26. Sept. 2021 · 
Parteien

Wie die SPD bei vielen Stichwahlen ihren Sieg auskostet

Der Jubel war kaum noch zu steigern: Der mit Abstand größte niedersächsische Landkreis, die Region Hannover, bleibt auch in den nächsten fünf Jahren unter sozialdemokratischer Führung. Neuer Regionspräsident und Nachfolger von Hauke Jagau wird der 42-jährige Sozialwissenschaftler Steffen Krach, bisher Wissenschafts-Staatssekretär im Berliner Senat. Krach, Sohn eines Oberstudienrates, ist in Hannover geboren und aufgewachsen, er war bei den Jusos in Berlin und Göttingen aktiv und trat im Wahlkampf erfrischend, unbeschwert und redegewandt auf.

Steffen Krach gilt in der SPD als Vertreter der kommenden Generation / Foto: Carolin Weinkopf

Spätestens als seine Grünen-Gegenkandidatin Frauke Patzke nach ihrem Ausscheiden beim ersten Wahlgang ihr Votum für Krach abgab, war auch klar, dass die Zweitplatzierte Christine Karasch (CDU), bisher Umweltdezernentin der Region, wenig Chancen haben würde. Krach gilt in der SPD als Vertreter der kommenden Generation, der auch für Aufgaben in der Landespolitik geeignet sein könnte – wenn er sich in seinem neuen Amt, das er am 1. November antritt, bewähren sollte. Er erreichte mit deutlich mehr als 60 Prozent ein Glanzergebnis.

Diesen Rang als Mitglied der „Zukunftsreserve“ hat auch der künftige Oberbürgermeister von Braunschweig, der SPD-Politiker Thorsten Kornblum (39), der jahrelang als rechte Hand von Innenminister Boris Pistorius gearbeitet hat und erst vor knapp zwei Jahren in die Braunschweiger Stadtverwaltung als Dezernent wechselte. Der gebürtige Emsländer setzte sich in der Stichwahl überzeugend mit fast einer Zweidrittelmehrheit gegen den von der CDU gestützten Kaspar Haller durch.

Für Thorsten Kornblum ist eine Zukunft in der Landespolitik nicht ausgeschlossen / Foto: Stadt Braunschweig

Auch die Grünen hatten sich für Kornblum ausgesprochen, was Haller, der einen sehr kämpferischen Wahlkampf führte, zu drastischen Vorwürfen gegen die Grünen veranlasst hatte. Für Kornblum gilt wie für Krach, dass für sie eine Zukunft in der Landespolitik als SPD-Politiker nicht ausgeschlossen ist.

Sozialdemokraten in Führung:

Auch in einigen anderen Bereichen siegten an diesem Sonntag die sozialdemokratischen Bewerber in den Stichwahlen – so in der Stadt Oldenburg, wo sich der amtierende Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (57) gegen den Grünen-Bewerber Daniel Fuhrhop (54) durchsetzte. Krogmann gilt nun als heißer Kandidat für ein Präsidenten- oder Vizepräsidentenamt im Niedersächsischen Städtetag. In Göttingen gewann die SPD-Bewerberin Petra Broistedt für das Oberbürgermeisteramt, bisher Sozialdezernentin, gegen die Grünen-Kandidatin Doreen Fragel.

Nebenan, im Kreis Göttingen, gewann ebenfalls der sozialdemokratische Kandidat. Neuer Landrat und Nachfolger von Bernhard Reuter wird Marcel Riethig (SPD), der sich gegen seine CDU-Kontrahentin Marlies Dornieden klar durchsetzte. In Hildesheim steigt der SPD-Landtagsabgeordnete Bernd Lynack (51) zum neuen Landrat auf, er siegte über die von der CDU gestützte erste Kreisrätin Evelin Wißmann.

In Wolfenbüttel bleibt Christiana Steinbrügge (SPD) Landrätin, sie gewann klar gegen Uwe Schäfer von der CDU. Das gilt auch für den bisherigen Ersten Kreisrat Henning Heiß (SPD) in Peine, der neuer Landrat und Nachfolger von Franz Einhaus (SPD) wird. Die CDU-Gegenkandidatin Banafsheh Nourkhiz, im Iran geboren, in Deutschland aufgewachsen und derzeit Gleichstellungsbeauftragte im Kreis Peine, blieb ohne Chance.

Ein CDU-Landrat und ein CDU-OB gestürzt:

Zu den Siegen der SPD-Bewerber gehören auch noch drei spektakuläre Fälle, in denen christdemokratische Amtsinhaber von ihren Posten abgelöst wurden. Das gilt zum einen für den Gifhorner Landrat Andreas Ebel (50), der nach sieben Jahren Amtszeit gegen seinen SPD-Herausforderer, den bisherigen Landtagsabgeordneten Tobias Heilmann (46), verloren hat – und zwar deutlich. Der promovierte Forstwirt Ebel und sein Nachfolger, der Industriekaufmann Heilmann, haben eine Gemeinsamkeit – beide sind in Celle geboren.

Bitter ist der Wahlausgang auch für den Goslarer Oberbürgermeister Oliver Junk (45), der seit zehn Jahren die Geschicke der Stadt lenkte und dabei durchaus öffentlichkeitswirksam aufzutreten verstand. In der CDU galt er als Sonderling, da er vorher in der CSU in Bayreuth gewirkt hatte. Die SPD hatte gegen Junk die Juristin Urte Schwerdtner aufgeboten, Vize-Direktorin des Amtsgerichts Goslar. Sie wird neue Oberbürgermeisterin. Der bisherige Landrat von Helmstedt, Gerhard Radeck (CDU), hat sein Amt hauchdünn gegen seinen SPD-Herausforderer Jan Fricke verteidigt. Radeck hatte 480 Stimmen mehr als Fricke bekommen.

CDU siegt in drei Großstädten:

Die CDU kann auf der Haben-Seite nun drei OB-Posten verbuchen – Katharina Pötter (42), bisher Sozialdezernentin, wird neue Oberbürgermeisterin in Osnabrück, sie setzte sich gegen Annette Niermann (Grüne) durch. Für Pötter gilt bei der CDU wie für Kornblum und Krach bei der SPD, dass sie zur politischen „Führungsreserve“ der Landespartei gehört. Nach dem Sieg zeigte sie sich zuversichtlich, auch mit einer klaren rot-grünen Ratsmehrheit gut zurechtkommen zu können. Sie stehe für das Schmieden von Kompromissen.

Eine Zukunftshoffnung der CDU: Dennis Weilmann, der neue Oberbürgermeister von Wolfsburg / Foto: Dennis Weilmann

Als einer der kommenden Leute der CDU auf Landesebene gilt auch der neue Oberbürgermeister von Wolfsburg, der bisherige Erste Stadtrat Dennis Weilmann (46). Der Jurist wird am 1. November die Nachfolge von Klaus Mohrs (SPD) antreten. Weilmann setzte sich gegen die von der SPD gestützte Iris Bothe durch. In Delmenhorst siegte die von CDU und Grünen geförderte Bewerberin Petra Gerlach, bisher Stadträtin in Cloppenburg, über die SPD-Kandidatin Funda Gür. Auch in dieser Stadt wird – wie in Wolfsburg – ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister von einem Christdemokraten abgelöst.

Grüne haben zwei Achtungserfolge:

In der Stadt Lüneburg, wo die Amtszeit von Ulrich Mädge (SPD) als OB endet, übernimmt künftig die Grünen-Politikerin Claudia Kalisch, bisher Samtgemeindebürgermeisterin von Amelinghausen. Sie gewann die OB-Stichwahl gegen den parteilosen, früher der SPD-Ratsfraktion angehörenden Unternehmer Holger Meyer (52). Neuer Landrat in der Wesermarsch wird Stephan Siefken (CDU), der in der Stichwahl gegen Frank Ahlhorn (SPD) obsiegte.

In Lüchow-Dannenberg gewann die parteilose Dagmar Schulz, die von den Grünen gestützt wurde, gegen den von der CDU geförderten Hanno Jahn. Damit gilt nun landesweit, dass die Grünen zwei Oberbürgermeister und zwei Landräte stellen: Belit Onay in Hannover und Claudia Kalisch in Lüneburg als OBs, Anne Kebschull in Osnabrück und Dagmar Schulz in Lüchow-Dannenberg als Landrätinnen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #169.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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