10. Jan. 2023 · 
Landwirtschaft

Im Moor sollen Umwelt- und Klimaschutz mit Landwirtschaft versöhnt werden – nur wie?

Seit kurz vor Weihnachten steht fest: Der „niedersächsische Weg“ geht in die Verlängerung. Auch unter den beiden Grünen-Ministern Christian Meyer (Umwelt) und Miriam Staudte (Agrar) wird das kooperative Politikmodell, das Naturschutz und Landwirtschaft in Einklang bringen soll, fortgesetzt. Vor gut vier Jahren hatten sich auf Anregung des damaligen Umweltministers Olaf Lies (SPD) und seiner Kabinettskollegin Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) die Verbandsspitzen von Nabu und BUND sowie Landvolk und Landwirtschaftskammer erstmals gemeinsam an einen Tisch gesetzt, um die festgefahrenen Konflikte zwischen denen, die die Landschaft bewirtschaften, und jenen, die sie am liebsten in Ruhe lassen wollen, zu schlichten. Das Ergebnis war bekanntermaßen wenig später ein umfangreiches Gesetzespaket zum Naturschutz-, Wasser- und Waldgesetz, das zwar einstimmig vom Landtag beschlossen, aber im Folgenden von den Grünen auch immer wieder skeptisch beäugt wurde. Nun spricht die neue Agrarministerin Staudte von einer „echten Errungenschaft“, die dieses Bündnis sei, und kündigt nach der ersten Sitzung des Lenkungskreises „neuen Schwung“ an.

Der "Niedersächsische Weg" wird fortgeführt. Ende Dezember trafen sich die Vertragspartner mit den neuen Ministern. | Foto: ML Niedersachsen

Mit diesem neuen Schwung lenkt man aber auch auf einen neuen Pfad des „niedersächsischen Weges“ ein. Dem Vernehmen nach möchte man sich nun schwerpunktmäßig den ungelösten Konflikten beim Moorschutz widmen – und dazu wohl die Wasserwirtschaft und die kommunalen Spitzenverbände mit an den Tisch holen. Dieser Schritt passt in die Linie des Duos Meyer/Staudte, das die Agrarpolitik nicht zuletzt als Klimaschutzpolitik verstanden wissen möchte. Der Schutz der Moore ist zwar auch ein Instrument zum Erhalt der Artenvielfalt und damit klassischer Bestandteil des „niedersächsischen Weges“. Bei der Renaturierung von Mooren geht es aber ganz wesentlich auch darum, die Klimaschutzfunktion des Bodens wieder herzustellen. Im trockenen Zustand ist der kohlenstoffreiche Moorboden ein „Klimakiller“ und macht etwa 7,5 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus. Gut durchfeuchtet speichert er aber CO2 und ist eine hervorragende Kohlenstoffsenke. Umweltverbände drängen deshalb auf ein noch höheres Tempo beim Ausstieg aus der Entwässerung der Böden. Für die Landwirtschaft ist genau das allerdings ein Problem, denn die Bewirtschaftung wird dadurch erheblich eingeschränkt, wenn nicht sogar unmöglich.

Ein Jahrhundert lang wollte man das Wasser aus der Fläche haben. Jetzt wollen manche das Nass zurückholen. | Foto: GettyImages/Vincent

Seit etwa einem Jahrhundert hat die Landwirtschaft im Einvernehmen mit der Gesellschaft das Wasser aus den kohlenstoffreichen Böden herausgeleitet. Mit Drainagen, also unterirdischen Kanälen, haben die Landwirte Moore zu Feldern und Urwälder zu Forsten getrimmt, ihnen die morastige Natur ausgetrieben und sie für den Menschen nutzbar gemacht. Jetzt gibt es eine Trendwende, wie man sie insgesamt im Umgang mit dem Wasser beobachten kann. Es geht nicht mehr darum, das Wasser möglichst rasch aus allen Bereichen herauszuziehen und wegzuleiten. Vielmehr hat man die große Bedeutung des Wassers in den trockenen Zeiten des Klimawandels wiederentdeckt. Klimaaktivisten fordern, pro Jahr 20.000 Hektar Moorfläche wieder zu vernässen. Der Bund verfolgt seit 2020 die Strategie, bis zum Jahr 2030 die jährlichen Kohlenstoff-Emissionen aus Moorböden um zunächst fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zu verringern. Doch dazu müssen die Länder aktiv werden, allen voran Niedersachsen – denn Niedersachsen ist ein Moorland: Mehr als 70 Prozent der bundesrepublikanischen Hochmoore befinden sich hier, fast ein Fünftel der Niedermoore.

"Nur wenn der Klimaschutz auf den Flächen der Landwirte wirtschaftlich attraktiv ist, werden wir die Treibhausgasemissionen gemeinsam deutlich senken.“

Die Herausforderung der Vertragspartner des „niedersächsischen Weges“ wird es nun sein, die Ansprüche, zugleich Klimaschutz-, Moor- und Agrarland Nummer Eins sein zu wollen, alle unter eine Decke zu bekommen. Die zentrale Frage ist also: Wie kann man mit einem nassen Moor immer noch Geld verdienen? Als das Bundeskabinett im vergangenen November die „nationale Moorschutzstrategie“ beschlossen hat, kommentierte die frisch ernannte Agrarministerin Staudte dieses Instrument sehr wohlwollend, stellte aber auch klar, dass es einer entsprechenden finanziellen Unterstützung des Bundes bedürfe, wenn Niedersachsen hier neue Wege gehen soll. „Für emissionsmindernde Bewirtschaftungsmethoden wollen wir in Niedersachsen neue Wertschöpfungsketten schaffen und flächendeckend ausbauen. Nur wenn der Klimaschutz auf den Flächen der Landwirte wirtschaftlich attraktiv ist, werden wir die Treibhausgasemissionen gemeinsam deutlich senken“, ließ sich die Ministerin Anfang November in einer Mitteilung ihres Hauses zitieren.

Bearbeitet wird die Fragestellung nach der Wirtschaftlichkeit wiedervernässter Moorböden derweil schon eine ganze Zeit. Im sogenannten „Swamps“-Projekt etwa hat das Grünlandzentrum dazu geforscht, wie die Treibhausgasemissionen von intensiv bewirtschaftetem Grünland durch ein angepasstes Wassermanagement verringert werden kann. Die Ergebnisse liegen seit Januar 2022 vor – und sorgen beim niedersächsischen Landvolk für wenig Beruhigung. Karsten Padeken, Vorsitzender des Grünland-Ausschusses des Landesbauernverbands, erklärte kürzlich, dass zu sogenannten Paludikulturen, also dem Anbau von Torfmoosen, Schilf, Kräutern und Gehölzen im Moor, werde seit 20 Jahren geforscht. „Bislang hat aber noch niemand eine belastbare betriebswirtschaftliche Kalkulation vorlegen können, die Landwirte etwa für Verhandlungen mit der Bank verwenden könnten.“

Das Grünlandzentrum hat die Bewirtschaftung nasser Moorböden untersucht. | Foto: SWAMPS-Projekt

Aus der Studie des Grünlandzentrums zitiert er, dass von einem Finanzierungsbedarf von durchschnittlich 14.000 Euro je Hektar ausgegangen werde. Sollen Torfmoos-Kulturen auf Hochmoor eingerichtet werden, die dann etwa als Torfersatz genutzt werden können, gehe die Studie sogar von 50.000 Euro je Hektar aus. Weil für viele dieser Ersatz-Produkte aber noch der Markt fehle, müsste der Staat finanziell einspringen. Oder, und zu diesem Ergebnis kommt das Grünlandzentrum ebenfalls, die Bewirtschaftung müsste in Form von schwach torfzehrenden aber herkömmlicher Weise fortgeführt werden. Ein entsprechendes Forschungsprojekt zur schonenden Bewirtschaftung von Moorböden führt derzeit die Landwirtschaftskammer durch. Bis Ende 2025 sollen Betriebe in der Geestniederung (Kreis Cuxhaven), im Gnarrenburger Moor (Kreis Rotenburg) und im Ipweger Moor (Kreis Wesermarsch) bei der Umstellung begleitet und dabei auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen beobachtet werden.



Zu erwarten ist allerdings, dass sich die Nutzungskonflikte wohl nicht in Luft auflösen werden. Nicht jeder Moorboden kann nach der Wiedervernässung noch landwirtschaftlich genutzt werden, soll er teilweise auch nicht. Wie kommt das Land also an diese Flächen, die ihm ja nicht gehören? Eine Option wäre es, den Landwirten die Flächen abzukaufen. Nicht jeder Landwirt möchte das, für andere stellt das in der angespannten Marktlage vielleicht eine passable Exit-Strategie dar. Eine weitere Option wäre die Enteignung, was allerdings politisch und gesellschaftlich vermutlich nicht gewollt ist. Eine sanftere Alternative bietet hingegen die sogenannte Flurbereinigung. Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein eingeübtes Instrument der Ämter für regionale Landesentwicklung, mit dem er den Besitzern bestimmter Landflächen in einem etwas komplizierteren Verfahren gleichwertige Ausweichflächen anbieten kann, um ausreichend große zusammenhängende Flächen für die Wiedervernässung zu erschließen. Es findet also ein Flächentausch statt, wodurch das Land in den Besitz der zur Wiedervernässung auserkorenen Landstriche kommen könnte. Allerdings sind diese Verfahren recht langwierig, es dauert mitunter zehn Jahre, bis ein einzelner Prozess abgeschlossen ist. Moorschutz ist eine Generationenaufgabe.

Dieser Artikel erschien am 11.1.2023 in Ausgabe #003.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail