Wer aus der Schweinehaltung aussteigt, soll unterstützt werden. Doch noch fehlt die Richtlinie. | Foto: Jovanmandic via Getty Images

Es soll das große Projekt der rot-grünen Landesregierung im Bereich der Landwirtschaft sein und lässt doch noch eine Weile auf sich warten: Zur Unterstützung der strauchelnden Schweinefleisch-Industrie möchte die Landesregierung jenen Betrieben, die ihre Tierbestände abbauen, finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Die dazugehörige Förderrichtlinie ist allerdings noch immer nicht veröffentlicht. „Aktuell befindet sich diese im formalen Ressortbeteiligungsverfahren. Eine Antragstellung wird nach Veröffentlichung der Richtlinie erfolgen können“, erklärte das zuständige Landesagrarministerium auf Rundblick-Anfrage. Antragsschluss ist allerdings bereits der 15. November – äußerst wenig Zeit, um sich darauf einzustellen. Marco Mohrmann, agrarpolitischer Sprecher der oppositionellen CDU-Landtagsfraktion, zeigt sich angesichts dieser vermeintlichen Verzögerung irritiert. „Das sogenannte Diversifizierungsprogramm für die Schweinehaltung beschäftigt uns seit über einem Jahr. Dass die Richtlinie noch immer nicht veröffentlich wurde, ist einigermaßen enttäuschend“, sagte er auf Rundblick-Nachfrage und prognostizierte, dass kein einziger der rund sieben Millionen Euro, die für das Kalenderjahr 2024 bereitgestellt wurden, abfließen werde. Insgesamt kritisiert die CDU an dem rot-grünen Programm, dass der Abbau der Tierbestände im Vordergrund stehe. Aufgrund der vorgesehenen eher geringen Förderhöhe befürchtet Mohrmann zudem Mitnahmeeffekte: Wer ohnehin vorhatte, einen Schweinestall zu schließen, könnte nun das Geld in Anspruch nehmen. Für alle anderen lohne es sich kaum. Der strukturpolitische Effekt drohe also zu verpuffen.

Beim „Zukunftsprogramm Diversifizierung“ handelt es sich nicht um eine reine Ausstiegsprämie, sondern um eine gezielte Förderung von weiteren wirtschaftlichen Standbeinen. Schließt ein Schweinehalter einen Stall und baut stattdessen beispielsweise Chicorée oder Pilze an oder errichtet einen Lernort auf dem Bauernhof, soll er dafür staatliche Gelder bekommen. Im vergangenen Jahr dachte sich das niedersächsische Agrarministerium unter Leitung von Miriam Staudte (Grüne) extra einen Trick aus, um die Umstiegs-Förderung zumindest in Teilen rasch auf den Weg bringen zu können. Durch die Umgestaltung bestehender Förderprogramme konnten ausstiegswillige Betriebe bereits 2023 gezielter unterstützt werden. Die eigentliche Förderrichtlinie musste allerdings warten – denn dafür war noch kein Geld im alten Haushalt eingestellt worden. Rund sieben Millionen Euro stehen nun seit Januar dafür bereit, bis 2027 ist diese Summe jedes Jahr vorgesehen. Im Agrarministerium zieht man sich auf die Position zurück, lediglich das Jahr 2024 als Startzeitpunkt für die Förderrichtlinie ausgegeben zu haben, ohne je einen konkreten Monat zu benennen. Nach Rundblick-Informationen könnten unterschiedliche Eigentümer-Verhältnisse im Bereich der Schweinehaltungen die konkrete Ausgestaltung der Förderrichtlinie verkompliziert haben.

Auch beim niedersächsischen Landesbauernverband, der die Ausstiegsförderung prinzipiell begrüßt hat, kritisiert man die nun drohende kurze Antragsfrist sowie die Voraussetzungen für eine Förderung. Insbesondere der Abbau kompletter Stallgebäude müsse hinterfragt werden, erklärte eine Landvolk-Sprecherin auf Rundblick-Anfrage und präzisierte: „Auch Landwirten, die ihre Zukunft weiter in der Tierhaltung sehen und die Umstellung auf eine höhere Haltungsstufe mit einer deutlichen Bestandsreduzierung verbinden, sollte ermöglicht werden, von der Förderung zu profitieren und andere leerstehende beziehungsweise nicht mehr benötigte Wirtschaftsgebäude zum Beispiel für den Aufbau einer eigenen Verarbeitung und Vermarktung umzubauen.“ Auf diese Weise erhofft man sich Synergieeffekte mit dem Bundesprogramm zum Umbau der Tierhaltung. Umfassender fällt die Kritik beim Agrar- und Ernährungsforum Nord-West (AEF) aus. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen für Schweinehalter sollten zusätzliche Ausstiegsimpulse aus AEF-Sicht nicht noch forciert werden, denn diese signalisierten den verbleibenden Schweinehaltern in Niedersachsen, dass sie grundsätzlich nicht mehr gewollt seien. Für die Regionen mit intensiver Tierhaltung sei das Programm ohnehin weniger geeignet, weil für die spezialisierten Betriebe ein Wechsel auf einen anderen Betriebszweig aufgrund von Pfadabhängigkeiten meist nicht so einfach möglich sei. „Eine Förderung der Diversifizierung mit alleinigem Fokus auf den kompletten Abbau der Schweinehaltung ist aus unserer Sicht kontraproduktiv und würde zahlreiche Negativeffekte für die gesamte Wertschöpfungskette im Nordwesten Niedersachsens mit sich bringen. Vielmehr sollten die noch verbleibenden Schweinehalter in ihren Transformationsbemühungen zu mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit unterstützt werden“, erklärte der AEF-Vorstandsvorsitzende Sven Guericke auf Rundblick-Anfrage.

Im Landesagrarministerium beurteilt man die bisher ergriffenen Maßnahmen derweil positiv. „Wir sehen, dass die Ausrichtung beziehungsweise Anpassung der vorhandenen Programme für Betriebe interessant ist“, erklärte Ministeriums-Sprecherin Stefanie Geisler gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Angepasst hatte man die sehr nachgefragten Richtlinien zum „Agrarinvestitions-Förderprogramm“ (AFP) und zum Förderschwerpunkt „regionale Verarbeitung und Vermarktung“ in der Gestalt, dass Sonderpunkte in den Auswahlkriterien beantragt werden können, wenn ein Schweinehalter den Teil-Ausstieg plant, wodurch eine Förderung wahrscheinlicher wird. „Während im ersten Jahr der Anpassung ein Betrieb von der Beantragung der Sonderpunkte Gebrauch gemacht hat, haben aktuell zwölf Betriebe Sonderpunkte für den Abbau der Tierhaltung beantragt“, teilt das Agrarministerium mit. Da das Bewilligungsverfahren noch läuft, könne derzeit noch keine Aussage darüber getroffen werden, wie viele Betriebe tatsächlich eine entsprechende Förderung erhalten werden.