5. Mai 2025 · 
MeldungWirtschaft

Mit dem Boom kam das Misstrauen: Barbershops unter Generalverdacht

Halten sich viele Barbershops nicht an Recht und Gesetz? Die Landesregierung kann einen solchen Verdacht weder bestätigen noch entkräften. | Foto: GettyImages/Oleksandr Hrytsiv

Hygienemängel, Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Verstöße gegen die Meisterpflicht: Nachdem Kontrollaktionen in Barbershops immer wieder Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufdecken, wächst auch in Niedersachsen das Misstrauen gegenüber Barbershops. „Berichte aus verschiedenen Bundesländern legen nahe, dass einige Barbershops die gesetzlichen Vorgaben nicht einhalten“, argwöhnt die CDU-Landtagsfraktion. In einer gemeinsamen Anfrage haben sich die Abgeordneten Sophie Ramdor, Anna Bauseneick und Lena-Sophie Laue nach der Gesetzestreue der niedersächsischen Barbershops erkundigt. Dabei wurde deutlich: Die Landesregierung hat zwar keinen echten Überblick, dafür aber ein hohes Grundvertrauen in die Branche.

Während andere Wirtschaftszweige über hohe Berichtspflichten stöhnen, liegen dem Wirtschaftsministerium zu den Barbershops in Niedersachsen erstaunlich wenige Informationen vor. Was die Datenlage betrifft, sind diese Betriebe genau genommen eine Blackbox: Das Landesamt für Statistik kennt weder Barbershops noch Herrenfriseure als eigene Größe. Laut Ministerium werden Friseurbetriebe statistisch nicht nach Geschlecht oder Konzept differenziert. In der Gewerbeanzeigenstatistik tauchen Barbershops sogar unter „Herstellung von Möbeln“ und „körpernahe Dienstleistungen“ auf. Wie genau sich die 7231 Friseurbetriebe in Niedersachsen aufteilen, ist daher unklar. Immerhin stellt das Ministerium fest: „Barbershops, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben, sind Teil des Friseurhandwerks und haben die gleichen Rechte und Pflichten wie Friseurbetriebe.“

Tobias Roeder ist bei der Landesvertretung der Handwerkskammer für Rechtsfragen zuständig. | Foto: LHN/Lena Schöning

Tobias Roeder, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN), erläutert auf Rundblick-Anfrage: „Der Begriff ‚Barbershop‘ ist weder geschützt noch stellt er eine feste Beschreibung einer Friseurtätigkeit dar. Es handelt sich um eine modische Trenderscheinung, auf die der Markt reagiert.“ Entscheidend sei nicht die Bezeichnung, sondern welche konkreten Leistungen erbracht werden. „Grundsätzlich gilt: Tätigkeiten, die dem zulassungspflichtigen Friseurhandwerk zuzuordnen sind, dürfen nur mit entsprechender Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden. Die reine Bartpflege löst noch keine Meisterpflicht aus, während das Angebot von Haarschnitten in Barbershops die Eintragungspflicht nach der Handwerksordnung natürlich begründet.“ Zwar gebe es Sonderregelungen wie die Altgesellenregelung, doch auch in diesen Fällen sei der Betrieb bei der Kammer zu melden.

Pauschale Urteile über die Branche weist Roeder zurück: „Jedenfalls sollte und darf kein Generalverdacht gegenüber Betrieben geäußert werden, die sich Barbershop nennen.“ Entscheidend sei allein, ob die rechtlichen Vorgaben eingehalten würden. Die Handwerkskammern setzten sich dafür ein, „dass für alle Marktteilnehmer vergleichbare Rahmenbedingungen gelten und Regelklarheit geschaffen wird“. Wer wesentliche Friseurtätigkeiten ausübe, müsse dieselben Anforderungen erfüllen wie klassische Salons – und werde entsprechend kontrolliert. Zuständig seien dafür die kommunalen Behörden, die bei Bedarf auch ordnungsrechtlich einschreiten könnten. Nach Einschätzung der Kammern arbeitet die große Mehrheit der Barbershops gesetzestreu. Darüber hinaus erinnert Roeder an die Rolle des Friseurhandwerks für Ausbildung und Fachkräftesicherung: „Das Friseurhandwerk gehört zu den ausbildungsstärksten Berufen im Handwerk und wird durch Förderinstrumente wie die Meisterprämie oder Existenzgründungszuschüsse unterstützt.“ Auch Barbershops könnten hier einen Beitrag leisten – vorausgesetzt, sie erfüllten die rechtlichen Voraussetzungen. „Denn dem Grunde nach sind sie nichts anderes als ganz normale Friseurbetriebe.“

Das Misstrauen gegen Barbershops wird durch das Ergebnis einer Schwerpunktkontrolle in Nordrhein-Westfalen Ende September 2024 genährt: 1000 Einsatzkräfte von Zoll, Polizei und diversen Behörden durchsuchten mehrere Tage lang 414 Betriebe mit mehr als 880 Beschäftigten. „In über 90 Prozent der geprüften Betriebe wurden Mängel festgestellt“, so die Bilanz. Meist ging es um Arbeitsschutzverstöße – etwa fehlende Fluchtwegkennzeichnungen oder technische Mängel. Insgesamt wurden 301 Verdachtsfälle illegaler Beschäftigung festgestellt, darunter viele Mindestlohn- und Sozialversicherungsverstöße. Wer Haarschnitte anbietet, muss entweder selbst Friseurmeister sein oder zumindest einen solchen beschäftigen – in über zehn Prozent der kontrollierten Betriebe war offenbar beides nicht gegeben. In mehr als 50 weiteren Fällen bestand außerdem der Verdacht auf Scheinselbstständigkeit der Betriebsleitung.

In Niedersachsen gab es laut Landesregierung bisher noch keine Schwerpunktkontrollen für Barbershops. „Kontrollen von Barbershops werden in Niedersachsen durchgeführt, aber nicht dezidiert als Kontrollen von Barbershops erfasst“, erklärt das Wirtschaftsministerium. Auf die Frage nach möglichen Wettbewerbsschäden bleibt die Landesregierung vage: Illegale Praktiken seien grundsätzlich schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit. Tobias Roeder sieht hier noch Luft nach oben – nicht nur bei der Überwachung, sondern auch bei der Kooperation: „Eine engere Abstimmung zwischen den Ordnungsbehörden, den Gewerbeämtern und den Kammern könnte die Wirksamkeit bestehender Verfahren erhöhen.“

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #083.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Mit Forschung an die Spitze | Foto: sorbetto via Getty Images
Blauer Brief für die TU Braunschweig
23. Mai 2025 · Klaus Wallbaum1min
Marco Trips | Foto: Wallbaum
Streit um Ganztagsbetrieb: Kommunen sehen sich vom Land stark vernachlässigt
22. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min
Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link
Wann kommt die Fußfessel für Gewalttäter? Behrens vertröstet auf die zweite Jahreshälfte
22. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min