In den siebziger Jahren tobte in der hannoverschen SPD ein erbitterter Machtkampf mit vielen Akteuren. Wie Recherchen des Politikjournals Rundblick jetzt zeigen, interessierte sich dafür sogar die Staatssicherheit der DDR. Wir schildern die Ereignisse in einer kleinen historischen Serie. Heute der dritte Teil: die beiden „Ministerkiller“ aus Hannover.
Wenn man Egon Kuhn heute fragt, klingt er fast abwiegelnd. „Da hat einer falsch gewählt“, berichtet er. Das soll so viel heißen wie: Ein Delegierter der Konferenz für den SPD-Landtagskandidaten im Wahlkreis 6, Linden-Ricklingen, soll in der Sitzung am 25. April 1970 aus Versehen nicht für Richard Lehners, den Innenminister, sondern für Bruno Orzykowski, den Gelegenheitskandidaten, gestimmt haben. Ein unbeabsichtigter Ausrutscher habe also den Skandal verursacht. Kuhn meint das wohl ironisch. Es war kein Versehen, sondern ein Plan – und der wiederum war Teil eines größeren Plans. Kuhn, damals Vorsitzender des linken SPD-Ortsvereins Linden, hat wohl entscheidend daran mitgewirkt. Die Mehrheit lautete 18 zu 15 für Orzykowski, und dieser Kandidat war damals, obwohl ehemaliger Kommunist und weit links stehend, wohl für die meisten noch ein unbeschriebenes Blatt. Als Betriebsratschef der VAW hatte er eine starke Truppe an VAW-Arbeitern und Lindener SPD-Mitgliedern hinter sich, das zählte. So wurde der Außenseiter zum Landtagskandidaten in einem der sichersten SPD-Wahlkreise – und wenig später dann zum Landtagsabgeordneten.Lesen Sie auch: Teil I: Der Fall Lehners und die dunklen Machtkämpfe in Hannovers SPDTeil II: Bruno O. – eine Schlüsselfigur, die ins Visier der DDR-Staatssicherheit geraten war
Orzykowski hatte niemand geringeren als Richard Lehners besiegt, den Innenminister. Das geschah in Linden-Ricklingen, einer SPD-Hochburg. Der Wechsel skizziert einen grundlegenden Wandel in der hannoverschen SPD zur damaligen Zeit. Jemand von den jungen Linken schiebt einen älteren Konservativen zur Seite. Im gleichen Jahr wurde der Politikprofessor Peter von Oertzen, der nach der Landtagswahl zum Kultusminister aufstieg, neuer Chef des SPD-Bezirks Hannover, er verdrängte den konservativen „Kanalarbeiter“, das Urgestein Egon Franke. Möglich wurde das, weil einige der Konservativen in der SPD gemeinsame Sache mit den Linken machten – aus Interesse an einer Erneuerung der Partei, denn der autoritäre Franke galt intern als „einer von vorgestern“, wie sich Wolfgang Jüttner erinnert.[caption id="attachment_33655" align="aligncenter" width="780"]

