9. Jan. 2023 · 
Justiz

Mehrere Bewerber sind für den Posten des OVG-Präsidenten im Rennen

Ein atemberaubendes Personalpoker in der niedersächsischen Justiz hat begonnen. Da der bisherige Präsident des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, Thomas Smollich (60), im November zum Justiz-Staatssekretär ernannt wurde, muss für seine Position ein Nachfolger gefunden werden. Nun kursieren dafür mehrere Namen, und eine Entscheidung hat die Landesregierung noch nicht getroffen. Die Sache kann knifflig werden.

Smollich macht zugleich ein weiteres Amt frei, das des ehrenamtlichen Präsidenten des Staatsgerichtshofs in Bückeburg, des höchsten Gerichts im Lande. Als Nachfolger für diese Position ist der Präsident des Landesarbeitsgerichts, Wilhelm Mestwerdt, im Gespräch. Das Spitzenamt für den Staatsgerichtshof wird im Landtag mit Zweidrittelmehrheit gewählt – und das dürfte bald geschehen.

Wilhelm Mestwerdt | Foto: SPD Schwarmstedt

Einige Diskussionen dürfte hingegen noch die Frage nach dem Präsidentenposten beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg auslösen. Das OVG ist landesweit sieben Verwaltungsgerichten übergeordnet und arbeitet als deren Berufungsinstanz. Dort sind 18 Senate angegliedert, und das Gericht befasst sich praktisch mit sämtlichen Streitigkeiten, die Bürger oder Institutionen mit den Behörden des Landes ausfechten. Es geht dabei oft um die Gültigkeit von Rechtsverordnungen und Bebauungsplänen, aber auch um die Zulässigkeit von Großprojekten und Straßenbauten. In der Corona-Zeit sorgte die Tatsache, dass der zuständige OVG-Senat wichtige Beschränkungen der Landesregierung wiederholt aufgehoben hatte, für einigen Unmut. Dieser Vorgang hat die Bedeutung des OVG Lüneburg als Säule der „dritten Staatsgewalt“, der Justiz, unterstrichen.

Als Smollich im November in die zweite Staatsgewalt wechselte, die Exekutive, war über die Nachfolge beim OVG spekuliert worden. Es hieß, für die Position komme Ingo Behrens in Betracht, der Präsident des Verwaltungsgerichts Hannover. Am Montag wurde bekannt, dass der 60-Jährige sich tatsächlich für die Smollich-Nachfolge beworben hat. Für die Position an der OVG-Spitze ins Gespräch kam auch der OVG-Richter und vormalige Präsident des Lüneburger Verwaltungsgerichts, Frank Hüsing (55). In der Landesregierung heißt es, man könne sich einen dieser beiden durchaus für die Spitzenposition im OVG Lüneburg vorstellen. Hüsing hat aber bisher kein Interesse an dem Amt bekundet.

Ingo Behrens (zweiter von links) bei seiner Ernennung zum Verwaltungsgerichtspräsidenten mit Thomas Smollich (von links), Barbara Havliza und Stefan von der Beck. | Foto: OVG Niedersachsen

Allerdings liegt nach Rundblick-Informationen eine weitere Bewerbung vor, die alle rot-grünen Personalpläne durcheinanderwirbeln könnte. Der 61-jährige Jurist Frank-Thomas Hett (CDU), bis November Justiz-Staatssekretär, strebt ebenfalls die leitende Position des Oberverwaltungsgerichts an. Zwar befindet sich Hett im einstweiligen Ruhestand, in den ihn die neue rot-grüne Landesregierung versetzt hat, aber diese Rechtskonstruktion erlaubt es, ihn jederzeit wieder in eine verantwortliche Position zurückzuholen.

Frank-Thomas Hett | Foto: MJ

Falls Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) und die rot-grüne Landesregierung darauf verzichten und Behrens, Hüsing oder jemand anders anstelle von Hett für die Smollich-Nachfolge auswählen sollten, bliebe Hett der Weg über eine Konkurrentenklage: Er könnte beim Verwaltungsgericht und danach beim OVG auf die Nicht-Aushändigung der Ernennungsurkunde und Korrektur der Auswahlentscheidung pochen. Maßgeblich für die Frage, welcher Bewerber vorzuziehen ist, sind dann zwei Dinge – die Beurteilung und das bisherige Statusamt des Bewerbers. Was das Statusamt angeht, hätte Hett auf jeden Fall bessere Karten als Behrens oder Hüsing, da er als Staatssekretär B9 und vorher als Abteilungsleiter B6 erhalten hatte.



Dem steht bei den anderen beiden die Richterbesoldung nach R4 gegenüber. Entscheidend dürfte aber sein, ob das Statusamt für Beamte im einstweiligen Ruhestand noch wirkt – und dazu ist aus anderen Präzedenzentscheidungen bisher wohl noch nichts festegelegt. Bei der Frage nach der dienstlichen Beurteilung müsste bei Hett wohl eine Stellungnahme von Wahlmanns Vorgängerin Barbara Havliza (CDU) herangezogen werden, die als damalige Vorgesetzte von Hett dessen Arbeit beurteilen kann. Dass sich Rot-Grün über eine vermutlich lobende Einschätzung von Havliza einfach hinwegsetzen könnte, gilt als unwahrscheinlich. Dies alles könnte eine Konkurrentenklage zum OVG-Präsidentenposten spannend machen.

Dieser Artikel erschien am 10.1.2023 in Ausgabe #002.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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