13. Dez. 2023 · 
Finanzen

Zur Irritation in Weils Umfeld muss der Finanzminister Rede und Antwort stehen

Die Sache ist überaus brenzlig für den Ministerpräsidenten, es geht um merkwürdige Personalien in seinem direkten Umfeld. Doch in der Debatte darüber im Landtag, die gestern ablief, schwieg Stephan Weil – und schickte als Antwortenden seinen Finanzminister Gerald Heere (Grüne) vor. Die CDU hakte nach und mutmaßte einen SPD-Filz in der Regierungszentrale. Heere wies diese Vorwürfe strikt zurück, doch in seiner Darstellung der Abläufe und Entscheidungen wurden Ungereimtheiten deutlich. Der Fall scheint damit parlamentarisch noch lange nicht erledigt zu sein, die CDU will jetzt Akteneinsicht beantragen.

Weils Schweigen, Heeres Bühne | Foto: PlenarTV-Screenshot

Was ist geschehen? Anfang Dezember wurde bekannt, dass es für die Büroleiterin von Stephan Weil in der Staatskanzlei, Aynur C., eine Beförderung außer der Reihe gegeben hat. C. erhielt als Angestellte eine außertarifliche Zulage für B2, ohne die dafür bisher notwendige Wartefrist von mehreren Jahren abwarten zu müssen. Es hätten wohl bis zu acht Jahre sein müssen. Die Zulagen-Gewährung hat das Kabinett am 21. November entschieden.

Nachdem das Politikjournal Rundblick Ende November aus dem Kabinett Hinweise auf diesen Vorgang erhielt und in der Staatskanzlei nachfragte, kam eine Antwort am 1. Dezember. Am gleichen Tag verschickte das Finanzministerium eine neue Verfügung an die obersten Landesbehörden, in der auf eine neue Praxis hingewiesen wird. Inhalt dieser Verfügung waren genau die Punkte, die schon einige Tage zuvor im Kabinett bei der Gewährung der AT-Zulage an C. maßgeblich waren. Ist also die Büroleiterin von Weil mit einer Vergünstigung versehen worden, die anschließend – erst nachdem die Presse der Sache auf der Spur war – nachträglich zur allgemeinen Anweisung erklärt wurde? Auch das wies Heere als „unzutreffend“ zurück.

Carina Hermann | Foto: PlenarTV-Screenshot

Die CDU-Fraktionsgeschäftsführerin Carina Hermann erhob in der Landtagsbefragung den Vorwurf, die Regierung habe die Beförderungsregeln „heimlich geändert und dann eine Person aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten als erste und bisher einzige davon profitieren lassen“. Das liest sich nach Heeres Version anders, seine Darstellung der Abläufe sieht so aus: Anfang Juli hatte die Landesregierung in ihrer Klausurtagung über die Probleme beraten, für wichtige Stellen im Landesdienst geeignete Bewerber zu finden. Man sei sich einig gewesen, die Zugangsvoraussetzungen für wichtige Positionen in den obersten Landesbehörden zu erleichtern. In dieser Tagung habe dann Staatskanzleichef Jörg Mielke der Finanz-Staatssekretärin Sabine Tegtmeyer-Dette „ein Beispiel“ genannt – nämlich C., die nach bisherigen Vorgaben viele Jahre auf die Beförderung zu B2 hätte warten müssen, obwohl sie jetzt schon eine Position ausübt, die dieser Einstufung entspricht.

Wie Heere im Landtag berichtete, ging es dann so weiter: Am 27. Juli gab Tegtmeyer-Dette einen Auftrag an das Fachreferat im Finanzministerium, das Fachreferat fragte daraufhin in anderen Ländern und beim Bund nach und ließ sich die dortige Praxis erläutern. Daraus sei klar geworden, dass die in Niedersachsen geltenden Wartefristen in anderen Ländern gar nicht gelten. Ende August dann schickte das Fachreferat „Eckpunkte“ für eine Absenkung der formellen AT-Regeln an Tegtmeyer-Dette zurück, die wiederum daraus einen Entwurf fertigte, der dann am 21. September an die Staatskanzlei übersandt wurde. Am 10. Oktober habe die Staatskanzlei noch Änderungswünsche dazu formuliert, die am 2. November im Finanzministerium angekommen seien. Dann habe er, Heere, als Minister persönlich am 20. November die Neuregelung verfügt.

Gerald Heere spricht für die Landesregierung, während Weil schweigt. | Foto: PlenarTV-Screenshot

Hier taucht nun in der Erklärung des Ministers vor dem Landtag ein Widerspruch auf: Wenn der Erlass des Ministeriums mit den neuen Vorgaben erst am 1. Dezember an die obersten Landesbehörden verschickt wurde, C. aber schon zehn Tage vorher in den Genuss dieser Regel gekommen war, basierte dann nicht der Kabinettsbeschluss vom 21. November auf einer fehlenden Rechtsgrundlage? Diese Frage von Hermann verneinte Heere: Schon seine Minister-Entscheidung vom 20. November habe ausgereicht als Vorgabe, erklärte er. Der Erlass als „konstitutiver Akt“ sei „nicht notwendig gewesen“. Allerdings wird hier der nächste Widerspruch offenkundig.

Hermann fragte, warum denn die Festlegung, die Heere am 20. November getroffen hatte und die Grundlage für die Personalie im Kabinett einen Tag darauf war, erst anderthalb Wochen später an die Behörden verschickt worden ist. Darauf meinte Heere, die Staatskanzlei habe noch am 22. November den Wunsch gehabt, ein Detail zur Befristung von AT-Verträgen zu ergänzen. Dies sei aber nur eine Anmerkung gewesen, keine inhaltliche Änderung. Wenn das nun stimmt und Heeres Vorgabe noch auf Bitten der Staatskanzlei verändert werden musste, dann drängen sich wohl Zweifel auf, dass diese Minister-Entscheidung wirklich schon die ausreichende Basis für die neue Beförderungspraxis sein konnte.

CDU: Wie reagiert Regierung auf entstehende „Unwucht“?

In der Befragung der Landesregierung holte die CDU-Politikerin Hermann dann noch weiter aus. Sie sprach den Ministerpräsidenten direkt an, der aber wiederum – wie schon zuvor – selbst nicht ans Mikrophon ging. Hermann wollte wissen, wie die Landesregierung auf die durch die Neuregelung entstehende „Unwucht“ reagieren wolle: „Was bedeutet diese Ungleichbehandlung für leistungsstarke Beamte, die weiterhin viele Jahre warten müssen, um eine Beförderung nach B2 zu bekommen, während es für Angestellte jetzt diese Erleichterung gibt?“ Der Finanzminister antwortete, eine solche „Unwucht“ sehe er nicht: „Es geht doch um ganz unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse.“ Aus den Reihen der CDU-Fraktion war in diesem Moment lautes Gemurmel vernehmbar, ein Abgeordneter rief „unfassbar“. Heere ließ sich nicht beirren und erklärte, es gehe doch gerade darum, den öffentlichen Dienst für Seiteneinsteiger attraktiver zu gestalten. Dabei sei ja nicht geplant, die Empfänger von AT-Zulagen auch zu verbeamten. Der AfD-Abgeordnete Peer Lilienthal bezog sich als nächster Fragesteller noch auf die Qualifikation von C., die als Steuerfachangestellte in den öffentlichen Dienst gekommen war, erst in Hamburg und dann in Niedersachsen. Heere erklärte daraufhin, dass C. einen Masterabschluss habe.

Schiebt die Staatskanzlei Datenschutz vor?

Diese Debatte im Parlament kratzt dann auch an der seit zehn Jahren verbindlichen Praxis der Staatskanzlei, in Personalangelegenheiten äußerst zurückhaltend zu kommunizieren und nur sehr spärliche Informationen zu geben. Was immer als Datenschutz-Argument dargestellt wurde, erscheint nun in diesem Moment teilweise wie Intransparenz. Hermann fragte, wie denn die Kabinettsmitglieder über die Personalie C. und die geänderte Praxis informiert worden seien, als sie in ihrer Sitzung am 21. November entschieden hatten. Daraufhin offenbarte Heere, dass die Liste der Personalentscheidungen zu Beginn der Kabinettssitzung als „Tischvorlage“ verteilt werde. Über die Kriterien indes, die zur Höherstufung oder AT-Gewährung für die eine oder andere Person führen sollen, werde das Kabinett in diesem Zusammenhang nicht informiert.

Wenn das so stimmt, dann liegt die Vermutung nahe, dass den meisten Ministern die Umstände der umstrittenen Höherstufung von C. in der entscheidenden Kabinettssitzung am 21. November gar nicht bekannt waren.

Dieser Artikel erschien am 14.12.2023 in Ausgabe #219.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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