15. Aug. 2023 · 
Bildung

Philologenverband kritisiert GEW-Modell zur Lehrerausbildung und kontert

Der Vorsitzende des niedersächsischen Philologenverbands, Christoph Rabbow, bezeichnet den Vorschlag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für eine Reform der Lehrerausbildung als „absoluten Unfug“. Im Bildungsföderalismus sei eine solche Umstrukturierung schlicht „nicht machbar“, erklärte Rabbow am Dienstag vor Journalisten.

Christoph Rabbow, Vorsitzender des Philologenverbands Niedersachsen, erörtert mit seiner Amtskollegin aus Nordrhein-Westfalen, Sabine Mistler, was die beiden Länder in der Kultuspolitik voneinander lernen können. | Foto: Kleinwächter

Die GEW hatte am Montag ein Modell zur Reform der Ausbildung und des Berufseinstiegs für Lehrer vorgestellt. Im Kern geht es dabei darum, dass die zweigeteilte Phase von anderthalb Jahren Referendariat und Vorbereitungsdienst plus drei Jahre Probezeit und Bewährungsphase zu einer insgesamt nur dreijährigen Einführungsphase verschmolzen werden sollen. In diesen drei Jahren sollen die jungen Lehrer bereits auf Planstellen eingesetzt, aber durch eine Art „Coaching“ betreut werden. Bereits die Kernkritik der GEW, dass die Lehrerausbildung zwar auf die staatliche Prüfung, nicht aber auf den schulischen Alltag vorbereite, teilt Rabbow derweil nicht. Schon jetzt gehe es um Prüfung und Ausbildung zusammen, erläuterte er. Was es aber brauche, sei eine bessere Verzahnung von Studium und Referendariat.

Vorschlag: Eingewöhnungsphase für Berufseinsteiger

Der Philologenverband stellt dem GEW-Vorschlag nun ein anderes Modell entgegen, das bereits in anderen Ländern angewendet wird. Demnach sollen Berufseinsteiger nicht direkt am ersten Tag vor eine Schulklasse gestellt werden, sondern zunächst für drei Monate eine erfahrene Lehrkraft in der Praxis begleiten. Dabei sollen den jungen Lehrern die Bedenken genommen werden und es soll beispielsweise aufgezeigt werden, mit welchen rechtssicheren und praxistauglichen Maßnahmen auf störende Schüler reagiert werden kann.

Nach dieser dreimonatigen Eingewöhnungsphase, die jeweils zum 1. Mai und zum 1. November beginnen würde, könnten die Junglehrer dann zum Beginn des Schulhalbjahres mit dem eigenverantwortlichen Unterricht beginnen. Weil sie dann besser vorbereitet wären, könnten sie an diesem Punkt bereits mit mehr als sechs beziehungsweise acht Unterrichtsstunden beginnen, wodurch sich das Modell auch rechnerisch lohnen würde, meinte Rabbow.



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Bei der Vorbereitung der angehenden Lehrer sei es außerdem wichtig, ihnen beizubringen, wie man eine „schnelle Stunde“ plane, erläuterte der erfahrene Ausbilder. 23,5 Stunden Unterrichtsverpflichtung seien zu viel, wenn man für die Vorbereitung jeder dieser Einheiten drei Stunden Zeit benötige. Stattdessen müsse gelernt werden, wie man das Stundenziel, die Lernschritte und die Lernstandsanalyse innerhalb von 40 Minuten zu Papier bringen kann. „Sonst reduzieren zu viele Lehrer direkt auf 16 Stunden, und das geht nicht“, sagte der Verbandschef. In diesem Zusammenhang erneuerte der Philologenverband auch seine Forderung nach einer Abkehr vom Bachelor-Master-System und einer Rückkehr zum Staatsexamen in der Lehrerausbildung, wodurch eine bessere Abstimmung zwischen Studium und Praxis ermöglicht würde.

Pensionäre locken

Den Vorschlag von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Pensionäre zu umwerben und so wieder in den Schuldienst zu locken, findet man beim Philologenverband nicht per se schlecht. Allerdings räumt Rabbow ein „Bei den Anreizen ist der Ministerpräsident planlos.“ Ein Beispiel könne man sich unterdessen an Nordrhein-Westfalen nehmen. Dort habe man die Höchstzuverdienstgrenze ausgesetzt, damit pensionierte Lehrer auch tatsächlich etwas von ihrem zusätzlichen Arbeitseinsatz haben und das Geld nicht von der Steuerprogression aufgezehrt wird, berichtete Sabine Mistler, die Vorsitzende des Philologenverbands NRW.



Ferner führte sie aus, dass über die Möglichkeiten der Rückkehr in den Schuldienst für Pensionäre breiter informiert werden müsste. Diejenigen, die gerade aus dem Dienst ausgeschieden sind, wüssten häufig gut darüber Bescheid. Das Gros der älteren Jahrgänge, die schon seit einigen Jahren nicht mehr unterrichten, erführen allerdings noch zu wenig über das Angebot, meinte Mistler. Für Niedersachsen ergänzte Rabbow, dass die formalen Kriterien für den Wiedereinstieg gesenkt werden sollten. Es könne nicht sein, dass jemand, der Jahrzehnte lang Schüler unterrichtet hat, als pensionierter Lehrer plötzlich ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müsse, wenn er wieder vor einer Klasse stehen möchte.

Arbeitszeitkonten

Um den akuten Lehrermangel kurzfristig zu bekämpfen, schlägt der Philologenverband freiwillige Arbeitszeitkonten mit flexiblen, attraktiven Rückzahlungsoptionen vor. So sollte zunächst die Deckelung auf 15 Jahre aufgehoben werden. Außerdem sollten die angehäuften Stunden beispielsweise in Geld oder als Sabbatjahr abgegolten werden können. Auch mit Überstunden sollte flexibel und transparent umgegangen werden, damit fachfremder Unterricht oder Fächerstreichungen verhindert werden können.

Zu diesem Zweck sollten auch Stunden etwa aus dem Ganztag umgeschichtet werden können, um den Unterricht in den Kernfächern zu garantieren. Sogenannte Vorgriffstunden, also verpflichtende Mehrarbeit, die zu einem zeitnahen späteren Zeitpunkt wieder abgebaut werden kann, lehnt der Verband derweil ab.

Dieser Artikel erschien am 16.8.2023 in Ausgabe #137.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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