Kommunen stöhnen unter hohen Pensionsverpflichtungen
Sollen die Kommunen weiterhin verpflichtet werden, für die späteren Pensionen ihrer beamteten Mitarbeiter hohe Rückstellungen zu buchen? Über diese Frage ist zwischen den Verbänden der Städte auf der einen und Kreise auf der anderen Seite ein Konflikt entstanden. Städtetag und Städte- und Gemeindebund auf der einen Seite wollen eine Änderung der bisherigen Vorschriften, sie erhoffen sich davon eine Entspannung für ihre Finanzplanung. Der Landkreistag auf der anderen Seite will, dass sich an der Rechtslage nichts ändert – denn sonst wäre das Prinzip der für alle Kommunen seit zehn Jahren verbindliche Doppik, die doppelte Haushaltsführung, durchbrochen. Welche Seite sich durchsetzt, wird am Ende im Innenministerium entschieden, dort wird eine entsprechende Verordnung für die kommunale Haushaltsführung derzeit überarbeitet.
Während die niedersächsische Landesregierung noch nach der herkömmlichen, kameralistischen Methode ihren Haushalt plant, gilt für die Kommunen seit 2006 die sogenannte Doppik. In der Kameralistik stehen die Einnahmen (aus Steuern, Gebühren und Krediten) auf der einen Seite, die Ausgaben werden unabhängig davon auf der anderen Seite aufgelistet. Die spätestens seit 2012 für alle Kommunen verbindliche Doppik hingegen stellt Erträge und Aufwendungen gegenüber, darunter auch nicht zahlungswirksame Vorgänge. Die Kommunen müssen also wie Wirtschaftsunternehmen den jährlichen Werteverlust ihrer Vermögenswerte als Aufwand veranschlagen. Zu diesen Kosten gehören auch die Rückstellungen für Pensionen, also die Beträge, die fällig werden, wenn die beamteten Mitarbeiter der Kommunalverwaltung in den Ruhestand gehen. Es geht hier zunächst nur um die Bilanz, also die Darstellung der erwarteten Kosten. Zu wirklichen Rücklagen, also Sonderkonten, auf denen Beträge angesammelt werden, sind die Kommunen nicht verpflichtet. Trotzdem zwingt diese Form der Haushaltsplanung die Kreise, Städte und Gemeinden dazu, regelmäßig einen hohen finanziellen Aufwand für diese Rückstellungen zu planen. In der Landeshauptstadt Hannover etwa muss für Pensionsrückstellungen jährlich ein Betrag von mehr als 800 Millionen Euro vorgesehen werden – das ist dann Geld, das nicht für andere Zwecke verplant werden kann. Da die Rückstellungen aber meistens nicht fällig werden, bleibt wegen dieser Bilanzvorschriften am Ende eines Jahres viel Geld übrig. Nun sind die meisten Kommunen Mitglied in einer Versorgungskasse, die alle Pensionsleistungen bearbeitet. Daher seien Rückstellungen doch verzichtbar, meinen die Verbände der Städte. Die Ansprüche der Beamten auf Pension richteten sich aber nicht gegen die Versorgungskasse, sondern gegen die jeweilige Kommune, kontert der Landkreistag.
Seit Jahren nun wird unter Kommunalexperten heftig über den Sinn oder Unsinn dieser Rückstellungen debattiert. Während viele Kämmerer das geltende System verteidigen, sind viele Bürgermeister für die Reform. Sie meinen, die Bilanzen seien sowieso „unehrlich“, weil im Zweifel, wenn die Ausgaben für Pensionen tatsächlich gegengerechnet werden müssten, ohnehin die Vermögenswerte der Kommunen als Deckung herangezogen würden und nicht etwa Steuereinnahmen. Somit engten die bisherigen Vorschriften die Möglichkeiten für Ausgabenplanungen unangemessen stark ein. Auch mit Gerichtsurteilen wird argumentiert: So hatte der Bundesfinanzhof Zweifel an dieser Pflicht zu Rückstellungen angemeldet, das Oberverwaltungsgericht in Rheinland-Pfalz vertritt hingegen die andere Linie.
Wie drastisch diese Bilanzierungsvorgaben sich auswirken können, zeigt das Beispiel der Samtgemeinde Suderburg (Kreis Uelzen), die Ende 2014 einen neuen Bürgermeister bekam, der zuvor 35 Jahre lang in einer anderen Verwaltung tätig war. Für ihn musste die Samtgemeinde hohe Pensionsrückstellungen in ihrer Bilanz ausweisen – mit dem Ergebnis, dass sie ihre Verpflichtung zum Haushaltsausgleich nicht einhalten konnte und die Samtgemeindeumlage bei den Gemeinden erhöht werden musste. Das führte zu Diskussionen im Ort, die auch dem Bürgermeister angelastet wurden, obwohl er für die Umstände doch gar nicht verantwortlich war.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #4.