28. Mai 2025 · 

Kommunen fordern: Denkmalschutzamt entmachten, Landesjugendamt abschaffen

Drei Präsidenten: Marco Prietz (NLT), Jürgen Krogmann (NST) und Marco Trips (NSGB). | Foto: Wallbaum

Die drei Kommunalverbände haben weitreichende Vorschläge für einen Abbau der Bürokratie vorgelegt. „Wir werden jetzt sehen, was die Landesregierung davon in den gut zwölf Monaten bis zur Kommunalwahl umsetzen wird“, sagt Marco Prietz, Präsident des Niedersächsischen Landkreistages (NLT). „Bürokratie kann sinnvoll sein – aber wir erleben viele übertriebene Formen davon, die uns Kommunalpolitiker in den Wahnsinn treiben“, ergänzt Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB). Jürgen Krogmann, Präsident des Niedersächsischen Städtetages (NST), sieht die Ursache in der „fehlenden Flexibilität der Ministerialbürokratie“. Es herrsche eine Misstrauenskultur, obwohl man den Kommunen eine eigenverantwortliche Regelung vieler Themen zutrauen könne.

Die drei Kommunalverbände schlagen 70 Detailänderungen vor. Hier einige der weitreichendsten:

  • Denkmalschutz: Das Landesamt solle kein Entscheidungsrecht mehr erhalten, sondern die kommunalen Denkmalbehörden nur noch beraten – und die kommunalen Behörden sollten künftig abschließend entscheiden. NST-Vizepräsident Frank Klingebiel berichtet über eine 90 Jahre alte Siedlung mit 3600 Wohnungen in Salzgitter, von denen 1200 leer stehen, die aber vom Landesamt als Denkmal gewidmet wurden. Der Investor habe wegen der hohen Auflagen kein Interesse an einer Investition. „Es wäre ein Ausweg, wenn man eine Häuserzeile als Denkmal stehen lässt und den Rest abreißt, um dringend nötige neue Wohnungen hier zu bauen.“
Kritische Details in der Stadtpolitik: Die Vizepräsidenten Frank Klingebiel (NST) und Maren Wegener (NSGB). | Foto: Wallbaum
  • Haushaltsordnung und Vergaberecht: In Salzgitter sollten 2019 zwei Schulen und drei Kindergärten neu gebaut werden. Die Stadt wollte einen Generalunternehmer engagieren, doch das Staatshochbauamt des Landes lehnte das mit Hinweis auf die Landeshaushaltsordnung ab – so musste jedes Gewerk einzeln europaweit ausgeschrieben werden, ein zeitfressender Prozess. Jetzt erst, nach sechs Jahren, könnten die ersten Schulen eingeweiht werden. „Das hatten wir den Bürgern schon für 2019 versprochen“, beklagt Klingebiel. Das Vergaberecht legt die Wertgrenzen fest, oberhalb derer ausgeschrieben werden muss. Trips sagt, die jüngst von der Landesregierung beschlossene Änderung gehe nicht weit genug. So hätten Schulleiter künftig eine Grenze von 100.000 Euro, Bürgermeister aber nur eine von 20.000 Euro. Auch die Tariftreue-Vorgaben seien viel zu bürokratisch und belasteten die Kommunen.


  • „Landesjugendamt abschaffen“: Die drei Verbände schlagen vor, das Landesjugendamt mit 800 Beschäftigten in Hildesheim abzuschaffen. Die Behörde kontrolliert und genehmigt die Kindergärten der Kommunen und die Unterbringung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge, von denen derzeit 4000 in Niedersachsen leben. Die Kommunen beklagen irrwitzige Auflagen etwa zur Verwendung bestimmter Baumaterialien in den Kindertagesstätten und zu Raumgrößen. NSGB-Vizepräsidentin Maren Wegener berichtet, in Lengede habe eine Krippe in einen Kindergarten umgewandelt werden sollen – und Landesbehörden hätten vorgeschrieben, dass dafür die Toiletten umgebaut werden mussten. In anderen Fällen verlange ein schlichter Betreiberwechsel eines Kindergartens eine neue Betriebsgenehmigung – deren Erstellung Zeit beansprucht.


  • Freiheit bei Kindergärten und Schulen: Die Kommunen schlagen vor, dass sie von den strikten Personalvorgaben für die Fachkräfte in Kindergärten auch mal abweichen können sollen – auch mit Blick auf die Gruppengröße und einen leichteren Einsatz von Vertretungskräften. Die Regionalen Landesämter für Schule und Bildung sollten die Kommunen als Schulträger nicht mehr beaufsichtigen, sondern nur noch beraten. Verwaltungskräfte sollten aus diesen Landesämtern abgezogen und den Schulen direkt zugewiesen werden.


  • Volkszählung abschaffen: Die regelmäßige Einwohnerzählung, derzeit „Zensus“ genannt, soll künftig entfallen. „Es reicht doch, sich auf die Daten der kommunalen Einwohnermeldeämter zu verlassen und diese als Basis zu nutzen“, erklärt Trips.

  • Baurecht: Die noch unter Wirtschaftsminister Lies beschlossene und viel gelobte Novelle der Bauordnung hat laut Trips zwar zur Folge, dass viele Bauvorhaben künftig ohne Genehmigung begonnen werden dürfen. Man habe aber gleichzeitig sehr viele Standards nicht gesenkt, was etwa Abstände oder Ausstattungsdetails angeht. Da die alten Standards noch gelten, könnten diese später gerichtlich noch geltend gemacht werden. Das könne ein böses Erwachen für viele Bauherren geben. Auch das Parkplatz-Problem sei auf die Kommunen abgewälzt worden, da man die Bauherrn von der Stellplatzpflicht entlastet habe.


  • Förderprogramme: Wie Prietz erläutert, sind viele Förderprogramme so kompliziert geschrieben, dass die Gemeinden erst einmal Gutachterbüros einschalten müssen – es sei also ein Beschäftigungsprogramm für Gutachter.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #100.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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