14. Juli 2025 · 
MeldungWirtschaft

Wirtschaft weiter im Warte-Modus: IHK Niedersachsen sieht keinen Befreiungsschlag

Das Konjunkturklima in Niedersachsen bleibt schlecht. Wirtschaftsverbände warnen vor Unsicherheit, Bürokratie und fehlenden Impulsen für Investitionen.

Die wirtschaftliche Lage in Niedersachsen bleibt angespannt. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN), an der knapp 2400 Unternehmen teilgenommen haben. Zwar steigt der Konjunkturklimaindikator im zweiten Quartal leicht auf 92 Punkte, doch liegt er damit weiterhin deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 102 Punkten. Nur 21 Prozent der befragten Betriebe bezeichnen ihre Lage als gut, 54 Prozent sind zumindest zufrieden – 24 Prozent bewerten die Geschäftslage dagegen als schlecht. Die Erwartungen bleiben verhalten: Lediglich 13 Prozent rechnen mit einer Verbesserung, 27 Prozent befürchten eine Verschlechterung. Die IHKN spricht von einer anhaltenden Flaute – und mahnt einen wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag an.

Quelle: IHKN

Ein kleiner Lichtblick zeigt sich in der Elektrotechnik: In diesem Bereich laufen die Geschäfte besser als in anderen Industriebranchen. Unternehmen versuchen verstärkt, ihre Widerstandskraft zu erhöhen und sich unabhängiger von externen Krisen zu machen. Auch in den energieintensiven Branchen hellt sich die Stimmung leicht auf, vor allem durch die Aussicht auf sinkende Energiepreise. Insgesamt bleibt die Industriekonjunktur jedoch schwach. Während Zulieferer und Grundstoffindustrien leichte Zuwächse melden, stagniert das Geschäft mit Ge- und Verbrauchsgütern. Die Auftragseingänge erholen sich nur geringfügig, der Auftragsbestand bleibt dünn. In der Bauwirtschaft sorgt das neue Sondervermögen für Infrastruktur zwar für Hoffnung, konkrete Aufträge kommen aber kaum an – Genehmigungen, Ausschreibungen und Widersprüche bremsen den Mittelabfluss. Der Finanzsektor zeigt sich stabil: Das Kreditgeschäft zieht an, auch Dienstleister und Zeitarbeitsfirmen melden solide Umsätze. Im Gastgewerbe hingegen verzeichnet fast jeder zweite Betrieb rückläufige Erlöse. Besonders angespannt ist die Lage im Großhandel. Die Exporterwartungen gelten als ausgesprochen schlecht – und schlagen gerade dort besonders stark durch.

Die IHKN warnt vor wachsender politischer Verunsicherung und fordert mehr wirtschaftspolitische Verlässlichkeit. Zwar habe der Bund mit dem Industriestrompreis erste Schritte unternommen, Handel und Dienstleistungen blieben jedoch außen vor. Aus Sicht der Kammer lähmen vor allem Bürokratie, hohe Arbeitskosten und mangelnde Anreize zur Arbeitsaufnahme die Entwicklung. Unternehmen klagen über steigenden Standortdruck und warnen vor Produktionsverlagerungen nach Ost- und Südeuropa. Neben nationalen Reformen setzt die Wirtschaft auf neue Absatzmärkte – etwa in Südamerika (Mercosur), Afrika und Asien mit Schwerpunkt Indien. Die hohe Resonanz auf die jüngste Afrika-Konferenz der IHKN in Hannover wertet die Kammer als klares Anzeichen für ein gestiegenes Interesse.

Druck auf den Handel wächst: Auch die norddeutschen Händler schlagen Alarm. „Die Lage im Groß- und Außenhandel ist nicht gut. Die Unternehmen kämpfen zugleich mit sinkender Nachfrage, neuen Handelshemmnissen und einem zunehmend unberechenbaren internationalen Umfeld“, sagt Hans Fabian Kruse, Präsident des Unternehmensverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (AGA). Laut einer aktuellen Umfrage des Verbands fällt der AGA-Indikator im zweiten Quartal auf 90,3 Punkte – deutlich unter die 100er-Marke, die für stabile wirtschaftliche Entwicklung steht. Besonders betroffen ist Niedersachsen: Dort ging der durchschnittliche Umsatz der befragten Groß-, Außenhandels- und Dienstleistungsunternehmen real um 4,1 Prozent zurück – so stark wie in keinem anderen norddeutschen Bundesland. Als größte Wachstumsbremse sehen die Händler allerdings nicht das Ausland, sondern die Politik: „Bürokratie und Überregulierung lasten schwer auf den Schultern der Unternehmen“, so Kruse.

Unsicherheit auf See nimmt zu: Während Häfen und Werften stabil bleiben, rutscht die Schifffahrt laut IHK-Nord-Umfrage tief ins Minus. Der Zusammenschluss von 13 norddeutschen Industrie- und Handelskammern verzeichnet in seiner Erhebung für das Frühjahr 2025 einen drastischen Rückgang des Geschäftsklimaindex in der Schifffahrt – um 32,5 Punkte auf nur noch 76,0. Als Hauptursachen gelten geopolitische Spannungen, hohe Arbeitskosten und ein akuter Fachkräftemangel. „Die Unwägbarkeiten in der amerikanischen Zollpolitik verunsichern sehr stark die Schifffahrtsmärkte, aber auch alle anderen Bereiche der maritimen Wirtschaft“, warnt der IHK-Nord-Vorsitzende Knud Hansen (IHK Kiel). Mit Blick auf die Hafenstandorte bekräftigt er die Forderung nach einer stärkeren finanziellen Beteiligung des Bundes – konkret nennt Hansen mindestens 15 Milliarden Euro für den Infrastrukturausbau sowie eine dauerhafte Mitfinanzierung der laufenden Hafenlasten der Länder.

Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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