Darum geht es: Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok vermittelt derzeit den Eindruck, an der Spitze einer chaotischen, vom Streit zweier mächtiger Figuren gelähmten Verwaltung zu stehen. So weit hätte es nicht kommen müssen, meint Klaus Wallbaum.

Eigentlich ist Stefan Schostok, der Oberbürgermeister von Hannover, ein wenig aus der Zeit gefallen. Er macht nämlich keinen Hehl daraus, als Verwaltungschef der mit Abstand größten Stadt in Niedersachsen kein Verwaltungsexperte zu sein – sondern eben ein Politiker. Früher hätte man den Sozialdemokraten deshalb gut und gern einen „echten Zweigleiser“ nennen können. Denn die „Zweigleisigkeit“ kannte für jede Stadt eine Doppelspitze: den ehrenamtlichen Oberbürgermeister als Repräsentanten und daneben den hauptamtlichen Oberstadtdirektor als den Kopf der Stadtverwaltung. Da das in der Nachkriegszeit in Niedersachsen eingeführte Modell in vielen Kommunen Konflikte zwischen den beiden Personen ganz oben verursachte, schaffte es der Landtag vor 22 Jahren ab. Seither ist der Mann an der Spitze beides in einer Person, erster Repräsentant der Stadt und die Nummer eins der Verwaltung.

Schmalstieg war bestens vorbereitet

Die aktuellen Probleme von Schostok haben damit zu tun, dass er die Rollenerwartung der Kommunalverfassung nicht erfüllen konnte oder wollte. Sein Vor-Vorgänger Herbert Schmalstieg war auch kein Verwaltungsexperte. Aber als er 1996, damals schon 24 Jahre lang ehrenamtlicher Oberbürgermeister, an die hauptamtliche Spitze gelangte, war er bestens vorbereitet – er kannte alle wichtigen Leute im Rathaus, alle wichtigen Abläufe und alle inoffiziellen Wege neben den offiziellen. Sein Wechsel in die neue Verantwortung klappte reibungslos. Beim Nachfolger Stephan Weil, der sowieso aus der Verwaltung kommt, war das gar keine Frage. Aber Schostok? Er suchte nach einer Stütze im engeren Umfeld, auf die er sich hundertprozentig verlassen kann und die ihn in allen Verwaltungsfragen entlasten kann. Der Oberbürgermeister fand diese Vertrauensperson in Frank Herbert, seinem Büroleiter. Schostok, eher Kommunikator als Aktenfresser, konzentrierte sich auf die Repräsentantenrolle, Herbert sollte den Rathausbetrieb am Laufen halten.


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Eine solche Arbeitsteilung kann funktionieren, wenn man wichtige Regeln einhält. Ein unverzichtbarer Helfer des Chefs muss unauffällig und zurückhaltend bleiben, seine heimliche Machtposition muss auch in der eigenen Verwaltung weitgehend unentdeckt und unbekannt bleiben. Am besten ist es, wenn alle ihn unterschätzen. Außerdem muss sich dieser Helfer bescheiden verhalten – er darf nicht unangemessen werden. Im hannoverschen Rathaus hat Frank Herbert beide Prinzipien verletzt. Er agierte im Mail-Kontakt mit dem einst mächtigen Personaldezernenten Harald Härke in eigener Sache offensiv und rücksichtslos, forderte für sich eine höhere Vergütung, die sonst nur Dezernenten zusteht und die rechtlich mindestens fragwürdig ist. Außerdem trat er so auf, dass zumindest Härke, vielleicht auch andere ihn als anmaßend empfunden haben können. Das aber ist nicht nur ungeschickt und töricht, sein Agieren – gipfelnd in einer Pressekonferenz, in der Härke des Geheimnisverrats beschuldigt wurde – stellt auch das ganze System in Frage.

Ein Büroleiter darf in der Bürokratie nun einmal nur ein Büroleiter des Verwaltungschefs sein. Ist er in Wirklichkeit mehr, nämlich der eigentliche Oberbürgermeister, so muss das professionell gegenüber dem Rest der Verwaltung verborgen werden. Klappt dies nicht mehr, wie jetzt im Fall Schostok und Herbert, so gerät die Machtverteilung im Rathaus insgesamt ins Wanken. Die Dezernenten als Wahlbeamte haben mit Recht den Anspruch, als jeweilige Köpfe der Fachverwaltung die wichtigsten Personen neben dem Oberbürgermeister zu sein. Wenn ein Büroleiter diesen nun auch im Gehalt gleichgestellt sein will, obwohl er doch „nur“ zum Stab des Oberbürgermeisters zählt, dann ist das ein indirekter Angriff auf die Hierarchie in der Verwaltung: Da maßt sich einer an, die hergebrachte Hackordnung ins Wanken zu bringen. Und weil dieser Störenfried noch aus dem engeren Umfeld des Chefs kommt, sieht das alles so aus, als wolle der Chef selbst die herkömmlichen Machtstrukturen neu ordnen. Dass nun der frühere Personal- und jetzt nur noch auf Kultur beschränkte Dezernent Harald Härke als Intimfeind von Frank Herbert in die Rolle des Verteidigers der alten Zustände gerät, macht die Sache für Schostok eher noch schlimmer. Das Ganze wird zum Sinnbild für den Versuch einer Verwaltungsrevolution von oben, und die weckt Widerstände.

Wurde gegen geltende Regeln verstoßen?

Niemand weiß, wie die Sache mal enden wird. Manches dürfte davon abhängen, ob jemand der wichtigen Akteure an der Spitze im Rathaus wider besseres Wissen in der Besoldungsfrage gegen geltende Regeln verstieß – und ob jemand ein solches Verhalten gedeckt haben könnte. Es bleibt weiter spannend in Hannover.

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