4. Dez. 2023 · 
P und P

Wirbel um Weils Büroleiterin: Gab es eine Beförderung außer der Reihe?

Ein merkwürdiger Vorgang aus der Landesregierung erregt derzeit hinter den Kulissen die Gemüter. Die Büroleiterin von Ministerpräsident Stephan Weil, Aynur C., ist nach Informationen des Politikjournals Rundblick mit einem „außertariflichen Entgelt“ bedacht worden. Die Folge ist, dass sie jetzt nach der Gehaltsstufe B2 (Ministerialrat) bezahlt wird. Derartige außertarifliche Leistungen sind nun keine Besonderheit – vor allem für Funktionen, die mit einer besonderen Verantwortung verbunden sind. Allerdings werfen die Umstände der Kabinettsentscheidung, die vor wenigen Wochen getroffen wurde und über die es bisher keine offizielle Mitteilung gibt, mehrere Fragen auf.

Ministerpräsident Stephan Weil steht vor der Staatskanzlei in Hannover, wo er seit Anfang 2023 eine
neue Büroleiterin beschäftigt. | Foto: Niedersächsische Staatskanzlei/Reiner Jensen

Offensichtlich ist im Fall der Büroleiterin C., die im Ehrenamt gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Sebastian Zinke Vorsitzende der SPD im Heidekreis ist, von einer zuvor jahrelang geübten Praxis abgewichen worden. Eine Frist, die bei derlei Zahlungen sonst stets einzuhalten gewesen war, ist verkürzt worden. Auf Anfrage teilt die Staatskanzlei mit, dass dieses neue Verfahren das Ergebnis der Haushaltsklausurtagung im vergangenen Juli war: Angesichts des Fachkräftemangels in der Landesverwaltung sollten die Hürden für Seiteneinsteiger gesenkt und die Wartezeiten für Beförderungen verkürzt werden.


Seit Januar dieses Jahres ist die 33-jährige C., gelernte Steuerfachangestellte, Büroleiterin von Weil. Sie folgte auf Lars Wegener, der in einen anderen Bereich der Staatskanzlei gewechselt war. C., die auch ehrenamtliche Bürgermeisterin in Buchholz (Aller) ist, war zuvor 15 Monate lang Büroleiterin des Hamburger Finanzsenators. Positionen im engeren Umfeld des Regierungschefs werden an Beamte wie an Angestellte vergeben. Wie die Staatskanzlei auf Rundblick-Anfrage erklärt, ist die Rechtsgrundlage für die Bezahlung in der Landeshaushaltsordnung gegeben. In Paragraph 40 heißt es dort, bei der Gewährung von außertariflichen Leistungen sei die Einwilligung des Finanzministeriums nötig – „wenn diese Regelungen zu zusätzlichen Ausgaben im laufenden Haushaltsjahr oder in den künftigen Haushaltsjahren führen können“.

Rechtliche Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen AT-Vergütungen gewährt werden können, bestehen laut Staatskanzlei für Angestellte nicht. Es habe aber zwischen dem Finanzministerium und den anderen Ressorts eine „Praxis“ gegeben, wonach die Gewährung von Sonder-Vergütungen für Bezieher ab E16 aufwärts an einen „fiktiven Werdegang“ gekoppelt wird. Das heißt, es wird geschätzt, welchen Karriereverlauf ein Beamter in vergleichbarer Lage hätte zurücklegen müssen, um in den Genuss der Vergütung zu kommen, die jetzt dem Angestellten gegeben werden soll. Wenn man diesen Maßstab im Fall von C. angelegt hätte, wäre die Basis für das außertarifliche Entgelt nicht vorhanden gewesen. C. ist im Jahr 1990 geboren, sie hätte kaum in wenigen Jahren nach ihrem Einstieg in den öffentlichen Dienst die Positionen der A-Besoldung bis zum Ende durchlaufen und in die B-Besoldung aufsteigen können.



Allerdings verweist die Staatskanzlei in ihrer Stellungnahme für das Politikjournal Rundblick auf die Kabinettsklausur im Juli. Bei dem Treffen der Minister und Staatssekretäre sei es auch um die Personalsituation im öffentlichen Dienst gegangen, also vor allem um die Frage, wie die bevorstehende Ruhestandswelle in der Landesverwaltung angesichts des Fachkräftemangels aufgefangen werden kann. Dazu erklärt die Staatskanzlei: „Da auch der Landesdienst in Konkurrenz zu anderen Arbeitgebern attraktiv sein muss, ist auch die Notwendigkeit besprochen worden, beim Land Einstiegshürden – hierzu zählt auch die oben beschriebene Praxis für Seiteneinsteiger – zu senken. Die Qualifikation und Bewährung werden dabei vorausgesetzt.

In diesem Kontext hat die Landesregierung im Sommer 2023 bereits im Beamtenbereich die Wartefrist für Beförderungen A15 nach A16 sowie von A16 nach B2 von bisher zwei Jahren auf ein Jahr und damit auf die Vorgaben des niedersächsischen Beamtenrechts zurückgeführt.“ Auch die bisherige Praxis, den fiktiven Karriereverlauf bei Angestellten nachzuzeichnen, habe man bei dieser Gelegenheit aufgegeben – ebenso wie die Zustimmungspflicht des Finanzministeriums. Das gelte einschließlich der Stufe B2, also bis zu der Vergütung, die jetzt für C. beschlossen wurde. In diesem Punkt seien sich Staatskanzlei und Finanzministerium „einig“ gewesen, erklärt die Staatskanzlei weiter. Und sie erklärt, dass diese weggefallenen Hürden im Fall von C. erstmals angewandt worden seien. Das solle „Grundlage auch in anderen Fällen sein“.

Merkwürdig ist dieser Fall aus mehreren Gründen. Zum einen fällt auf, dass C. der erste und bisher einzige Fall ist, in dem die Verkürzung der Wartezeit bis zur B2-Hochstufung über die AT-Vergütung angewandt wurde. Handelt es sich also bei der Kabinettsentscheidung im Juli um eine „Lex C.“? Auffällig ist auch, dass die neuen Regelungen bisher von der Landesregierung nicht im Detail öffentlich vorgestellt wurden – damit also in breiten Teilen der Beamtenschaft das Wissen darüber, jetzt über verkürzte Fristen aufsteigen zu können, nicht vorhanden sein könnte. Womöglich wäre bei einer offenen Kommunikation der Andrang von Bewerbern, eine zügige Höherbesoldung zu beantragen, groß gewesen.



Schließlich fällt auch auf, dass die Landesregierung die Gewährung einer AT-Vergütung für C. nicht offen kommunizierte. Das Politikjournal Rundblick ist nur darauf gestoßen, weil die Redaktion einen Hinweis aus dem Kabinett erhalten hatte. Die Staatskanzlei verfolgt seit vielen Jahren die Praxis, bei Personalentscheidungen maximale Vertraulichkeit zu wahren.

Dieser Artikel erschien am 5.12.2023 in Ausgabe #212.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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