Warum Harburg und Hannover bei den Flüchtlingen aus der Reihe fallen
Die Pauschale steigt, für jeden Flüchtling zahlt das Land den Kommunen pro Jahr einen Betrag von 10.000 Euro – bisher waren es nur 9500 Euro. Landesweit sind die Kommunalpolitiker damit zufrieden, heißt es. Aus zwei Orten aber verlautet Widerspruch, aus dem Kreis Harburg im Umland von Hamburg und aus der Region Hannover, hier vor allem der Landeshauptstadt Hannover. So hat es jüngst die Landesregierung im Landtag dargestellt.
Wieso fallen in Hannover und Harburg die Flüchtlingsunterbringungen so aus dem Rahmen? Eine Antwort lautet: Weil die Flächen in beiden Kommunen knapp sind und Unterkünfte nur zu höheren Preisen angemietet oder gekauft werden können – und weil die Gesundheitsversorgung in Ballungsräumen teurer ist. In einer Aufstellung für den Haushalt des Kreises Harburg wird folgende Rechnung verbreitet: Die Unterkunft je Flüchtling kostet monatlich 540 Euro, die Krankenhilfe von 150 Euro kommt hinzu, außerdem der Regelsatz für Asylbewerber, der 352 Euro beträgt. Das macht unterm Strich 1042 Euro monatlich, auf das Jahr gerechnet sind das 12.500 Euro. Weil noch 1500 Euro Verwaltungskosten hinzukommen, rechnen die Harburger mit Kosten von 14.000 Euro je Flüchtling und Jahr, also 4000 weniger als das Land überweist. In einem Vermerk des Landkreises wird erwähnt, dass man auch bei sinkender Flüchtlingszahl die Aufwendungen für die Unterbringung „nicht nennenswert absenken“ könne. Man habe Container für mindestens 60 Monate Laufzeit angemietet. Da im Hamburger Umland die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt groß ist, konnte die Kreisverwaltung offenbar nur mit erheblichem Aufwand Unterkünfte organisieren. Das schlägt jetzt bei den Kosten zu Buche.
In Hannover sieht die Lage ähnlich aus. „Wie in Harburg sind auch bei uns die freien Flächen begrenzt – und die Nachfrage nach Wohnraum steigt immer mehr“, sagt Andreas Möser, Sprecher von Oberbürgermeister Stefan Schostok. Man habe die Forderungen der Vermieter durchaus drücken können, etwa beim früheren Maritim-Hotel neben dem Rathaus. In anderen Fällen wie dem früheren Oststadt-Krankenhaus gab es Aufwendungen für Rück- und Umbauten. Zu den Kosten kämen Ausgaben für soziale Dienste und auch für Sicherheitspersonal hinzu. Hier leistet sich Hannover offenbar einen höheren Standard als andere – auf 50 Flüchtlinge kommen in der Landeshauptstadt anderthalb Sozialarbeiterstellen, nicht eine wie andernorts. Oberbürgermeister Schostok geht deshalb von Kosten in Höhe von 17.000 Euro jährlich je Flüchtling aus, also noch einmal mehr als im Kreis Harburg und erheblich mehr als mit der neuen Pauschale des Landes abgedeckt werden kann. Die bessere personelle Betreuung mit Sozialarbeitern und Sicherheitsdiensten, sagt Möser, verursache aber nur ein geringer Teil der Mehrkosten. Die großen Unterschiede zu anderen Kommunen in Niedersachsen seien vor allem auf den angespannten Wohnungsmarkt zurückzuführen, sagt die Stadtverwaltung. Kritiker meinen allerdings, einiges an den hohen Kosten in Hannover sei auch selbstverschuldet. So setzte die Stadt anfangs nicht auf dezentrale Unterbringung in Wohnungen, sondern auf große, zentrale Einrichtungen. Die brauchen dann auch Sicherheitsdienste, die wiederum die Kosten nach oben treiben. Bei einer anderen Strategie hätte man günstiger wirtschaften können.
Tatsächlich sind Hannover und Harburg bisher offiziell die einzigen „Ausreißer“ in der Statistik. Aber auch in anderen größeren Städten, heißt es, komme man mit der Pauschale nicht hin. Verhandlungspartner des Landes seien aber die Kommunalverbände, und weil die breite Masse der Kommunen mit der 10.000-Euro-Pauschale gut bedient sei, hätten die Großstädte auch nicht aufbegehren und einen Streit mit dem Land anzetteln wollen. Das gilt umso mehr, als hier überwiegend Sozialdemokraten den Ton angeben. Dabei sollen in Göttingen, Oldenburg und Wolfsburg durchaus Kosten oberhalb der 10.000 Euro entstanden sein. Braunschweig ist ein Sonderfall, weil es hier die Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge gibt. Wie hoch die Ist-Beträge tatsächlich der Pauschale abweichen, ist indes schwer zu ermitteln. Das Land hat bei seiner Berechnung einige Kosten nicht einbezogen, die auf kommunaler Seite durchaus veranschlagt werden. Eine klare, von allen Beteiligten akzeptierte gemeinsame Rechenmethodik gibt es bei diesem Thema nicht. Noch nicht. (kw)
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