23. Apr. 2024 · 
Wirtschaft

Wie Wissenschaft und Wirtschaft eine neue Gründungskultur kreieren wollen

Ob Automobilindustrie oder Agrarwirtschaft – der Druck der Veränderung lastet schwer auf den Kernindustrien Niedersachsens. Bei der unabhängigen und gemeinnützigen Volkswagen-Stiftung mit Sitz in Hannover ist man aber davon überzeugt, dass die Antworten auf die Herausforderung unserer Zeit in den Hochschulen zu finden sind. Um mit dem vorhandenen Wissen etwas anfangen zu können, brauche es allerdings eine noch intensivere Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft – eine Kultur, die Ausgründungen aus der Uni unterstützt. Der erste niedersächsische Innovationsdialog, den die Stiftung am Dienstag im Tagungszentrum Schloss Herrenhausen veranstaltet hat, soll den Grundstein dafür legen.

Foto: arthobbit via GettyImages

Wichtige Eckpunkte formuliert die Volkswagen-Stiftung gemeinsam mit Startup-Niedersachsen, der Startup-Plattform des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums, in einem Impulspapier, das dem Politikjournal Rundblick exklusiv vorliegt. Darin heißt es etwa: Startups könnten „bestehenden Unternehmen helfen, den Sprung in neue Märkte und zu neuen Absatzchancen zu wagen.“ Jedoch: Die Hochschulen hätten zwar „leistungsstarke Unterstützungsstrukturen“ entwickelt, diese „Vielzahl von Einzelmaßnahmen und Strukturen“ seien aber nur schwach aufeinander abgestimmt. Entscheidend sei ein „noch stärkerer Schulterschluss zwischen den beteiligten Ministerien“ sowie ein „Brückenschlag zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik“. Auf 15 Seiten formulieren Volkswagen-Stiftung und Startup-Niedersachsen, wie das gelingen kann und an welchen Punkten nun angesetzt werden sollte:

  • Förderinstrumente abstimmen: Startups entstehen häufig dort, wo sich die Zuständigkeiten von Wissenschafts- und Wirtschaftsressort überlappen. Beide Ministerien sollten deshalb ein abgestimmtes Förderportfolio schaffen, heißt es in dem Impulspapier. Ergänzend sollte ein Fondsmodell aufgelegt werden, das speziell die Frühphase von hochinnovativen und ressourcenintensiven Ausgründungsprojekten finanzieren kann. Als Ziel wird ein Gesamtvolumen von 50 Millionen Euro formuliert, damit einzelne Projekte in ihrer Frühphase mit bis zu einer Million Euro finanziert werden können. Im Positionspapier wird zudem explizit das Gießkannenprinzip bei der Forschungsförderung kritisiert, wenn es der Besten-Förderung im Wege steht. Zudem wird gefordert, die Landesförderung besser mit den Förderinstrumenten von Bund und EU abzustimmen.


  • Digitale Beantragung ermöglichen: Die Verfasser des Impulspapiers bemängeln, dass eine Unternehmensgründung für viele Studenten nicht als Karriereoption angesehen werde. Gibt es dann gründungswillige Jungunternehmer, würden diese häufig von den bürokratischen Hürden abgeschreckt. Förderanträge könnten etwa nicht auf Englisch oder digital gestellt werden – das sollte sich ändern. Eine zusätzliche Vereinfachung wäre zudem dadurch möglich, dass die Finanzaufsicht für alle gründungs- und transferbezogenen Hochschulangelegenheiten von einem einzigen Finanzamt übernommen wird. Im Papier ist von einem „One-Stop-Shop“ die Rede – also einer Einheit, bei der die gesamte Expertise gebündelt wird, wodurch die Zahl der Behördengänge verringert würde.


  • Teams aktiv bilden: Dass Niedersachsen ein Flächenland mit vielen Zentren aber keiner eindeutigen Metropole ist, erkennen die Verfasser des Papiers als Herausforderung. Die klugen Köpfe müssen deshalb aktiv miteinander in Kontakt gebracht werden. An den bestehenden Netzwerk- und Beratungsstrukturen sollten deshalb zusätzlich Themenscouts eingesetzt werden. Außerdem wird vorgeschlagen, Gründungsteams gezielt aufzubauen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Fachexperten häufig Unterstützung bei anderen Teilaufgaben, die eine Unternehmensgründung mit sich bringt, brauchenkönnten. 
  • Transfer-Gedanken stärken: Die Bedeutung des Transfers als dritte Säule der Hochschulen – neben Forschung und Lehre – setzt sich zwar landesweit immer mehr durch. Die Verfasser des Impulspapiers fordern jedoch, dass der Transfergedanke auf allen Ebenen verankert werden müsse: inhaltlich wie finanziell. Dazu solle der Grundetat der Hochschulen zweckgebunden für Ausgründungen erhöht werden, Lehrpersonal soll sich verpflichtend dabei einbringen und Transferaktivitäten müssen als Indikator bei der Bewertung der Leistung von Hochschulen berücksichtigt werden. Das aktuell geltende „Splittingverbot“ für Lehrpersonal an den Hochschulen, das eine Verschränkung von Haupt- und Nebentätigkeit unterbindet, wird als Hindernis wahrgenommen. Damit würden frühzeitig Schranken zwischen Hochschulen und Ausgründungen aufgebaut, heißt es. Deshalb schlagen die Verfasser eine Änderung des niedersächsischen Hochschulgesetzes vor, um eine Modernisierung dieses Passus vorzunehmen, wie es in anderen Bundesländern schon geschehen ist. Auch bei den Regelungen zum geistigen Eigentum sollte nachgebessert werden, da die aktuellen Bestimmungen dazu führten, dass Patente und Innovationschancenungenutzt blieben. 


  • Gründungszentren ausbauen: Elf regionale Gründungszentren sind in Niedersachsen bereits entstanden. Diese gelte es nun auszubauen, heißt es in dem Papier. In allen Regionen des Landes sollten themenoffene Gründungszentren mit direkter Anbindung an die Hochschulen entstehen. Neben Arbeitsräumen müssen diese Orte auch Beratung für Gründungswillige bereitstellen. Darüber hinaus werben die Verfasser des Impulspapiers dafür, dass die Kommunen auch kommerziell Räume und Gewerbeflächen anbieten sollten, damit bereits gegründete Unternehmen wachsen können. Sogenannte Hightech-Inkubatoren, also Zusammenschlüsse mit dem Ziel, Ausgründungen in spezifischen Schlüsseltechnologien voranzutreiben, sollen zudem gestärkt werden. Diese Leuchttürme, die womöglich auch an mehreren Standorten tätig sind aber sich unter einem thematischen Dach vereinen – wie beispielsweise die Lebenswissenschaften in Göttingen, Hannover und Braunschweig – wollen die Volkswagen-Stiftung und Startup-Niedersachsen besser bewerben. Sie schlagen eine Kommunikationskampagne des Landes vor, um Sichtbarkeit und Renommée zu steigern.
Dieser Artikel erschien am 24.4.2024 in Ausgabe #076.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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