Wer wegweisende Beschlüsse oder den ganz großen Wurf erwartet hat, der wurde vom „Schul-Gipfel“ des Kultusministeriums am Montag enttäuscht. Wer mit solchen Erwartungen an die Veranstaltung herangegangen ist, hat allerdings offensichtlich auch das Format des Vorhabens nicht richtig eingeschätzt. Auch am Ende des zweiten Treffens vom „Dialogforum zur Lehrkräftegewinnung“ hat Kultusministerin Julia Hamburg nicht die eine Formel präsentiert, mit der sie den massiven Lehrermangel in Niedersachsen bekämpfen möchte – und das war wohl auch gar nicht ihr Ziel.

Es gebe nicht den einen Schalter, den man jetzt umlegen könne. Stattdessen gehe es um viele kleine Stellschrauben, an denen man drehen müsse, erklärte die Grünen-Politikerin im Gespräch mit Journalisten. Auf diese Weise sollen kleinteilig immer wieder ein paar Dutzend neue Lehrer gewonnen werden, die sich dann am Ende, so der Plan, in einem ausreichenden Maße aufsummieren und Druck aus dem Kessel des Bildungssystems nehmen. „Es wird viele Maßnahmen geben, die jeweils nur kleine Gruppen betreffen“, erläuterte Hamburg und sprach vom „Prozess der vielen Schritte“.
In welche Richtung diese Schritte führen sollen, darüber sei man sich aber im Wesentlichen einig. Geschaut werden solle nun danach, womit man sofort beginnen könne und wo es im Kleingedruckten noch Dissonanzen gebe, sagte die Ministerin. Nachdem im März beim Auftakttreffen der Expertenrunde bestehend aus Vertretern von Fachverbänden, Schulen, Ministerium, Wohlfahrtsverbänden und Kommunen offen über diverse Maßnahmen zum Umgang mit dem Lehrermangel gesprochen wurde, hat das Kultusministerium zur Vorbereitung auf das zweite Treffen die Ergebnisse aufgearbeitet und zu handhabbaren Arbeitspaketen geschnürt.

Die 107 Teilnehmer des zweiten Dialogforums haben nun am Montag in der IGS Langenhagen (Region Hannover) begonnen, über die strittigen Details zu sprechen, und werden in diesem Arbeitsmodus auch nach den Sommerferien fortfahren. Diskutiert wurde etwa darüber, wie genau nun das geeignete Personal für die multiprofessionellen Teams gefunden und eingestellt werden könnte. Es ging zudem darum, was Schulen jetzt schon tun können, wenn tatsächlich akuter Lehrermangel besteht, und wie sie noch besser über die bereits bestehenden Möglichkeiten informiert, und beim Umsetzen unterstützt werden können. Die Experten sprachen außerdem darüber, wie Einstellungsverfahren vereinfacht, ausländische Berufsabschlüsse anerkannt und das Gesundheitsmanagement verbessert werden können.
Das Expertenwissen der Praktiker sei wichtig dafür, dass die Maßnahmen, die dann letztlich umgesetzt werden, auch „praktisch und tragfähig“ werden, erklärte die Ministerin. Derzeit sei es häufig der Fall, dass den Schulbehörden oder dem Ministerium aus den Schulen Fälle geschildert werden, in denen die Einstellung potenzieller Lehrer nicht gelänge, weil man an behördliche Hürden stoße. Anhand dieser Einzelfälle schaue man im Ministerium laufend, wie Besetzungsverfahren per Erlass anders ausgestaltet werden können. Aktuell prüfe man beispielsweise die konkrete Konstellation, wonach jemand, der als Lehrbeauftragter an der Universität arbeitet und dort Kurse in Mathematik gibt, nicht als Mathematiklehrer anerkannt werde, weil ihm dazu die formalen Abschlüsse fehlten.
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Hamburg führte dazu aus, dass es bei der Einstellung von Lehrern stark auf die Abschlüsse und nicht die anderweitig erworbenen Kompetenzen ankomme. Allerdings müsse bei einer solchen Abwägung immer darauf geachtet werden, welche Kenntnisse den Ansprüchen genügten und wann eine Anerkennung dem Absenken von Standards entspräche. Gleiches gelte für die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse. Mit einer Neuerung in diesem Bereich rechnet die Kultusministerin noch in diesem Jahr, spätestens zu Beginn des kommenden Jahres. Auf ihrer Herbsttagung plant die Kultusministerkonferenz (KMK) eine Vereinbarung über ein einheitliches Vorgehen. Dies sei sinnvoll, damit bundesweit kein Flickenteppich bei der Anerkennung entstehe, sagte Hamburg. Sollte sich die KMK allerdings nicht verständigen können, erwägt sie notfalls auch einen niedersächsischen Alleingang.