28. Mai 2024 · 
Justiz

Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt in der Büroleiter-Affäre wegen Untreue

Die Büroleiter-Affäre von Ministerpräsident Stephan Weil hat jetzt juristische Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft Hannover teilte am Dienstag auf eine Anfrage des Politikjournals Rundblick mit, sie habe ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue eingeleitet. Auslöser dafür seien Presseberichte über den Fall gewesen, aber auch Artikel über das Gutachten des von der CDU beauftragten Rechtsanwalts Ralph Heiermann.

Stellen die neuesten Erkenntnisse zur Büroleiter-Affäre von Stephan Weil vor (von links): Sebastian Lechner, Ralph Heiermann und Carina Hermann. | Foto: Wallbaum

Dieser war am 17. Mai zu dem Schluss gekommen, dass die Staatskanzlei bei der Einstellung und bei der Gewährung eines außertariflichen Vertrages für die Büroleiterin seit Februar 2023 in vier Fällen rechtswidrig gehandelt habe. Mit der Höherstufung von E15 auf B2 erhielt die Angestellte monatlich 1886 Euro mehr als bisher, das sind seit Beginn dieser Aufstockung im August bis heute mindestens 18.800 Euro gewesen. Untreue ist erwiesen, wenn das fremde Vermögen – hier des Landes – missbräuchlich verwendet wird, etwa für eine Bezahlung, die nicht durch die Rechtsvorschriften gedeckt ist.

Staatsanwälte in Hannover ermitteln offiziell "gegen Unbekannt"

Formal richten sich die Untersuchungen der Justiz „gegen Unbekannt“, wie Kathrin Söfker von der Staatsanwaltschaft Hannover erklärt. Nach der jüngsten Vernehmung von Staatskanzlei-Chef Jörg Mielke im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) scheint aber klar, dass dieser stets im Zentrum der Entscheidungen zu dieser Personalie gestanden hat. Mielke hatte eingeräumt, mehrere maßgebliche Entscheidungen zur Höherstufung der Büroleiterin selbst gegen Vorbehalte aus dem eigenen Haus und aus dem Finanzministerium durchgesetzt zu haben.

Was die Eingruppierung zu Beginn der Tätigkeit der Büroleiterin angeht und die Zuordnung einer „Erfahrungsstufe“, hatte Mielke erklärt, damit nicht befasst gewesen zu sein. Da Heiermann auch hier Rechtsverstöße gesehen hat, könnten sich die Ermittlungen in diesem Fall auch auf weitere Mitarbeiter des Personalreferats der Staatskanzlei richten.

Jörg Mielke, Chef der Staatskanzlei, dürfte bei den staatsanwaltlichen Ermittlungen besonders im Fokus stehen. | Foto: Wallbaum

Vermutlich wird der Fall der Zuordnung einer „Erfahrungsstufe“, die auch noch mal ein sattes Gehaltsplus von mehreren hundert Euro monatlich ausmacht, bei den Ermittlungen eine größere Rolle spielen, denn hier scheint der Verstoß gegen die rechtlichen Vorgaben des Tarifvertrags der Länder (TVL) am deutlichsten erkennbar zu sein. Die Staatskanzlei hatte am 22. Mai auf das Heiermann-Gutachten mit einer Expertise des hannoverschen Arbeitsrechtlers Niclas Schulz-Koffka reagiert. Dieser entgegnete, mehrere von Heiermanns Vorwürfen träfen nicht zu. Zur Frage der „Erfahrungsstufe“ indes äußerte sich Schulz-Koffka nicht.

Die jüngste Entscheidung der Staatsanwaltschaft belastet die Regierung von Ministerpräsident Stephan Weil, der sich gerade auf einer Dienstreise in China befindet. Zwar sind Ermittlungen keine Vorverurteilung, diese könnten auch ergebnislos wieder eingestellt werden, falls die Staatsanwälte keine belastbaren Hinweise finden. Allerdings sind die bisherigen umfangreichen Veröffentlichungen zu der Büroleiter-Affäre von der Anklagebehörde schon geprüft worden und nach dem Heiermann-Gutachten ist ein Anfangsverdacht bejaht worden. Dies ist geschehen in dem Bewusstsein, dass die Staatskanzlei auf die Vorwürfe bereits mit einer eigenen gutachtlichen Stellungnahme reagiert hat.

Parlamentarischem Untersuchungsausschuss droht Zwangspause

Das Agieren der Justiz lenkt nun die Aufmerksamkeit noch einmal zusätzlich auf die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Dieser setzt seine Arbeit am Donnerstag mit der Vernehmung von Finanzminister Gerald Heere fort. Es könnte nun aber passieren, dass der Ausschuss von der Vernehmung weiterer Zeugen aus der Staatskanzlei Abstand nehmen muss, da die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Vorrang genießen könnten. Zeugen aus der Staatskanzlei könnten sich bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Dann wäre der PUA wohl zu einer Unterbrechung seiner Arbeit gezwungen.

Dieser Artikel erschien am 29.5.2024 in Ausgabe #097.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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