6. Mai 2025 · 
MeldungUmwelt

Landeskabinett macht den Weg frei für den Klima-Bürgerrat und legt Sektorziele fest

Umweltminister Christian Meyer (Grüne) stellt die Pläne für den neuen Klima-Bürgerrat vor. | Foto: Wallbaum

Niedersachsens Landesregierung will sich bei ihrer Klimapolitik künftig von einem unabhängigen Expertengremium beraten lassen. Der sogenannte Klimarat soll aus einem Kernteam von 15 Fachleuten bestehen, ein hundertköpfiger Bürgerrat soll die Vorschläge der Fachleute auf Alltagstauglichkeit hin überprüfen. Diesen Plan stellte Umweltminister Christian Meyer (Grüne) am Dienstag nach der Beschlussfassung des Landeskabinetts der Öffentlichkeit vor. Das Ziel der Landesregierung sei es, eine „kostengünstige, praxisgerechte und machbare“ Klimapolitik in Niedersachsen zu etablieren, sagte der Minister. Neun Experten sollen aus Fachverbänden und Interessengruppen entsandt werden. Berücksichtigen möchte man dabei Umwelt- und Wirtschaftsverbände, das Handwerk, Sozialverbände, die Kommunen, Gewerkschaften und die Landwirtschaft. Zudem sollen sechs Wissenschaftler das Gremium ergänzen. Dabei sollen Fachleute aus verschiedenen Disziplinen mitwirken, etwa aus der Klimawissenschaft, der Betriebswirtschaft, der Mobilitäts- und Verkehrsforschung, aus dem Gebäudesektor und aus den Sozialwissenschaften. Im zweiten Halbjahr soll das Kabinett die Mitglieder dieses Gremiums ernennen. Ein erster Bericht wird von Meyer gegen Ende 2026 erwartet.

Für den Bürgerrat soll ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung zufällig ausgewählt werden, erläuterte der Umweltminister. Das genaue Verfahren ist aber offenbar noch nicht geregelt. Meyer sprach davon, dass eine Agentur damit beauftragt werden könnte, die Auswahl der Bürger zusammenzustellen. Für die Arbeit dieser Agentur sowie für die wissenschaftliche Begleitung des Klimarats und für etwaige Aufwandsentschädigungen und Fahrtkosten hat der Landtag 250.000 Euro im laufenden Haushalt bereitgestellt. Künftig soll diese Summe jährlich für die vorerst auf insgesamt fünf Jahre angelegte Tätigkeit des Expertengremiums zur Verfügung stehen. Meyer stellte zudem in Aussicht, dass zusätzliche Studien bei Bedarf auch über die Ministerien in Auftrag gegeben werden könnten. Der jährliche Bericht des Klimarats soll die ergriffenen Maßnahmen der Landesregierung bewerten und eigene Vorschläge unterbreiten. Wie innerhalb des Gremiums Positionen entwickelt und abgestimmt werden, soll eine noch zu erarbeitende Geschäftsordnung regeln. Meyer erhofft sich eine große Akzeptanz der künftigen Klimaschutzmaßnahmen durch eine breite Debatte in dem Begleitgremium. Ein einstimmiges Votum würde er sich wünschen, sagte Meyer, aber auch abweichende Meinungen könnten dargestellt werden. Im Idealfall soll sich aus dem Bericht des Klimarats auch eine Priorisierung von Klimaschutzmaßnahmen ergeben.

In der neuen Klimaschutzstrategie der Landesregierung sind neben 120 Einzelmaßnahmen nun auch Sektorziele festgeschrieben worden. Im Durchschnitt soll der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen (THG) in Niedersachsen laut Klimagesetz bis 2030 um 75 Prozent verringert werden. Die Zielmarken für mehrere Sektoren liegen nun aber teils deutlich darunter. Für den Verkehrssektor sieht die Landesstrategie eine Verringerung um 67 Prozent vor. Diese Quote will Meyer vor allem durch mehr Elektromobilität und den vermehrten Umstieg auf den öffentlichen Personenverkehr erreichen. Im Gebäudesektor will das Land bis 2030 die THG-Emissionen um 69 Prozent verringern. Dazu sollen etwa Wärmepumpen beitragen. In der Industrie sollen 72 Prozent der THG-Emissionen bis 2030 entfallen. Ein Hauptaugenmerk legt die Landesregierung dabei auf die Produktion von grünem Stahl. Ein Hemmnis stelle dabei allerdings der verzögerte Ausbau des Wasserstoffkernnetzes dar. Im Energiesektor sollen 80 Prozent der Emissionen eingespart werden, vor allem durch das Abschalten von Kohle- und Gaskraftwerken. Die geringsten Einsparvorgaben gibt es für die Landwirtschaft: Lediglich 30 Prozent sollen da runter, indem bei der Düngung und der Tierhaltung nachgesteuert wird. Die Umnutzung von Moorböden gehöre dabei nicht dazu, erläuterte Meyer. Kurzfristig die größten Einsparpotenziale sieht die Landesregierung im Abfallsektor. 95 Prozent der THG-Emissionen in diesem Bereich sollen entfallen, indem der Methan-Austritt aus Mülldeponien verhindert wird. Sanktionen drohen allerdings keine, sollten die Sektorziele verfehlt werden. Da habe das Land nur begrenzte Kompetenzen, räumte der Umweltminister ein.

In einem gesonderten Kapitel in der Klimaschutzstrategie setzt sich die Landesregierung dafür ein, die Klima-Bilanz des Landes großzügig auszulegen. Meyer meint, es sei „nur fair“, bei der Bilanzierung zu berücksichtigen, wenn anderswo in Deutschland Kohle- oder Gaskraftwerke abgestellt werden können, weil der Strom aus den Sonne und Windkraft von Niedersachsen aus oder durch Niedersachsen hindurch transportiert wird – beispielsweise nach Bayern oder Nordrhein-Westfalen. Dass auf diese Art der Berechnung die Klimazahlen schöngerechnet werden, sieht der Umweltminister nicht so. Insgesamt gelte schließlich die Klimabilanz des Bundes. Sowohl für den Ländervergleich als auch für Argumentation nach Innen sei diese Darstellung aber wichtig – etwa für die Akzeptanz von zusätzlichen Windrädern in der eigenen Nachbarschaft, selbst wenn Niedersachsen mehr Strom aus Erneuerbaren Energien gewinnt als es selbst verbrauchen kann.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #084.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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