3. Nov. 2025 · 
MeldungJustiz

Behrens und Wahlmann fordern: Polizei soll verschlüsselte Handy-Botschaften lesen dürfen

Ist der Staat gut genug gerüstet, auf Mafia-Strukturen zu reagieren? Nein, meinen zwei Landesministerinnen - und richten Erwartungen an die Genossin im Bundesjustizministerium.

Berichten über Organisierte Kriminalität: Abteilungsleiter Thomas Hackner (von links), Justizministerin Kathrin Wahlmann, Innenministerin Daniela Behrens und Polizeipräsident Axel Brockmann. | Foto: Wallbaum

Innenministerin Daniela Behrens und Justizministerin Kathrin Wahlmann sind sich einig: Die Polizei und die anderen Sicherheitsbehörden müssen künftig noch besser dafür gerüstet werden, die verschlüsselte Kommunikation von Straftätern, etwa von Mitgliedern der „Organisierten Kriminalität“ (OK) zu überwachen. „Was wir brauchen, ist eine Vorratsdatenspeicherung. Der Bund sollte dies schnell ermöglichen – denn eine Schranke wegen des EU-Rechts besteht jetzt nicht mehr“, sagte Behrens in einer Pressekonferenz am Montag. Wahlmann ergänzte: „Vor einigen Jahren hatte ich noch Bedenken, die zielten vor allem auf das EU-Recht. Inzwischen gibt es die Hürde nicht mehr. Auch ich befürworte eine Reform.“ Die Vorratsdatenspeicherung besagt, dass bei der Überwachung von Chats oder Mail-Verkehr die IP-Adresse für längere Zeit (im Gespräch sind drei Monate) festgehalten werden soll. Damit soll es möglich werden, auch nach Wochen eine Chat-Äußerung einem bestimmten Absender zuzuordnen. Das scheitert bisher daran, dass die IP-Adressen nach wenigen Tagen automatisch geändert werden und eine Rückverfolgung damit ohne Speicherung unmöglich wird.

Die Erwartungen der beiden Landesministerinnen richten sich an eine Parteifreundin, nämlich Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD). Diese hat eine Reformkommission für die Strafprozessordnung eingesetzt, die bis Herbst 2026 Vorschläge vorlegen soll. Behrens deutete an, dass Teile „auch vorweg“ beschlossen werden könnten - also lange vor dem Abschluss der Kommissionsarbeit. In jedem Fall sei es nötig, die Rechte der Strafverfolgung zu stärken, da die Täter der OK geübt und routiniert darin seien, die neuesten technischen Möglichkeiten zu nutzen und zu verfeinern. Erst vor wenigen Tagen war ein Vorschlag der dänischen EU-Ratspräsidentschaft, die „Chatkontrolle“ EU-weit einzuführen, am Widerstand unter anderem der Bundesregierung gescheitert. Die Dänen hatten zunächst geplant, die Unternehmen der Telekommunikation zu verpflichten, die über ihre Dienste versendeten Nachrichten vor einer möglichen Verschlüsselung auf kinderpornographische Inhalte zu überprüfen und den Behörden zu melden. Nachdem dieser weitgehende Eingriff in Bürgerrechte nun nicht kommen wird, drängen Behrens und Wahlmann auf die Speicherung von IP-Adressen über das deutsche Recht, also die Strafprozessordnung. „Das Bundesjustizministerium muss nun einen Weg finden“, betonte die niedersächsische Innenministerin erwartungsvoll. Fast alle bisherigen Erfolge der deutschen Ermittler bei der Aufdeckung von kinderpornographischen Netzwerken beruhten auf Hinweise der US-Behörden, die ihre Erkenntnisse weiterleiten. Auch Wahlmann sagte, dass es unredlich sei, die Datenspeicherung in Deutschland abzulehnen und gleichzeitig auf die so in den USA gewonnenen Erkenntnisse zu bauen.

  • Rauschgifthandel dominiert: Unter "OK" werden kriminelle Gruppen verstanden, die auf verschiedenen Gebieten kooperieren und sogar unter Einfluss ausländischer staatlicher Stellen stehen können. Spionage und Sabotage zählen auch zu den Feldern. Die niedersächsische Polizei hat 2024 in diesem Sektor 82 Verfahren mit 712 Tatverdächtigen geführt, der große Schwerpunkt war nach wie vor Rauschgifthandel. Die Justiz führt gegenwärtig 125 Verfahren. Beim Drogenschmuggel sind die Seehäfen besonders im Blick, die Kriminellen würden immer mehr Varianten anwenden – so auch Verstecke am Bug der Frachtschiffe. Landespolizeipräsident Axel Brockmann sagte, es sei „blauäugig anzunehmen, die Legalisierung von Cannabis habe den illegalen Markt verkleinert“. Eher sei damit der Konsum für noch weitere Kreise attraktiv geworden. Behrens ergänzte, jeder Konsument habe „wenig Möglichkeiten, sich den Stoff legal zu beschaffen, also nutzt man den Schwarzmarkt“. Hier gebe es „einen Fehler im Gesetz“.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #194.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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