30. Mai 2025 · 
MeldungFinanzen

Beamtenbund fühlt sich vom Finanzminister unfair behandelt und ruft Olaf Lies zur Hilfe

Alexander Zimbehl fordert Ministerpräsident Lies zum Einschreiten auf. | Foto: Wallbaum

Der jahrelange Streit über die Frage, ob Niedersachsen seine Beamten und Richter angemessen bezahlt, eskaliert gerade. Ein neuer Erlass aus dem Haus von Finanzminister Gerald Heere (Grüne), der kurz nach Ostern an die Landes- und Kommunalbehörden verschickt wurde, hat den Beamtenbund und den Richterbund auf die Palme gebracht. Beide Organisationen fordern jetzt den neuen Ministerpräsidenten Olaf Lies auf, das Finanzministerium in die Schranken zu weisen. In der Verfügung aus dem Haus von Minister Heere wird festgelegt, dass die für die Besoldung der Landes- und Kommunalbeamten zuständigen Stellen alle Widersprüche gegen die Gehaltsbescheinigungen für 2023 und 2024 abschlägig entscheiden sollen – ohne eine Einzelfallprüfung. Das bedeutet: Wenn ein Beamter oder Richter mit seinem Gehalt nicht einverstanden ist, Widerspruch eingelegt hat und daraufhin eine Ablehnung erhalten hat, müsste er den Klageweg beschreiten. Bisher so schätzt der Beamtenbund, hatten jährlich regelmäßig "mehrere tausend" Beamte Widerspruch gegen ihren Gehaltsbescheid eingelegt.

Geht Konflikt mit Beamtenbund ein: Gerald Heere. | Foto: Plenar-TV

Das neue Verfahren ist gegenüber der bisherigen Praxis eine einschneidende Veränderung, weshalb der Beamtenbund, der DBB Niedersachsen, und der Niedersächsische Richterbund (NRB) auch entsetzt reagieren. Was nämlich die Gehaltsabrechnungen der Jahre bis einschließlich 2022 angeht, waren die Bescheide bei Erklärung eines Widerspruchs „ruhend gestellt“ worden. Sie hatten also eine Dauerwirkung und konnten ohne finanzielles Risiko des jeweiligen Beamten erhoben werden. Das soll jetzt nach der Mitteilung des Finanzministeriums geändert werden – jeder Beamte müsste gegen eine abschlägige Entscheidung des Arbeitgebers juristisch vorgehen. Dies könnte nun eine Schwemme an Verfahren vor den Verwaltungsgerichten zur Folge haben. Der Landesvorsitzende des Beamtenbundes, Alexander Zimbehl, und der Richterbund-Vorsitzende Frank Bornemann vermuten, das Land wolle damit rechtlich für die Beamtengehälter von 2023 und 2024 Fakten schaffen – ohne den Ausgang des höchstrichterlichen Rechtsstreits über damit verbundene Grundsatzfragen, der in Karlsruhe geführt wird, abzuwarten. „Dieses Verhalten ist nicht nur im höchsten Maße unfair gegenüber den Betroffenen, es stellt auch einen Affront insbesondere den unteren Einkommensgruppen gegenüber dar, bei denen die Kollegen sich scheuen werden, die Kosten für Klagen vor den Verwaltungsgerichten aufzubringen“, erklärt Zimbehl. DBB und NRB fordern nun Ministerpräsident Olaf Lies auf, „umgehend von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen und den Erlass des Finanzministeriums zu stoppen“. Anzeichen, dass Lies der Forderung folgen wird, gibt es bisher allerdings nicht.

Tatsächlich ist die Beamtenbesoldung jetzt schon seit Jahren ein Zankapfel vor den Gerichten, eine wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für Niedersachsen wird demnächst erwartet. Die Karlsruher Richter prüfen, ob der Abstand zwischen dem Grundsicherungsniveau und der Bezahlung von Beamten in den unteren Rängen, der mindestens 15 Prozent betragen muss, eingehalten wird. Das ist offenbar bis 2022 nicht der Fall gewesen bei Beamten mit den Besoldungsgruppen A5, A6, A7 und A9, wenn sie als Alleinverdiener mindestens zwei Kinder haben. Um diese Gruppe aufzubessern, hatte das Land Ende 2022 per Gesetz einen „Familienergänzungszuschlag“ für geringverdienende Beamte mit Kindern beschlossen – der allerdings in seiner Systematik hoch umstritten ist, weil er zwischen mehreren Besoldungsgruppen in unteren Rängen die Gehaltsunterschiede einebnet. Außerdem wird bei dieser Berechnung das Einkommen des Partners zur Bewertung herangezogen.

Der Konflikt zwischen dem Finanzministerium und Vertretern der Beamten war Ende 2023 schon einmal entstanden. Die jetzt per Erlass festgelegte Praxis war damals schon vom Finanzministerium in Aussicht gestellt worden. Seinerzeit hatte die Gewerkschaft der Polizei, die zum DGB gehört, massive Kritik geübt und die Vorbereitung von Musterklagen gestartet. Die Debatte weitete sich Ende 2023 jedoch nicht aus, weil eine konkrete Anweisung des Ministeriums zunächst noch nicht gefolgt war. Diese kam jetzt, Ende April 2025. Auf Anfrage sagt der Sprecher des Finanzministers, Johannes Pepping, aus Sicht der Landesregierung sei die Beamtenbesoldung seit 2023 "amtsangemessen", damit werde den Widersprüchen auch keine Dauerwirkung mehr zugestanden. Wenn doch Widersprüche eingelegt werden, sei das Landesamt für Bezüge und Versorgung gesetzlich verpflichtet, diese negativ zu bescheiden. Bei späteren Klagen von Beamten sei es aber Sache der Verwaltungsgerichte, die Vorgänge dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen, fügt Pepping hinzu.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #101.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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