10. Nov. 2022 · 
Kultur

Wie die Sir-Greene-Stiftung versucht, sich vom Schatten des Presseclubs zu lösen

Der Vorstand der Sir-Greene-Stiftung (von links): Henning Schulz, Annica Bergfeld, Michaela Menschel, Heike Schmidt und Derk Oldenbug. Nicht im Bild: Jürgen Köster. | Foto: Sir-Greene-Stiftung

Vor etwas mehr als 20 Jahren hatten ein paar Briten eine allgemein anerkannt recht gut Idee. Nachdem der Presseclub Hannover die British Broadcasting Corporation (BBC) mit dem Leibniz-Ring ausgezeichnet hatte, entschlossen sich die Medienmacher von der Insel, das Preisgeld für einen guten Zweck einzusetzen. Der Betrag von immerhin 30.000 D-Mark wurde genutzt, um eine Stiftung zu gründen, die seitdem junge Journalisten fördern und Medienschaffende aus der ganzen Welt miteinander vernetzen will. Als Namenspatron wählte man damals keinen geringeren als Sir Hugh Carleton Greene – eben jenen britischen Journalisten, der schon in den 1930er Jahren in Deutschland gewirkt hatte, dann von den Nationalsozialisten ausgewiesen wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt war, um schließlich in Hamburg den „Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR)“ aufzubauen. Ein Erbe also, das jene verpflichtet, die sich nun mit seinem Namen schmücken. Seit 2002 hat die Stiftung Jahr für Jahr drei verschiedene Stipendien an aufstrebende Nachwuchsjournalisten vergeben: das internationale Medien-Stipendium, das Leibniz-Stipendium und der Sonderpreis der Sir-Greene-Stiftung. Zu den Auserwählten gehörten beispielsweise die heutige Chefredakteurin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, Dany Schrader, der Tagesthemen-Sprecher Helge Fuhst, die NDR-Redakteurin Hilke Janssen oder die heutige Spiegel-Hauptstadtkorrespondentin Marina Kormbaki.

Exodus nach scharfer Kritik an Belit Onay

In der Sir-Greene-Stiftung schaut man heute mit Stolz zurück auf diese Bilanz. Und auch ein bisschen mit Wehmut. Denn der Glanz der Stiftung ist ermattet, unschöne Ereignisse in den zurückliegenden Jahren haben für negative Schlagzeilen gesorgt. Die Vorkommnisse, die der Stiftung Ärger bereiten, haben dabei gar nicht direkt mit der Stiftung selbst zu tun, wohl aber mit ihrem Ursprung und ihrem Anhang – mit ihrer „buckligen Verwandtschaft“, wie manche sagen. Denn der ganze Name der Stiftung lautet ausgeschrieben eigentlich: „Sir-Hugh-Carleton-Greene-Stiftung des Presse Club Hannover“. Und jener Presseclub, der die Stiftung einst zusammen mit der BBC aus der Taufe gehoben hatte, färbt jetzt negativ ab. Vor zwei Jahren sorgte der Vorsitzende des Vereins, Jürgen Köster, für einige Irritation, weil er in einem Mitgliederschreiben scharfe Kritik an Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) inhaltlich mit dem Bild der Jagd verbunden hatte. In einem Newsletter an Mitglieder und Gäste des Presseclubs ging Köster damals erst auf die Jagdzeit im hannöverschen Tiergarten ein, um seinen Text dann mit den Worten „Vorbei mit der Schonzeit für Oberbürgermeister Onay“ fortzusetzen. Aus Protest trat damals zunächst beinahe der gesamte Vorstand der Stiftung zurück, darunter der Vorsitzende Hans-Peter Trojek, ARD-Journalist Helge Fuhst und Martin Brüning, der damals noch beim Politikjournal Rundblick gearbeitet hatte. Auch das Kuratorium verlor daraufhin zahlreiche namhafte Mitglieder.

Die Stiftung ist sehr kapitalintensiv. Wir haben viel Geld, um junge Journalisten zu fördern.

Michaela Menschel, Sir-Greene-Stiftung

Im vergangenen Jahr stellte sich die Stiftung dann neu auf. Seitdem versucht Michaela Menschel, frühere RTL-Journalistin und heutige Chefin einer PR-Agentur, das Gute der Sir-Greene-Stiftung zu bewahren – und die alten Laster abzuschütteln. „Die Stiftung ist sehr kapitalintensiv. Wir haben viel Geld, um junge Journalisten zu fördern“, sagt sie im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Dabei betont sie: „Die Stiftung steht allein, es gibt keine Verbindung zum Presseclub.“ Doch das stimmt nur bedingt, zunächst wäre da noch die Sache mit dem Namen. Den würde Michaela Menschel gerne ändern, den lästigen Appendix „des Presse Club Hannover“ möchte sie am liebsten abstoßen. Eine rein kosmetische Operation wäre das allerdings, denn derzeit gehört der Vorsitzende des Presseclubs, Jürgen Köster, noch immer qua Amt auch dem Vorstand der Stiftung an, ebenso sein Schatzmeister. Es ist also schon mehr als nur der Name, der Stiftung und Presseclub noch schicksalhaft miteinander verbindet. Ob sich das bald ändern wird? Vielleicht legt sich der Groll, den noch viele hegen, falls Köster sich alsbald zurückziehen sollte. Doch wer kommt dann? Michaela Menschel betont, dass sie sich voll und ganz auf die Stiftung konzentrieren möchte. Für die Leitung des Presseclubs hätte sie zumindest keine Zeit mehr.

Ihr Anliegen ist es nun, die Sir-Greene-Stiftung wieder zu dem zu machen, was ihre ursprüngliche Bestimmung war: Spitzenförderung für Nachwuchsjournalisten und das entscheidende Netzwerk für Journalisten aus Niedersachsen, Deutschland und darüber hinaus. Als neue Mitstreiter im Vorstand hat sie den früheren niederländischen Botschafter Derk Oldenburg, die neue Chefredakteurin der hannoverschen Stadt-Illustrierten Nobilis, Heike Schmidt, sowie Annika Bergfeld von der Concordia-Stiftung an ihrer Seite. Außerdem hat sie sich mit der Madsack-Mediengruppe zusammengeschlossen. Erstes Ergebnis dieser Vernetzung soll nun eine gemeinsam ausgerichtete Jubiläumsfeier für die Stiftung sein. Im November möchte Menschel bei einem Event in Hannover auf die vergangenen 20 Jahre zurückblicken, über die aktuellen Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutieren und die diesjährigen Stipendiaten auszeichnen. Bis zum 15. Oktober haben sich Nachwuchs-Journalisten bewerben können. Doch es sind wohl nicht so viele Exposés eingegangen, wie sich Menschel das nach eigener Aussage gewünscht hätte. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sie die Anforderungen hochgeschraubt hat. Die Interessenten sollen jetzt schon vorab mehr liefern als nur einen Rechercheplan. Menschel würde gerne frühzeitig einen Beitrag sehen – und im Anschluss auch einen Tätigkeitsbericht sowie das veröffentlichte Endprodukt, das man dann auf der Website der Stiftung veröffentlichen kann. Dass in der Vergangenheit Stipendiaten tausende Euro Förderung erhalten haben und am Ende dann nur ein einziger Artikel dabei herauskam, ärgert die Öffentlichkeitsarbeiterin. Sie würde es begrüßen, wenn die Stiftung auch zwischendurch mit Material versorgt wird, das sie dann wiederum zu eigenen Werbezwecken nutzen könnte.

Es ruckelt also alles noch ein wenig bei der Sir-Greene-Stiftung. Ob sie ohne eine klare Absage an den als verstaubt geltenden und kaum durch Journalisten geprägten Presseclub wieder Oberwasser gewinnen kann? Das wird wohl ganz entscheidend davon abhängen, wie sich die alten Granden im kommenden Jahr verhalten. Potenzielle Nachfolger für ein neues Journalisten-Netzwerk in Niedersachsen bereiten sich derweil schon vor.

Dieser Artikel erschien am 11.11.2022 in Ausgabe #200.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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