Die Frage nach dem Wachstum des Öko-Landbaus in Niedersachsen hat vor einem halben Jahr eine Kontroverse ausgelöst, die nun erhebliche Auswirkungen auf die Informationspolitik der Landesregierung haben kann. Das „Kompetenzzentrum Ökolandbau“ (KÖN) teilte im Oktober 2023 mit, dass Landwirte hierzulande eine geringere Ökoflächen-Prämie – im Vergleich zu 2022 – beantragt hätten. Als diese Hinweise dann pauschal in einer Zeitung veröffentlicht wurden, widersprach das Agrarministerium vehement. Nun wollte die CDU-Landtagsabgeordnete Katharina Jensen von der Landesregierung Aufklärung über den Sachverhalt. In der Antwort auf ihre Anfrage trifft das Agrarministerium eine bemerkenswerte Aussage: Künftig, teilte es mit, solle „von frühzeitigen Veröffentlichungen abgesehen werden“. Als Begründung wird angegeben, dass es „erhebliche Unterschiede“ in der Auswertung der Zahlen gebe.
Die Geschäftsführerin des „Kompetenznetzwerks Ökolandbau Niedersachsen GmbH“ (I-KÖN), Carolin Grieshop, reagiert auf eine Anfrage des Politikjournals Rundblick: „Falls uns das Agrarministerium diese Daten künftig nicht mehr zur Verfügung stellen sollte, werden wir unsere Auswertung einstellen müssen.“ Die Folge könne sein, dass die Beratungsarbeit des Kompetenznetzwerks eingeschränkt werden muss. „Wir und andere Organisationen könnten dann nicht mehr erfahren, wie die Maßnahmen des Landes für den Ökolandbau von den Landwirten angenommen werden. Wir könnten dann keine Vorschläge mehr unterbreiten, ob und in welchem Umfang Änderungen der Förderungen angebracht wären.“ Der I-KÖN und die Muttergesellschaft KÖN erstellen bisher auf Basis der vom Agrarministerium übermittelten Daten regionale Analysen mit Blick auf die einzelnen Landkreise. Als wichtiges Stimmungsbild in der Agrarpolitik werden die Veröffentlichungen des KÖN angenommen. Möglich ist damit dann auf lokaler Ebene ein Gegensteuern.

Wie ist es nun zu dem Streit gekommen? Das KÖN hatte am 12. Oktober 2023 mitgeteilt, dass die niedersächsischen Landwirte weniger Öko-Prämien als im Vorjahr beantragt hätten. Das sei regional unterschiedlich geschehen, nur in sechs der 37 Landkreise habe es eine Steigerung gegeben. Die schwierige Marktlage habe die Landwirte veranlasst, den Öko-Anbau zu verringern. Das Fördersystem sei zu kompliziert geworden, vor allem die neuen Förderrichtlinien der europäischen Agrarpolitik. Als daraufhin die „Braunschweiger Zeitung“ im Herbst 2023 titelte: „Bio-Anbau in Niedersachsen geht zurück“, widersprach das Agrarministerium nachdrücklich. Es gebe für 2023 sogar eine Steigerung, keinen Rückgang. Das KÖN habe sich nur auf Antragsdaten für die EU-Förderung im Prozess der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) bezogen. Nach Ansicht des Agrarministeriums reicht das nicht aus, denn viele Betriebe würden auch ohne die Öko-Prämie nach ökologischen Kriterien wirtschaften und andere Fördermittel beziehen – beispielsweise für ein Blühstreifen-Programm. In diesem Zusammenhang spricht das Ministerium von „vorläufigen und unvollständigen Daten“, die vom I-KÖN ausgewertet worden seien.
Grieshop sieht es anders: „Seit 2016 stellt das Agrarministerium den gleichen Auszug aus den Agrar-Anträgen zur Verfügung. Seitdem wird dieser jedes Jahr nach der gleichen Methode statistisch ausgewertet. Dass auch der Auszug für 2023 dem der Vorjahre entspricht, haben wir uns vom Ministerium bestätigen lassen.“ Auch die Angaben, die das KÖN dann verbreitete, seien vorher von Mitarbeitern des Ministeriums freigegeben worden.
Tritt jetzt möglicherweise das Agrarministerium auf die Bremse, weil mit der Veröffentlichung durch das KÖN die Erfolgsgeschichte der Stärkung des Öko-Landbaus empfindlich gestört werden könnte? Das Ministerium gibt in seiner offiziellen Antwort auf die Anfrage der Abgeordneten Jensen eine andere Erklärung: Man wolle künftig die frühzeitige Veröffentlichung von Daten auch deshalb unterbinden, weil „dann auch abweichende Ergebnisse aufgrund etwaiger unterschiedlicher methodischer Ansätze ausgeschlossen werden, sodass für Niedersachsen zukünftig nur noch die offiziellen Zahlen zu Öko-Betrieben der BLE zugrunde gelegt werden“. BLE steht für die „Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung“.