub zu geben.