16. Juli 2025 · 
MeldungWirtschaft

Mehr Windkraft in Niedersachsen – doch der Netzausbau hinkt hinterher

Niedersachsen treibt den Windkraftausbau voran. Doch Genehmigungen, Transporte und Netze bleiben Engpässe. Die Branche warnt vor einem Rückfall ins Schneckentempo.

Drei Menschen stehen neben einem Auto, das mit "Avacon" beschriftet ist, auf einer Landstraße. Im Hintergrund stehen Windenergieanlagen.
Der Windkraft-Ausbau in Niedersachsen kommt voran: Im ersten Halbjahr 2025 wurden 502 Megawatt dazugebaut. | Foto: Avacon

Der Windkraftausbau in Niedersachsen gewinnt weiter an Tempo: Allein im Netzgebiet des Helmstedter Energieversorgers Avacon, der große Teile des Ostens und Südens abdeckt, wurde in den ersten sechs Monaten 2025 so viel Windstrom-Leistung neu angeschlossen, dass damit rein rechnerisch eine ganze Stadt wie Celle oder Wolfenbüttel versorgt werden könnte. Landesweit gingen 91 neue Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 502 Megawatt ans Netz. 48 Altanlagen mit 71 Megawatt wurden zurückgebaut – unterm Strich steht ein Plus von gut drei Prozent.

Mit inzwischen 6202 Windrädern liegt Niedersachsen im bundesweiten Vergleich weiter an der Spitze. Fast jedes vierte neu installierte Windrad dreht sich zwischen Harz und Nordsee, rund die Hälfte der neuen Landesleistung speist ins Avacon-Netz ein. Doch bei aller Euphorie über die Zahlen mahnt die Branche zur Vorsicht. „Der Ausbau von Windenergie ist kein Selbstläufer – er muss durch eine vorausschauende Infrastrukturpolitik begleitet werden“, betont Silke Weyberg, Geschäftsführerin des Landesverbands Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen (LEE). „Damit Niedersachsen weiterhin Vorreiter bleibt, braucht es jetzt die konsequente Umsetzung bestehender Beschlüsse, den Abbau bürokratischer Hürden und ein klares Bekenntnis aller Beteiligten zum Ausbau der Erneuerbaren.“

Auch bundesweit zeigt die Entwicklung nach oben. Laut Bundesverband WindEnergie (BWE) wurden im ersten Halbjahr 409 neue Anlagen mit insgesamt 2200 Megawatt Leistung errichtet – so viel wie seit 2017 nicht mehr. Mit 1276 genehmigten Anlagen (7800 Megawatt) wurde zudem ein neuer Halbjahresrekord erreicht. Die durchschnittliche Genehmigungsdauer sank auf 18 Monate. Dennoch rechnet die Branche damit, dass die im EEG festgelegten Ausbauziele frühestens ab 2026 erreichbar sind.

Avacon-Vorstandschef Matthias Boxberger sieht sein Unternehmen gut aufgestellt, warnt aber vor Engpässen in der Netzinfrastruktur: „Der massive Ausbau erneuerbarer Energien, der Hochlauf der Elektromobilität, der zunehmende Einsatz von Wärmepumpen sowie neue Großverbraucher wie Rechenzentren stellen gleichzeitig aber auch große Herausforderungen an die Netzinfrastruktur und den dafür notwendigen Netzausbau dar – wir sind mit Hochdruck dran.” Um schneller anschließen zu können, setzt Avacon auf gemeinsame Einspeisepunkte für Wind- und Solarparks sowie auf digital gesteuerte Freileitungstrassen. Politische Rückendeckung kommt aus der Grünen-Landtagsfraktion. Energiepolitikerin Marie Kollenrott sieht Niedersachsen auf Kurs: „Ambitionierter Klimaschutz und wirtschaftliche Chancen gehen bei uns Hand in Hand.“ Die Zahlen seien ein Beleg dafür, dass konsequente Landespolitik Wirkung zeigt.

Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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