(rb) Die rosigen Zeiten mit ordentlichen Wachstumsraten sind für Tierhalter und Schlachtbetriebe in Deutschland wohl vorbei. Das wird insbesondere Niedersachsen bzw. die Region WeserEms betreffen, in der sich die deutsche Schweine- und Geflügelhaltung konzentriert. Gründe dafür sind veränderte Weltmärkte, in erster Linie aber die seit geraumer Zeit intensiv geführte gesellschaftliche Debatte um negative Auswirkungen der Massentierhaltung auf Natur und Umwelt, auf die Gesundheit von Mensch und Tier. Während die Nachfrage nach Fleisch weltweit deutlich ansteigt, stagniert sie in Deutschland: Der ProKopfVerzehr ist seit 1991 von 64 Kilogramm auf etwa 60 im Jahr 2014 gesunken. Mit der aktuellen Dominanz grüner Agrarminister/innen in den Bundesländern hat sich die Debatte um Tierhaltung und Fleischkonsum intensiviert, bereits ordnungspolitische bzw. gesetzgeberische Initiativen nach sich gezogen und für ein Umdenken nicht nur bei Verbrauchern, sondern auch im Handel geführt.
Die Experten des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN) haben sich für ihr aktuelles Monatsheft (Februar 2016) die Mühe gemacht, auf der Grundlage diverser Datenquellen die Entwicklung der niedersächsischen Fleischerzeugung in den Jahren 1994 bis 2014 abzubilden und diese mit den bundesweiten Trends in diesem Zeitraum abzugleichen. Herausgekommen ist ein beeindruckendes Bild über eine Branche, die besonders in Niedersachsen in atemberaubendem Tempo und Ausmaß gewachsen ist, jetzt aber an vielen Orten an Grenzen stößt, da die mit dem Tierkot anfallenden Nährstoffe kaum noch regional als Dünger eingesetzt werden können, ohne die gesetzlich vorgegebenen Grenzen zu überschreiten, heißt es in dem Fazit der LSNDokumentation. Ob in diesem schwierigen Umfeld in den nächsten Jahren weiterhin deutliche Steigerungsraten bei Tierbeständen und Schlachtmengen realisiert werden können, bleibe abzuwarten.
Zwischen 1994 und 2014 ist die Fleischerzeugung in Deutschland um 44 Prozent gestiegen, während der Verzehr in der Bevölkerung leicht zurückging. In Niedersachsen hat sich die Fleischerzeugung in dieser Zeit mehr als verdoppelt (plus 105 Prozent). Daran hat die Geflü-gelschlachtung einen großen Anteil, die von 1994 bis 2014 um 624 000 Tonnen zugenommen hat. Aber auch die Schweineverwertung legte um 93,6 Prozent auf 1,78 Millionen Tonnen zu, die der Rinder sank dagegen um 9,1 Prozent auf knapp 175 000 Tonnen. Der Gesamtanteil Niedersachsens an der bundesweiten Fleischerzeugung lag 1994 mit 1,39 Millionen Tonnen bei 24,4 Prozent, zehn Jahre später bei knapp 35 Prozent (2,86 Millionen Tonnen).
Noch gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Fleischbranche in Deutschland bzw. Niedersachsen in naher Zukunft um ihre Existenz bangen müsste, obwohl die fetten Wachstumsjahre wohl vorbei sind. Die niedrigen Preise für Schweinefleisch führten im vergangenen Jahr zwar zu einem leichten Rückgang des Bestands. Im November 2015 wurden in Niedersachsen aber noch immer 8,7 Millionen Schweine gezählt, davon 6,1 Millionen allein in WeserEms. 2014 wurden hierzulande knapp 19 Millionen Schweine geschlachtet.
Die bisher leicht rückläufige Rindfleischproduktion – 2015 gab es in Niedersachsen etwa 2,7 Millionen Rinder, 1994 waren es noch drei Millionen – kann mit einem steigenden Inlandsverbrauch rechnen, u.a. durch die Zuwanderung von Flüchtlingen. Zudem wird erwartet, dass Deutschland 15 Jahre nach den ersten nachgewiesenen BSEFällen von der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) in diesem Jahr wieder einen Bewertungsstatus mit geringem Risiko erhält, was den Export erleichtern würde. Geflü-gelfleisch gilt weiterhin als Wachstumssegment, zumal diese Tierart weltweit gegessen wird. Selbst in Deutschland wird mit geringfügig steigenden Verzehrmengen gerechnet, da Geflügelfleisch im Vergleich zum „roten Fleisch“ von Rindern und Schweinen (noch) als gesünder gilt. Die Preise für Puten- und Hähnchenfleisch sind zwar weiter gesunken. Dies wird derzeit aber noch durch geringere Futterkosten ausgeglichen. 2014 dominierte Niedersachsen den deutschen Geflügelmarkt mit einer Schlachtmenge von gut 900 000 Tonnen. Das waren 60 Prozent der bundesdeutschen Produktion gegenüber 48 Prozent (277 000 Tonnen) zehn Jahre zuvor. briDieser Artikel erschien in Ausgabe #43.