7. Juli 2022 · 
Wirtschaft

Weil und Althusmann bereiten das Land auf drohende Energie-Engpässe vor

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU), stimmen das Land auf massive Einschnitte in den kommenden Monaten ein. Nach einem Krisentreffen mit zahlreichen gesellschaftlichen Akteuren sagte Weil: „Wir stehen erst am Anfang des Problems und können das ganze Ausmaß noch gar nicht erblicken.“

Stephan Weil und Bernd Althusmann stimmen das Land auf massive Einschnitte in den kommenden Monaten ein. I Foto: Staatskanzlei, Tobias Koch, Canva

Sollte der Krieg in der Ukraine nicht rasch zu einem friedlichen Ende kommen, erwartet der Ministerpräsident starke Belastungen für die gesamte Gesellschaft, mindestens über die kommenden zwei Jahre. Wirtschaftsminister Althusmann ergänzte: „Die Situation ist unzweifelhaft eine ernste. Wir müssen das Land nun rechtzeitig darauf vorbereiten.“ Die zentrale Herausforderung ist die Energieknappheit in Folge des Lieferstopps von Gas aus Russland. Althusmann erklärte, er rechne nicht damit, dass nach der Wartung von Nord Stream I wieder Gas durch die Rohre nach Europa gelangen werde. Der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland liege derzeit bei knapp 60 Prozent, ein Engpass sei damit im Herbst zu erwarten. Der Wirtschaftsminister geht deshalb davon aus, dass spätestens Ende Februar oder Anfang März das Szenario komplett leerer Gasspeicher eintritt. Neben den Auswirkungen für die Privathaushalte gefährde dies tausende Arbeitsplätze und erhebliche Belastungen für die Glas-, Stahl- und Papierindustrie aber auch für kleine und mittlere Unternehmen des Mittelstandes.  

"Die Situation ist unzweifelhaft eine ernste. Wir müssen das Land nun rechtzeitig darauf vorbereiten."

Bernd Althusmann

Ergebnis des Krisentreffens, an dem rund 25 Vertreter von der Wohnungswirtschaft bis zur Wohlfahrt, von der Landwirtschaft bis zu den Tafeln, von Energieversorgern bis zu den Unternehmerverbänden und Gewerkschaften teilgenommen haben, ist ein strikter Fahrplan für die kommenden Wochen. In fünf Arbeitsgruppen soll nun an konkreten Weichenstellungen gearbeitet werden, Ergebnisse sollen mit Ablauf des Monats Juli feststehen. Weil sagte zwar, dass viele Regelungen nur auf Bundes- oder europäischer Ebene geändert werden könnten. Doch man wolle sich darauf nicht ausruhen und suche deshalb jene Möglichkeiten, die das Land beeinflussen kann. Eine Arbeitsgruppe wird sich in den kommenden drei Wochen mit sozialen Härten befassen. Weil sagte, dass bereits jetzt viele Menschen mit sehr knappen Finanzmitteln auskommen müssten. Dabei gehe es nicht nur um Sozialhilfeempfänger, sondern auch um die gesellschaftliche Mitte. Der Verband der Wohnungswirtschaft habe hier beispielhaft dargelegt, dass man auf Kündigungen bei ausbleibenden Mietzahlungen verzichten solle, wie das auch während der Corona-Pandemie bereits der Fall war.

Ministerpräsident Weil zieht Härtefallfonds in Erwägung

Die Einrichtung eines Härtefallfonds ist laut Weil eine weitere denkbare Option. Eine zweite Arbeitsgruppe soll sich mit dem Themenfeld Energie und dem Energiesparen befassen. „Das klingt wohlfeil, ist es aber nicht. Wenn wir schnell sparen, können wir nicht nur die Versorgungssicherheit erhöhen, sondern auch Geld sparen“, sagte Weil. Drittes Themenfeld ist die Kommunikation. In dieser Arbeitsgruppe soll beispielsweise herausgearbeitet werden, wie man der Bevölkerung die Möglichkeiten des Energiesparens näherbringen könne. Es gehe aber auch um die Botschaft, wie dringlich die Angelegenheit tatsächlich sei, so der Ministerpräsident. Die vierte Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Ernährungssicherheit.

Landvolk-Präsident Holger Hennies hat dargelegt, wie ernst die globale Ernährungskrise zum jetzigen Zeitpunkt bereits ist. Die derzeit verfügbare Getreidemenge (ohne Russland, Ukraine und China) liege bei 60 Millionen Tonnen – „da bleibt ganz wenig Luft nach unten“, sagte Hennies dem Politikjournal Rundblick. Es müsse jetzt darum gehen, zum einen die Mengen zu erhöhen und zum anderen die Kosten bei der Produktion zu verringern. Die Vorgaben aus der EU erzielten dabei das Gegenteil. Statt Flächen stillzulegen sollte man diese nun lieber nutzen, um Eiweißpflanzen anzubauen, schlug der Landvolk-Präsident vor. Auch müsse man Dünger überall dort einsetzen dürfen, wo er gebraucht werde.

Landvolk-Präsident kritisiert EU-Vorgaben

Die diesjährige Ernte werde in weiten Teilen Europas nicht gut ausfallen, das Getreide reiche vielfach nur als Futtermittel. Sollte es in Folge der Energieknappheit zu Abschaltungen von Industrien kommen, mahnt Hennies, man solle die gesamte Lebensmittelkette aussparen – also auch die Verarbeitung und die Vermarktung, da es sonst zu massiven Lebensmittelverschwendungen kommen würde. Hennies‘ Kritik an den EU-Vorgaben führt zu dem Aufgabenfeld der fünften Arbeitsgruppe. In dieser wird es um ein Belastungs-Moratorium gehen. Sämtliche Maßnahmen, die nicht zwingend sofort umgesetzt werden müssen, sollten vorerst aufgeschoben werden. Für Wirtschaftsminister Althusmann geht es dabei etwa um das EU-Lieferkettengesetz. Gerade für die Landwirtschaft müsse es hier Ausnahmen etwa bei der Beschaffung von Düngemittel geben, damit die Betriebe nicht detailliert nachweisen müssen woher die Produkte stammen, die sie verwenden.

Dieser Artikel erschien am 6.7.2022 in Ausgabe #127.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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