29. Mai 2024 · 
Justiz

Staatskanzlei sieht keinen Grund für Freistellung von Mielke

Zwar richten sich die Ermittlungen wegen Untreueverdachts „gegen Unbekannt“, wie die Staatsanwaltschaft Hannover betont. Aber es dürfte als wahrscheinlich gelten, dass die Anklagebehörde den Verdacht noch zuspitzen wird – gegen den Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Jörg Mielke. Dieser hatte nämlich unlängst als Zeuge im „Parlamentarischen Untersuchungsausschuss“ (PUA) ausgesagt, dass er persönlich die Verantwortung für die Einstellung und Höherstufung der Büroleiterin des Ministerpräsidenten trägt. Zwar meinte Mielke, mit den Details der Einstufung bei Vertragsbeginn für die Mitarbeiterin nicht befasst gewesen zu sein – aber politisch stehe er dafür gerade.

Jörg Mielke ist Chef der Staatskanzlei und für die Medienpolitik der Landesregierung in Niedersachsen zuständig. | Foto: Wallbaum

Also auch juristisch? Genau diese Büroleiter-Affäre ist es, also die Umstände und Entscheidungen zur Einstufung und Bezahlung der Büroleiterin, die von der Justizbehörde jetzt überprüft werden. Gestern sagte die Sprecherin der Staatskanzlei, Kathrin Riggert, in der Landespressekonferenz: „Bei uns wird kein Anlass gesehen, Mielke von seinen Aufgaben zu entbinden. Wir gehen weiter davon aus, dass alle Schritte rechtskonform gewesen sind.“ Die Berichte über ein Rechtsgutachten des von der CDU beauftragten Anwalts Ralph Heiermann hatten die Staatsanwaltschaft allerdings veranlasst, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Denn damit sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit nun dokumentiert.

In der Landespressekonferenz erklärte Staatskanzlei-Sprecherin Riggert am Mittwoch außerdem, bisher sei noch gegen keinen einzigen Mitarbeiter der Behörde in dieser Sache ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Dies hätten auch Beschäftigte des betroffenen Personalreferats der Staatskanzlei gegen sich selbst beantragen können, um die öffentlich geäußerten Vorwürfe des Rechtsverstoßes aufzuklären. „Das ist bisher nicht geschehen“, betonte Riggert. Heiermann führte in seinem Gutachten mehrere Dienstvergehen auf, die nach seiner Einschätzung in der Staatskanzlei bei der Eingruppierung und Höherstufung der Büroleiterin geschehen sind. In diesem Zusammenhang verwies er auf Paragraph 18 des Niedersächsischen Disziplinargesetzes. Dieses schreibt vor, dass bei „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen“, ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden muss.

Im Gutachten von Heiermann sind nun mehrere dieser Anhaltspunkte gegeben – doch in der Staatskanzlei wurde trotzdem noch kein Disziplinarverfahren gestartet. Laut Darstellung von Heiermann ist auch dies wieder ein Rechtsverstoß in der Staatskanzlei. Im Fall des Chefs der Staatskanzlei müsste hier vermutlich der Ministerpräsident selbst aktiv werden, wenn Mielke von sich aus kein solches Verfahren gegen sich anschieben will. Von den disziplinarrechtlichen sind die strafrechtlichen Folgen zu unterscheiden. Für den Beleg der Untreue müsste nachgewiesen werden, dass der Handelnde vorsätzlich agiert hat – und einen Verstoß gegen die Vorschriften billigend in Kauf nimmt.

Da aus umfangreichem Mailverkehr zwischen Mielke und den Mitarbeitern der Staatskanzlei hervorgeht, dass er wiederholt auf rechtliche Bedenken hingewiesen wurde und diese Bedenken zurückgewiesen hat, kann der Chef der Staatskanzlei wohl kaum ernsthaft behaupten, das Risiko seines Tuns nicht erkannt zu haben. Dies wird durch den Protest des Finanzministeriums gegen Absichten der Staatskanzlei, die Büroleiterin hochzustufen, zusätzlich unterstrichen.

Der PUA vernimmt am Donnerstag Finanzminister Gerald Heere zur Büroleiter-Affäre. Nächste Woche sollen mehrere Mitarbeiter der Staatskanzlei aussagen. Manche von ihnen könnten wegen der jetzt begonnenen Ermittlungen der Justiz von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Für den 13. Juni wird die Vernehmung von Ministerpräsident Stephan Weil anvisiert.

Dieser Artikel erschien am 30.5.2024 in Ausgabe #098.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail