11. Aug. 2025 · 
MeldungEuropa

EU-Politikerin Düpont: „Uns muss klar sein, dass wir uns nicht mehr im Frieden befinden“

Wie ernst ist die Lage eigentlich? Die CDU-Politikerin Lena Düpont plädiert für eine offene Debatte, um die Gesellschaft widerstandsfähig zu machen.

Foto zeigt Lena Düpont im Podcast-Studio
Zu Gast im Rundblick-Podcast: Lena Düpont (CDU). | Foto: Lada

Die Europaabgeordnete Lena Düpont (CDU) fordert eine offene Kommunikation über die aktuelle Bedrohungslage. „Wir müssen uns bewusst sein, dass wir die Sicherheit, die wir in den letzten Jahren mehr oder weniger selbstverständlich genießen konnten, jetzt so nicht mehr haben. Uns muss klar sein, dass wir uns nicht mehr im Frieden befinden“, sagt die CDU-Politikerin aus Gifhorn im Rundblick-Podcast. Sie fordert eine gesellschaftliche Diskussion über mögliche Bedrohungsszenarien und die Frage, was diese für die Gesellschaft und jeden Einzelnen bedeuten können. „Das ist schon auch eine Aufgabe von Politik. Politik muss klar kommunizieren, in welcher Lage wir uns befinden“, sagt Düpont. Die klare Ansprache solle eine gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit erzeugen. Denn: Wer ein Risiko erkennt, sei eher bereit, Vorsorge zu betreiben. Dabei verweist sie auf die Mitgliedstaaten an der östlichen Außengrenze der EU: Trotz intensiver politischer Debatten über den richtigen Weg der Verteidigung sei dort das Gesamtziel klar, dass jeder eine Aufgabe habe, um Verteidigungsfähigkeit herzustellen. Was gesellschaftliche Resilienz angeht, habe Deutschland noch eine Menge aufzuholen. Eine fatalistische Haltung sei verbreitet, man starre wie das Kaninchen auf die Schlange und ergebe sich seinem Schicksal. Das führe dazu, dass mit Risiken nicht bewusst und letztlich nicht erwachsen umgegangen werde.

Sowohl an der Bundes- als auch an der Landespolitik beklagt Düpont eine fehlende Auseinandersetzung mit der umfassenden Verteidigungsfrage. So habe man beispielsweise versäumt, im Zuge der Reform der „Rahmenrichtlinie zivile Verteidigung“ in den gesellschaftlichen Dialog einzutreten. Außerhalb von Sicherheitskreisen habe kaum jemand etwas von dieser Reform mitbekommen. Dabei sei in dieser Rahmenrichtlinie festgeschrieben, was Unternehmen, Kommunen und Einzelakteure im Bündnisfall oder im Fall der Landesverteidigung zu tun haben werden. Die militärische Seite habe zwar bereits begonnen, intensiv über die anstehenden Veränderungen zu kommunizieren. Aus Sicht von Düpont hinkt der zivile Teil derweil noch hinterher. „Was die Bundeswehr mit dem ,Operationsplan Deutschland' tut, hat seinen Sinn. Aber das bedeutet auch, dass die zivile Seite mitziehen muss. Denn wenn die Bundeswehr losziehen muss, fallen auf der zivilen Seite relativ viele Dinge weg“, warnt sie. Anders sei die Lage in Teilen der Wirtschaft: „Ich sehe mit einer gewissen Beruhigung, dass viele Verbände und auch Einzelunternehmen sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen, was ihr Beitrag zu einer Gesamtverteidigung ist“, sagt Düpont. Dabei gehe es darum, die eigenen Lieferketten aufrecht zu erhalten, aber auch um die Frage, wer in der Belegschaft Reservist, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr oder in einer Hilfsorganisation sei – und welche Instanz im Ernstfall dann auf diese Personen zugreifen könnte.

Foto zeigt Lena Düpont im Podcast-Studio
Land und Bürger müssen sich auf Krieg und Katastrophen gleichermaßen vorbereiten, mahnt die Europaabgeordnete. | Foto: Lada

Allein schon aufgrund der geografischen Lage werde Niedersachsen eine besondere Rolle im Ernstfall zukommen, erklärt Düpont. Anders als im Kalten Krieg gebe es zwar keine Frontstellung mehr. Deshalb müsse aber sichergestellt werden, dass Personal und Material, das im Verteidigungsfall zur Verfügung stehen muss, auch durch Deutschland hindurch transportiert werden kann. Daher sei es richtig, sich jetzt mit der Ertüchtigung der Infrastruktur zu beschäftigen – mit Häfen und Schienen, Straßen und Wasserstraßen sowie Brücken. „Wir werden hier innerhalb Niedersachsens und innerhalb Deutschlands eine viel intensivere Verantwortung wahrnehmen müssen, was die Koordinierung der verschiedenen Ebenen miteinander angeht“, sagt Düpont. Allerdings sei diese Erkenntnis mangels Risikobewusstsein noch nicht so weit verbreitet. Die EU habe sich vorgenommen, den Mitgliedstaaten einen Anschub zu geben, um sich mit dem Thema Krisenvorsorge intensiver zu beschäftigen. Dabei gehe es nicht nur ums Militärische, sondern auch um Naturkatastrophen. „Am Ende ist es ja egal, ob ich mein Haus verlassen muss, ob ein Fluss über die Ufer tritt oder weil es eine kriegerische Auseinandersetzung gibt. Mit dem Erfordernis zu wissen, wo die wichtigen Dokumente, Lebensmittel und Medikamente sind und welche Nachbarn besondere Unterstützung brauchen, sollte man sich in jedem Fall auseinandersetzen.“

Düpont erinnert an die Bedeutung von Nato und EU, die Deutschland in den letzten Jahrzehnten auf unterschiedlichen Ebenen eine Form von Wohlstand, Stabilität, Frieden und Sicherheit garantiert haben. „Wir haben es jetzt in der Hand, ob diese Bündnisse halten oder nicht. Am Ende wird unsere Wahrnehmung der Verantwortung – als Deutschland in der EU, als Einzelner in der bundesrepublikanischen Gesellschaft – maßgeblich darüber mitentscheiden, ob wir diese Zeit gut überstehen, oder nicht.“ Dabei kann sich der Bündnisfall sehr unterschiedlich darstellen. Weil die EU mehr ist als ein Verteidigungsbündnis, beziehe sich das Bündnisversprechen „explizit auf militärische und nicht-militärische Beistandsmittel“. Eine Eskalation in Estland könnte also auch zur Folge haben, dass die anderen Mitgliedstaaten zivile Kräfte aus den Hilfsorganisationen als Teil der Beistandsverpflichtung auf den Weg schicken. Als der EU-Bündnisfall nach dem Pariser Bataclan-Anschlag vor bald zehn Jahren erstmals ausgerufen wurde, haben Truppen der EU-Mitgliedstaaten im Auslandseinsatz dafür gesorgt, dass sich die französischen Truppen im heimischen Inland um die Terrorlage kümmern konnten.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #136.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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