21. Apr. 2020 · 
Umwelt

Zwischenlager in Würgassen: Lies sieht "ziemlich vermurksten Start"

Der Ärger bei Anwohnern ist groß: In Würgassen bei Beverungen, direkt an der Landesgrenze zu Niedersachsen, soll ein neues Zwischenlager und Logistikzentrum für schwach- und mittelradioaktive Abfälle entstehen. Von dort aus sollen die Fässer in einem sogenannten "Just-in-time"-Verfahren, wie es in der Logistik üblich ist, ins geplante Endlager Schacht Konrad (Salzgitter) transportiert werden.

Auch in Niedersachsen regt sich Unmut über die Standortentscheidung. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies sprach am Montag im Umweltausschuss von einem "ziemlich vermurksten Start." Nach der Veröffentlichung der Entscheidung hätte es eine bessere Öffentlichkeitsarbeit geben müssen. "Es ist ärgerlich für die Menschen vor Ort, wenn sie zunächst nicht anständig informiert werden und dann sofort Stellenanzeigen für Wachpersonal für das neue Zwischenlager in der Zeitung sehen. Das ist unglücklich", sagte Lies.

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Das habe natürlich auch mit der Corona-Phase zu tun, schränkte der Umweltminister ein. Er könne aber verstehen, dass die Abläufe zu Ärger geführt hätten. "Es braucht jetzt ein Maximum an Transparenz und Information."

Auch Abgeordnete aus der Region äußerten ihr Unverständnis. "Wenn man Bürger gegen sich aufbringen will, dann geht man genau so vor. Dann liest man morgens in der Zeitung, dass ein neues Zwischenlager kommt", sagte die SPD-Abgeordnete Sabine Tippelt aus Holzminden. Sie forderte, dass das Land Niedersachsen bei weiteren Entscheidungen mit eingebunden wird. Schließlich solle das neue Lager direkt vor der eigenen Haustür liegen.


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Der Holzmindener Grünen-Abgeordnete Christian Meyer monierte, der Schutz der Anwohner spiele bei der Entscheidung offensichtlich keine Rolle, schließlich sei das geplante Lager nicht einmal 300 Meter von den Wohnhäusern entfernt. Aus dem Umweltministerium hieß es allerdings, das Strahlenschutzrecht sehe keinen Mindestabstand vor. Bisher habe es in Genehmigungsverfahren mit solchen Abständen auch keine Probleme gegeben.

Niedersachsen war in die Entscheidungsfindung nicht eingebunden

Es sei zumindest versucht worden, Objektivität in die Entscheidung zu bringen, erklärte Lies zum Ablauf des bisherigen Verfahren. Die Entsorgungskommission, in der vom Bundesumweltministerium berufene Experten ehrenamtlich mitarbeiten, habe fünf Ziele für das benötigte Logistikzentrum und Zwischenlanger definiert, nach denen sich die Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) bei der Suche gerichtet habe. Dazu zählte unter anderem eine Entfernung von bis zu 200 Kilometern zum Schacht Konrad, um unnötige Transportwege zu vermeiden. Zudem sollte der Standort mindestens 30 Hektar groß sein, einen Abstand von 300 Metern zur Wohnbebauung haben und nicht in einem Naturschutzgebiet liegen. 28 Standorte wurden identifiziert, in einem zweiten Schritt blieben neun Standorte übrig - darunter Braunschweig.

Niedersachsen war laut Lies in die Entscheidungsfindung nicht eingebunden. Das sei allerdings auch nicht Aufgabe des Bundes und der BGZ gewesen. Am Ende sprach für Würgassen, dass es dort einen unmittelbaren Gleisanschluss gibt. Den sehen die Abgeordneten der Region aber gerade als Problem, schließlich handelt es sich nur um eine eingleisige Strecke, die laut Meyer auch noch "eher marode" sei. Und über diese Strecke wolle der Bund nun zehn Atomtransporte pro Tag schicken, wunderte sich der Grünen-Abgeordnete. Sabine Tippelt kritisierte, der Kreis Holzminden sei bereits heute einer der am schlechtesten angebundenen Landkreise. "Mit der einspurigen Bahnstrecke gelingt es schon heute nicht, den Landkreis anzubinden. Die Strecke nun auch noch mit Atomtransporten zu belegen, geht überhaupt nicht", erklärte Tippelt. Zudem gehe es um ein Hochwassergebiet. Hier brauche das Land dringend Mitspracherechte.

Schünemann: Niedersachsen soll sich an Gutachten zum Auswahlverfahren beteiligen

Lies hat Verständnis für die Sorgen, die sich aus der Entscheidung ergeben, sieht aber auch die Notwendigkeit eines weiteren Zwischenlagers. In der Debatte über neue Standorte habe das Land darauf gepocht, dass diese außerhalb des bereits mit vielen Atomanlagen bestückten Niedersachsen sein soll. "Dass dann Würgassen 100 Meter hinter der Landesgrenze kommen würde, hätte ich auch nicht gedacht." Neue Lager seien aber unbedingt nötig.  So würden in Leese im Kreis Nienburg bereits Fässer über die nächsten Jahre konditioniert und endlagerfähig gemacht, die dort aber nicht bleiben könnten.


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Für den Umweltminister ist klar, dass es bei den Entscheidungen Transparenz und Nachvollziehbarkeit geben muss. "Mit Zustimmung vor Ort muss man aber auch dann nicht rechnen. Natürlich wird es in Würgassen  Proteste geben, die hätte es aber an den anderen 27 Standorten des Suchverfahrens auch gegeben", betonte Lies. Uwe Schünemann (CDU) forderte vom Land, sich an den Kosten für Gutachten, die den BGZ-Auswahlprozess in Würgassen kritisch beleuchten, zu beteiligen. Die Kreise Holzminden und Höxter (Nordrhein-Westfalen) dürften nicht allein gelassen werden.

Stefan Klein (SPD) aus Salzgitter treibt die Sorge um, wegen des Mangels an Endlagern für schwach- und mittelradioaktive Stoffe könne der Schacht Konrad als bereits genehmigtes Lager noch erweitert werden. Das sei höchst unwahrscheinlich, entgegnete Christof Lauenstein vom Umweltministerium - denn die Obergrenzen an eingelagerten Stoffen könnten nicht erhöht werden, da damit auch die radioaktive Strahlung die bisher genehmigte Marke übersteigen würde.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #075.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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