31. März 2025 · Kultur

Was Politikbegeisterte beim Besuch des Kirchentags in Hannover beachten sollten

In vier Wochen ist es so weit: Am 30. April 2025 beginnt das Programm des 39. Deutschen Evangelischen Kirchentags. An vielen Orten in Hannovers Innenstadt sowie auf dem Messegelände wird es an den fünf Tagen bis zum 4. Mai zahlreiche Aktionen, Veranstaltungen und Auftritte geben. Neben geistlichen und kulturellen Angeboten stehen auch viele politische Punkte im Programm. Im Politiknerds-Podcast gibt die Generalsekretärin des Kirchentags, Kristin Jahn, Tipps zur Annäherung an die 1500 Veranstaltungen. Sie rät dazu zu schauen, wo die eigenen Leidenschaften liegen und bei welchen Schwerpunkten man neue Perspektiven gewinnen möchte: „Ist es eher Wirtschaft, ist es eher Klima? Oder ist es eher das Thema Demokratie: Wie werde ich mündig, was sage ich, wenn die Parolen kommen?“ Neben den Inhalten geht es dann auch um die Form der Veranstaltung: „Will ich eher etwas machen, wo ich zuhöre im Podien-Bereich, oder will ich eher etwas machen, wo ich im Workshop etwas mitgestalten kann?“ Das Politikjournal Rundblick zeigt auf, wie echte „Politiknerds“ das Beste für sich aus dem Kirchentagsplan herausholen können:

Ankommen beim Abend der Begegnung und dem Segen zum Abend. (Kirchentag Berlin 2017) | Foto: Michalak/DEKT
  • Der Abend der Begegnung – Wer bis zuletzt arbeiten muss, kann den Feierabend am 30. April mit einem bunten Fest in der hannoverschen Innenstadt einläuten. An zahlreichen Zelten und Ständen wird es nach Auskunft der Veranstalter neben Verpflegung auch Mitmach- und Kennenlernaktionen geben. Auf mehreren Bühnen soll es kreativ zugehen. Eine dieser Bühnen wird der niedersächsische Landtag bespielen. Wie die Organisatoren berichten, wird der Landtag mit einem Poetry-Slams aufwarten – ein Format, das sich unter der Präsidentschaft Hanna Nabers fest im popkulturellen Programm des Parlaments etabliert hat. Beim Kirchentag freut man sich über diese Form der Darbietung, die das gesprochene Wort zur Geltung kommen lässt.
  • Die Bibelarbeiten – An drei aufeinanderfolgenden Tagen beginnt das Kirchentagsprogramm allmorgendlich um 9:30 Uhr mit einer sogenannten Bibelarbeit. Schon lange im Voraus wurden dazu vom Organisationsteam Bibelstellen ausgewählt, die nun von prominenten Persönlichkeiten vor großem Publikum ausgelegt werden. Die ausgewählten Texte sollen dabei das Kirchentagsmotto „mutig, stark, beherzt“ widerspiegeln: Am Donnerstag geht es um Mut zum Widerspruch, am Freitag um Mut zur Zukunft und am Sonnabend um Mut zum Aufbruch.
Ausgelassene Stimmung bei einer Bibelarbeit mit Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt in Nürnberg 2023. | Foto: Bongard/DEKT

Im Rundblick-Podcast verrieten Generalsekretärin Jahn und Kirchentags-Botschafter Andreas Behr, dass die Bibelarbeiten zu einem anderen Sprechen verleiten. „Es ist unsere Erfahrung, dass Menschen, die das machen, plötzlich anders reden“, sagt Behr. Es werde zwar keine Predigt erwartet, eine politische Rede oder ein kabarettistisches Stück könnte genauso vorgetragen werden. Und doch erfahre man immer etwas Neues selbst bei Menschen, die man schon häufiger reden gehört hat, weil sie plötzlich in einem anderen Kontext sprechen. Jahn meint: „Das charmante an Bibelarbeiten ist, dass man sich nicht in einem Wir oder hinter Parteisprache verstecken kann, sondern man muss den Mut haben, ‚Ich‘ zu sagen.“

Zu diesem Sprechen in Ich-Form lassen sich am Donnerstag beispielsweise Bodo Ramelow (Linke), Winfried Kretschmann (Grüne), Hubertus Heil (SPD) und Luisa Neubauer (Fridays for Future) verleiten. Am Freitag legen Stephan Weil (SPD), Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Armin Laschet (CDU), Thomas de Maizière (CDU) und Belit Onay (Grüne) eine Bibelstelle aus. Für Sonnabend stehen unter anderem Sven Giegold (Grüne), Eva Högl (SPD), und Christine Strobl (CDU-Mitglied und ARD-Programmdirektorin) auf dem Plan. CDU-Chef Friedrich Merz wurde inzwischen wieder aus dem Programm gestrichen. Wird er bis dahin als Kanzler den Kirchentag besuchen?

  • Der Tag der Arbeit – Der erste volle Tag des Kirchentags ist zeitgleich der Tag der Arbeit. Am Donnerstag, dem 1. Mai wird es deshalb ausgewählte Programmpunkte im Zeichen des Thementags „Arbeit und Chancen“ geben. So wird eine Bibelarbeit von Noch-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ausgearbeitet. Zu hören ist der SPD-Politiker im Dialog mit Irme Stetter-Karp in Halle 14/15 auf dem Messegelände. Ganz schön sputen muss sich, wer anschließend um 11 Uhr an der Bühne auf dem Goseriedeplatz sein möchte. In der hannoverschen Innenstadt zwischen DGB-Haus und Verdi-Höfen wird dann nämlich die große Kundgebung zum Tag der Arbeit stattfinden. Unmöglich wird es derweil, zeitgleich an der Bibelarbeit und dem Demo-Zug teilzunehmen. Dieser startet bereits um 10 Uhr im Freizeitheim Linden und endet rechtzeitig an der Goseriede, damit man dann DGB-Niedersachsen-Chef Mehrdad Payandeh und Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund zuhören kann.

Ohne Hektik kann man im Anschluss in die hannoversche Marktkirche hinübergehen. Dort wird ab 13 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert, der sich nach Aussage von Kirchentags-Geschäftsführerin Jahn auch an Nicht-Kirchliche richtet. „Mut schöpfen und Wert schätzen: Arbeit ins Gebet nehmen“, ist der Gottesdienst überschrieben, in dem der griechisch-orthodoxe Bischof Emmanuel von Christoupolis und Gesche Tuchtfeld-Haug predigen werden. Kontroverser dürfte es um 15 Uhr auf dem Podium in Halle 17 auf dem Messegelände werden. Dort diskutieren Heil und Payandeh mit dem Theologen Prof. Florian Höhne, der hannoverschen Gründerin Mira Jago und Kiki Wöhl von der Decaid Academy in München über das „human friendly automation“-Manifest. Den Tag der Arbeit rundet schließlich eine Generationen-Diskussion im Schauspielhaus ab. Der ehemalige Boehringer-Chef Prof. Andreas Barner und die Gründerin Bersa Shazimani diskutieren über die Arbeitsmoral von „Boomern“ und „Gen Z“.

  • Die heißen Themen – Die Klimapolitik lässt sich wunderbar mit biblischen Motiven aufladen: "Nach uns die Sintflut?", fragt man sich am Donnerstag um 11 Uhr auf dem Hauptpodium in Halle 17. "Nicht mit uns", lautet dabei direkt die Antwort, die von der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats Alena Buyx, der Berliner Sozialforscherin Prof. Nicola Fuchs-Schündeln und der nigerianischen Klimaaktivistin Adenike Titilope Oladosu gegeben wird. Wie sich die Gesellschaft "zwischen Wohlstandsverlust und Gewinnmaximierung" durch die Wirtschaftskrise kämpft und wie das die Demokratie gefährdet, diskutieren am Freitag ab 15 Uhr in Halle 4 der VWN-Betriebsratsvorsitzende Stavros Christidis und die Unternehmerin Sarna Röser. Am Sonnabend geht es in Halle 2 um Zukunftsperspektiven für Freiheit und Sicherheit. Ab 15 Uhr diskutieren dort Hannovers Regionalbischöfin Petra Bahr, der baptistische Kirchenpräsident Zentralafrikas Prof. Jonathan Kivatsi Kavusa, der ehemalige polnische Botschafter Janusz Reiter und Bundeswehr-Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart über Friedensethik.
  • Die weißen Flecken – Wird es bis zum Kirchentag eine neue Bundesregierung geben? Und wer wird die Parteien nach dem Beben der Bundestagswahl anführen? Diese Unklarheiten begleitete die Vorbereitung des Kirchentags seit dem Ampel-Bruch im November. Die ohnehin vorgesehenen „weißen Flecken“ im Programmablauf gewinnen deshalb an Bedeutung. Zwar ist ein Auftritt des Bundeskanzlers vorgesehen, wer das Anfang Mai sein wird, zeigt sich allerdings noch. Außerdem sollen die „weißen Flecken“ im Programm dazu dienen, auf aktuelle Ereignisse reagieren zu können. Die „Veranstaltungen aus aktuellem Anlass“ finden am Donnerstag und Freitag jeweils um 11 Uhr auf den Hauptpodien in Messe-Halle 2 statt.
Dieser Artikel erschien am 1.4.2025 in Ausgabe #062.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail