Wie man sorgsamer mit Wasser umgehen kann: Agrarpolitiker lernen vom Vorbild Spanien
Vordergründig haben Spanien und Niedersachsen nicht sonderlich viel miteinander gemeinsam. Die Agrarpolitiker des niedersächsischen Landtags haben kürzlich während einer Bereisung des südlichen EU-Mitgliedstaats dennoch aufschlussreiche Erkenntnisse gewonnen, wie sie berichten. Hauptanliegen der Ausschussreise war es, etwas über den Umgang der dortigen Landwirte mit großer Trockenheit zu erfahren. Aber auch die Schweinehaltung zog das Interesse der Abgeordneten auf sich – und Bauernproteste gab es auch dort zu sehen.
Im Anschluss an ihre Reise schilderten die Abgeordneten ihre Eindrücke gegenüber dem Politikjournal Rundblick:
Die zurückliegenden Dürrejahre haben die Agrarpolitiker in Niedersachsen unruhig werden lassen. Wird der Klimawandel die Bewirtschaftung der Böden künftig deutlich schwieriger machen? In Spanien wollten die Abgeordneten Antworten finden und lernten zunächst, dass das Land durch eine wenig sinnvolle Aufteilung auffällt: Während im nördlichen Galicien viel Süßwasser vorhanden ist, befinden sich die Ackerbauregionen im trockenen Süden. Die Wassernot führe in Katalonien bereits zu Verteilungskämpfen, Landwirtschaft und Tourismus stünden sich als Konkurrenten gegenüber, berichten Teilnehmer der Reise.
„Jedes spanische Gemüse, das wir in Deutschland kaufen, ist Teil dieser Wasserproblematik“, sagt Marco Mohrmann, der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Die Spanier hätten auf diese Herausforderung viele Antworten gefunden, weiß Karin Logemann, die agrarpolitische Sprecherin der SPD, zu berichten: Stauseen, Flüsse, Leitungen – und sogar Meerwasser-Entsalzungsanlagen. Doch die Offiziellen hätten gegenüber den Abgeordneten schon durchblicken lassen: All das dürfte nicht ausreichen. „Der Bau von weiteren Leitungen stößt auf Widerstand in der Bevölkerung“, berichtet Logemann.
Energieintensive Entsalzungsanlagen wird man an der Nordseeküste zwar keine brauchen, sind sich die Abgeordneten sicher. „In der Wesermarsch, wo ich herkomme, haben wir ja eher zu viel Wasser als zu wenig“, sagt Logemann. Aber die Frage, wie das vorhandene Wasser innerhalb des Landes besser verteilt werden kann, treibt auch die niedersächsische Landespolitik um. Die Überlegungen zum Bau von Rückhaltebecken und Poldern wurde erst durch das jüngste Weihnachtshochwasser noch einmal befeuert. Als Vorbild kann die spanische Landwirtschaft hingegen im Bereich der Beregnung dienen. Technisch sei man dort deutlich weiter, wenn es darum geht, zielgerichtet zu bewässern und dabei darauf zu achten, dass weniger Wasser verdunstet, berichtet Pascal Leddin von den Grünen. Um die Verschwendung von Wasser zu vermeiden, setzt man in Spanien außerdem am Ende der Wertschöpfungskette an: Ein Gesetz soll dort verhindern, dass zu viele Lebensmittel im Müll landen. „Jedes weggeschmissene Lebensmittel ist auch produziert worden“, fasst Logemann den dahinterliegenden Gedanken zusammen. Bei Rot-Grün in Niedersachsen trifft dieser Ansatz auf offene Ohren.
Die CDU-Politiker haben derweil ganz besonders auf die boomende Schweinefleischproduktion in Spanien geachtet. Als die Schweineexporte aus Deutschland aufgrund der Beschränkungen nach dem Ausbruch der afrikanischen Schweinepest (ASP) eingebrochen waren, sprangen die Spanier rasch ein. Auf der Fahrt zwischen Madrid und Barcelona haben die Abgeordneten diesen Trend beim Besuch mehrerer Schweineställe mit eigenen Augen sehen können, berichtet Mohrmann und erklärt: „Das Wachstum der Schweinehaltungen hat sich inzwischen konsolidiert.“ In Gesprächen mit den Spaniern sei allerdings deutlich geworden, dass die Debatte über das Tierwohl dort gesellschaftlich eine deutlich geringere Rolle spiele als in Deutschland. Hinzu käme zudem eine sehr viel größere Gülleproblematik, da es in Spanien bei weitem nicht so viel Ackerbau in den Tierhaltungsregionen gebe wie in Niedersachsen.
Pascal Leddin meint, in Spanien sorge das fehlende Verbundnetz dafür, dass regional die Nitratbelastung besorgniserregende Werte annehme. In knapp 160 Dörfern sei das Grundwasser nicht mehr als Trinkwasser zu gebrauchen, sei berichtet worden. Inzwischen werde das Wasser aufwendig aufbereitet, damit es wieder genutzt werden könne. Zu lange habe man in Spanien das Problem ignoriert, jetzt versuche man allmählich aufgrund des Drucks aus der EU nachzusteuern. Doch wer den Streit um die „roten Gebiete“ in Niedersachsen kennt, ahnt schon, dass das nicht konfliktfrei verlaufen wird. Die niedersächsischen Abgeordneten zeigten sich schon jetzt von der extremen Spaltung überrascht, die den spanischen Berufsstand auszeichnet. Statt eines einheitlichen Berufsverbandes gebe es rechte und linke Gruppierungen, die eine ohnehin hohe politische Instabilität auch auf die Agrarbranche überträgt.
Für den CDU-Politiker Mohrmann zeigen sowohl die Wasser- als auch die Gülleproblematik, wie wichtig es sei, Niedersachsen als Gunststandort für die Landwirtschaft zu erhalten. „Die Tierhaltung ins europäische Ausland zu verlagern, führt nicht zu einer Verbesserung für die Umwelt oder beim Tierwohl.“ Leddin erwidert, dass sich kaum beeinflussen lasse, wo sich die Lebensmittelproduktion ansiedle. Die Spanier verwiesen nämlich darauf, dass Marokko oder Südafrika aufgrund deutlich geringerer Arbeitskosten zur neuen Konkurrenz würden. Diese Staaten liegen aber immerhin nicht im EU-Schengenraum und wären deshalb bestimmten Importbestimmungen unterworfen – anders als bei der Konkurrenz zwischen deutschen und spanischen Landwirten.
Unter den Abgeordneten aus Niedersachsen gab es vor dem Hintergrund dieser Diskussion auch unterschiedliche Deutungen des Interesses der Spanier am niedersächsischen Programm zur Diversifizierung im Bereich der Schweinehaltung. Die Landesregierung möchte mit Fördergeldern die Schweinehalter in Niedersachsen dabei unterstützen, andere Erwerbsmöglichkeiten innerhalb ihrer Betriebe zu erschließen.
Karin Logemann erkannte bei den spanischen Gesprächspartnern aufrichtiges Interesse an diesem Modell, da man auch in Spanien erkannt habe, wie viele Ressourcen die Schweineproduktion verschlinge. Marco Mohrmann horchte derweil auf, als es um die Frage des konkreten Ziels dieses Programms ging: Möchte man mehr Optionen für die Bauern oder soll die Produktion heruntergefahren werden? Die SPD-Politiker hätten mit einem entschiedenen Sowohl-als-auch geantwortet. Die spanische Seite habe allerdings an vielen Stellen deutlich gemacht, ihre Produktion auf keinen Fall drosseln zu wollen.
Großkoalitionäre Einigkeit erkennt man derweil bei einem anderen Thema, mit dem die Agrarpolitiker überraschend konfrontiert worden sind: Im spanischen Agrarsektor scheint die Industrialisierung enorm voranzuschreiten: Immer mehr kleine Betriebe und das dazugehörige Land werden demnach von Großunternehmen aufgekauft, der einzelne Bauer wird dann zum Angestellten. Die Dörfer bluten aus, die Höfe finden keine Nachfolger – die Industrie übernimmt.
Logemann und Mohrmann berichten davon gleichermaßen besorgt und wollen Niedersachsen vor einer solchen Zukunft bewahren. Wie kann das gehen? Die Politiker kommen vielleicht nicht mit ganz neuen Ideen aus Spanien zurück, aber sie tragen diese jetzt mit neuer Dringlichkeit vor: Erzeugerpreise erhöhen, regionale Vermarktung stärken, ländliche Räume attraktiv halten und Bürokratie so weit abbauen, dass auch die kleinen Unternehmer diese noch bewältigen können.
Dieser Artikel erschien am 08.04.2024 in der Ausgabe #064.
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