Die überraschende Berufung der neuen Landestierschutzbeauftragten hat im Agrarministerium einigen Wirbel ausgelöst. Inzwischen schält sich heraus, dass die Umstände der Personalie höchst fragwürdig sind – und mit den üblichen Regeln für Auswahl und Beförderung wohl kaum übereinstimmen. Das ist aber nur ein Problem. Das zweite besteht in einer Vertrauenskrise innerhalb des Ministeriums.
Der langjährige Abteilungsleiter für Verbraucherschutz, Tiergesundheit und Tierschutz, Prof. Michael Kühne, ist vor wenigen Tagen in den Vorruhestand gewechselt – und Ursache dafür ist offenbar ein zerrüttetes Verhältnis zwischen ihm und der Hausspitze um Ministerin Miriam Staudte und Staatssekretär Michael Marahrens. Vorausgegangen waren Konflikte um die Tierschutzstrategie der Landesregierung, die seit Amtsantritt von Rot-Grün im November 2022 erheblich zugenommen haben. Die Personalie der neuen Beauftragten spielt dabei auch eine Rolle.
„Beide hatte ich nicht eingeladen.“
Was war geschehen? Als Prof. Kühne in den Vorruhestand verabschiedet wurde, waren entgegen der sonst üblichen Praxis weder die Ministerin noch der Staatssekretär anwesend. „Beide hatte ich nicht eingeladen“, sagt der bisherige Abteilungsleiter dazu auf Nachfrage des Politikjournals Rundblick. Dabei gibt es keine parteipolitischen Differenzen zwischen den Beteiligten, Prof. Kühne gilt als grün-nah, ist in der Amtszeit von Agrarminister Christian Meyer (2013 bis 2017) vom Landesamt für Verbraucherschutz ins Ministerium geholt worden.

Der anerkannte Fachtierarzt hat den Ruf einer hohen fachlichen Kompetenz, er ist in seinem Stil auf Ausgleich und Verständigung ausgerichtet. Bevor er 2006 als Abteilungsleiter zum Laves gekommen war, hatte er als Dozent an der Tierärztlichen Hochschule Hannover gewirkt und sich mit Forschungen zu Antibiotika in Lebensmitteln profiliert.
Wie kam es nun zum Zerwürfnis zwischen ihm und der Spitze des Ministeriums? Prof. Kühne selbst will dazu bis auf zwei Sätze nichts sagen: „Wir müssen immer versuchen, ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Ministerium, dem Laves und den kommunalen Behörden herzustellen. Die Kommunalbehörden sind die Repräsentanten des Staates vor Ort, wir brauchen einen guten Kontakt zu ihnen.“
Schon im Dezember vergangenen Jahres entschied sich Prof. Kühne, einen Antrag auf Vorruhestand zu stellen. Damals war die Neubesetzung der Stelle der Landestierschutzbeauftragten noch kein Thema. Allerdings gibt es aus der Landesregierung Hinweise, dass der Abteilungsleiter, pro forma Stellvertreter des Staatssekretärs, schon damals intern kaltgestellt war. Ein Konfliktthema zwischen ihm und der politischen Spitze waren die Tiertransporte in ferne Länder. Staudte verfolgte das Ziel, mit vielen Erlassen diese Transporte faktisch zu verbieten. Prof. Kühne soll davor gewarnt haben mit dem Hinweis, dass der Kurs rechtlich nicht haltbar sein wird.

Im Herbst 2023 wies das Ministerium den Landkreis Emsland an, einen geplanten Transport von 105 trächtigen Rindern nach Marokko zu untersagen. Das betroffene Unternehmen klagte. Erst vor wenigen Wochen kam nun das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück, das dem Kläger Recht gibt – das Ministerium durfte das Verbot nicht aussprechen, denn damit griff Staudte in die Bundeskompetenz ein. Für Rechtsberatung und Prozessführung zum Thema Tiertransporte musste das Agrarministerium viel Geld aufbringen, von einer sechsstelligen Summe ist die Rede und davon, dass Teile womöglich aus den Mitteln des Tierschutzplans beglichen werden könnten.
Daneben gewinnt die Personalplanung im Agrarministerium nun erst seit ein paar Wochen an Brisanz. Es geht um einen Trick, mit dem die Tierärztin Julia Pfeiffer-Schlichting aus Bad Bevensen in die Position der unabhängigen Tierschutzbeauftragten geschoben wurde. Mehrere Details sind merkwürdig. Zum einen hätte schon länger absehbar sein müssen, dass die Nachfolge der zum 1. Mai 2024 in den Ruhestand wechselnden Michaela Dämmrich geregelt werden muss. Die Ausschreibung der Stelle begann aber erst sehr spät, nämlich im April dieses Jahres. Damit war die Bewerbungsfrist extrem kurz, wohl nur zwei Wochen. Auch der Kreis der zugelassenen Interessenten wurde begrenzt, nämlich auf Mitarbeiter des Ministeriums. Wie ist das zu erklären?

Pfeiffer-Schlichting, die eine Nähe zu Tierschutz-Aktivisten haben soll und engagierte Grünen-Politikerin im Kreis Uelzen ist, war offenbar für diese Position seit längerem vorgesehen. Nur musste sie zunächst Mitarbeiterin im Agrarministerium werden, um sie dann aus einem übersichtlichen Bewerberkreis auswählen zu können. Dazu wurde Pfeiffer-Schlichting vom Landkreis Lüneburg, bei dem sie bisher beschäftigt war, zum Land Niedersachsen versetzt. Sie ist dann direkt auf die freie Position des Vize-Leiters im Referat Futtermittelüberwachung zugewiesen worden. Damit war sie gerade Beschäftigte des Ministeriums geworden, als die Ausschreibung für die Dämmrich-Nachfolge startete. Und weil Pfeiffer-Schlichting schon nach A16 eingestuft war und die Tierschutzbeauftragte auch nach A16 bezahlt wird, brachte sie bei der Auswahl gute Voraussetzungen mit. Ein Mitbewerber, ebenfalls Tierarzt, hatte einen niedrigeren Dienstgrad – und damit die schlechteren Voraussetzungen für das Amt.
Der Vorgang hat, wie man in politischen Kreisen sagt, „ein Geschmäckle“. Er dürfte auch mitverantwortlich sein für eine gereizte Stimmung zwischen der Fachebene im Agrarministerium und der politischen Spitze. Als es in der Vorstufe des Aufstiegs von Pfeiffer-Schlichting um die Besetzung des Vize-Referatsleiterpostens ging, war offenbar auf eine Ausschreibung verzichtet worden. Das an sich ist schon merkwürdig. Dass dann aber nicht ein Referent aus dem Ministerium für die freie Stelle ausgewählt wurde, sondern eine außenstehende Kommunalbedienstete mit passender Vita quasi vom Land abgeworben wurde, ist ziemlich ungewöhnlich.
Noch angreifbarer wird der Vorgang dadurch, dass Pfeiffer-Schlichting ihr neues Amt quasi nie ausgeübt hat, sondern nur als Sprungbrett dafür nutzte, drei Wochen nach Amtsantritt in das bedeutendere Amt der unabhängigen Tierschutzbeauftragten aufzusteigen. Ob das rechtlich alles sauber lief, lohnt wohl noch einer Überprüfung. Politisch jedenfalls wirft der Fall kein gutes Licht auf die Personalpolitik im Agrarministerium. Inzwischen richten sich die Blicke auf eine weitere freie Stelle, die besetzt werden muss – die des Leiters der „Stabsstelle Transformation“. Auch dafür soll sich die Hausspitze in Tierschützer-Kreisen umgesehen haben, heißt es aus dem Ministerium.
Die Berufung von Pfeiffer-Schlichting und der von Streit begleitete Abgang von Abteilungsleiter Prof. Kühne haben eine Gemeinsamkeit – sie zeigen eine Verhärtung innerhalb des Agrarministeriums bei den Themen Tierschutz und Landwirtschaft. In diesem Ressort gibt es offenbar vieles aufzuklären.