Kürzlich veröffentlichte die Volkswagen-Stiftung gemeinsam mit Startup-Niedersachsen ein Impulspapier zur Gründungsförderung. Bei der Hochschule Hannover sorgte die Lektüre für viel zustimmendes Kopfnicken. Im Rundblick-Interview verrät Vizepräsident Prof. Martin Grotjahn, warum das Konzept der „innovercity“ bereits viele Impulse aufgegriffen hat – und wie es künftig mit der Innovationsförderung weitergehen kann.

Rundblick: Herr Prof. Grotjahn, Sie haben in einem leerstehenden Kaufhaus in Hannovers Innenstadt die „innovercity“ ins Leben gerufen. Was soll das eigentlich sein?
Prof. Grotjahn: Im Herbst 2022 sind wir mit der Idee bei der Stadtspitze vorstellig geworden, in Hannover ein dreiwöchiges Festival für Wissenschaft, Innovation und Zukunftsimpulse als Prototyp für ein „Haus der Innovationen“ zu veranstalten. Der Grundgedanke hinter all dem ist, dass Hannover in diesem Bereich zwar in der Bundesliga spielen kann – aber nur dann, wenn es gelingt, die Kräfte zu bündeln. Aus den drei Wochen wurden dann allerdings neun Monate und ein Areal von 5000 Quadratmetern mitten in der Innenstadt im Erdgeschoss des ehemaligen Kaufhof-Gebäudes, aus dem wir gemeinsam mit Stadt und der Wirtschaftsförderung Hannover-Impuls den sogenannten „aufhof“ gemacht haben. Wir haben hier nun einen Ort geschaffen, an dem sich Wissenschaft, Unternehmen und Gesellschaft bei ganz unterschiedlichen Formaten begegnen können – allerdings nur vorübergehend.
„Wenn man neue Begegnungen ermöglichen möchte, ist das leichter zentral in der Stadt.“
Rundblick: Was sind das für Begegnungen, die Sie hier initiieren wollen?
Prof. Grotjahn: Momentan veranstalten wir etwa die „Brainfood“-Veranstaltungsreihe in Kooperation mit den Unternehmerverbänden Niedersachsen und Hannover-Impuls. Dabei geht es beispielsweise darum, unsere Experten aus dem Bereich der Verfahrenstechnik mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zum Thema Wasserstofftechnik miteinander zu vernetzen. Wir hatten aber auch schon sogenannte „Hackathons“ mit IT-Unternehmen, verschiedene Formate zusammen mit Startup-Niedersachsen oder ein dreitägiges Festival im Angebot. Wir wollen zwar die Zahl der Unternehmensgründungen steigern, müssen aber auch sehen, dass nicht alle Forschenden sich als Gründer eignen. Manchmal braucht man auch eine Gründungspersönlichkeit, die gemeinsam mit dem Forscher dessen Idee verwertet. Dafür müssen wir die Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenbringen und einen entsprechenden Spirit erzeugen.
Rundblick: Warum haben Sie Ihr Konzept nicht einfach an einem der Hochschulstandorte umgesetzt, wo Sie doch ohnehin die innovativen Wissenschaftler vor Ort haben?
Prof. Grotjahn: Hannover ist gekennzeichnet von vielen verschiedenen Standorten für die unterschiedlichen Hochschulen, Fakultäten und Fachbereiche. Die Hochschulen haben zudem ihre Gebäude nicht selten dort, wo es günstig ist: am Rande der Stadt. Da gibt es etwa unseren Design- und Medien-Campus auf der Expo-Plaza oder den Maschinenbau-Campus der Leibniz-Uni in Garbsen. Wenn man aber neue Begegnungen ermöglichen möchte, wenn Gruppen miteinander in Kontakt kommen sollen, die sonst nichts miteinander zu tun haben, ist das viel leichter zentral in der Stadt. Ich denke da beispielsweise an Ingenieure, die sonst selten auf Kulturschaffende treffen, oder an Wirtschaftsunternehmen, die junge Menschen suchen, um sie für die Naturwissenschaften zu begeistern. In der City sind niedrigschwellige Kooperationen möglich, denn es gibt eine gewisse Trägheit, an zu viele verschiedene Orte zu gehen. Gleichzeitig braucht es aber natürlich auch Gründungsräume für solche Startups, die spezielle Labor-Infrastrukturen der unterschiedlichen Hochschulen benötigen.
„Der Charakter des Hauses hier erzeugt eine andere Offenheit, dazu muss es aber kein derartiges Provisorium bleiben.“
Rundblick: Ich kann mir vorstellen, dass dieses Provisorium hier in einem alten Kaufhaus auch einen gewissen Charme hat, der insbesondere die Kreativen anziehen mag. Ist das ein Vorteil?
Prof. Grotjahn: Der Charakter des Hauses hier erzeugt eine andere Offenheit, das ist so. Dazu muss es aber kein derartiges Provisorium bleiben. Mit unseren Design-Studierenden haben wir im „aufhof“ auf kreative Weise ganz unterschiedliche Areale geschaffen, was wunderbar ist. Wir sehen aber eindeutig Verbesserungsbedarf, beispielweise bei der Akustik, die für große Gruppen und parallele Veranstaltungen nicht so geeignet ist. Auch die Haustechnik in einem alten Kaufhaus ist ungeeignet, denn hier läuft die Technik entweder für das ganze Haus – oder gar nicht.

Rundblick: Sie suchen also ein neues Domizil?
Prof. Grotjahn: Die Gespräche dazu laufen, noch ist aber nichts spruchreif. Es ist uns wichtig, dabei die Politik genauso mit im Boot zu haben wie die Wirtschaft. „Innovercity“ ist das Haus der Innovationen und Zukunftskompetenzen. In Zeiten des Nachwuchsmangels und der Transformation in so vielen Bereichen, müssen die Unternehmen ein eigenes Interesse daran haben, dass es einen solchen Ort gibt.
Rundblick: Hier im ehemaligen Kaufhofgebäude haben Sie gewisse Bedingungen vorgefunden, die von der Stadt kamen. Was davon bräuchten Sie in Zukunft auch noch?
Prof. Grotjahn: Die „innovercity“ muss auf jeden Fall ein Anlaufpunkt für Schulen sein. Die Bedeutung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer sowie der Digitalisierung wächst zunehmend. Da kann unser Angebot eine Ergänzung zur schulischen Bildung sein. Zudem braucht es Co-Working-Bereiche, Räume für Studierende und die Möglichkeit, dass Start-Ups sich einmieten können. Ebenso sollen bereits etablierte Unternehmen einen Platz finden. Das erlebt man in vergleichbaren Einrichtungen wie etwa dem „Epicenter“ in Stockholm, bei dem dann Microsoft und andere großen Player ein Büro haben, um die innovativen Köpfe anwerben zu können. Für all das brauchen wir aber keine 25.000 Quadratmeter wie aktuell mit den ungenutzten Kaufhausflächen über unseren Köpfen, sondern vielleicht eher allerhöchstens 10.000 Quadratmeter insgesamt.
„Wichtig ist es gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen, die Konkurrenz aufzulösen.“
Rundblick: Damit ein solches Haus funktionieren kann, muss auch jemand den Hut aufhaben. Wie groß ist der Kopf des Ganzen?
Prof. Grotjahn: Sinnvoll wäre eine Mischfinanzierung, man sollte eine Betreibergesellschaft gründen. Die Hochschulen allein können das nicht leisten und das Risiko nicht tragen. Das Team sollte nicht zu klein, aber schlank genug sein, um noch innovativ arbeiten zu können. Jemand muss die Veranstaltungen kuratieren. Vermutlich wären acht bis zehn Personen dafür notwendig. Die Herausforderung ist aktuell, dass das Veranstaltungskonzept vom Ort und der Ort wiederum von den Beteiligten abhängt. Es ist ein Henne-Ei-Problem, an dem wir gerade arbeiten.
Rundblick: Im Impulspapier der Volkswagen-Stiftung war auch von Beratern die Rede, die Gründungswilligen unter die Arme greifen sollen. Braucht es da zusätzliches Personal?
Prof. Grotjahn: Diese Fachleute haben wir, denke ich, an ganz verschiedenen Stellen – bei Startup-Niedersachsen, in den Hochschulen oder bei der kommunalen Startup-Förderung. Wichtig ist es gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen, die Konkurrenz aufzulösen, die Kräfte in den jeweiligen Standorten in einem gemeinsamen Gründungszentrum zu bündeln und standortübergreifend niedersachsenweit zusammenzuarbeiten.