Darum geht es: Die neue Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast strapaziert den Koalitionsfrieden – und auch Parteifreunde in ihrer Partei, der CDU. Das Auftreten der Ressortchefin war ein paarmal unglücklich. Ein Kommentar von Klaus Wallbaum.

Die 100-Tage-Schonfrist für neue Politiker in führenden Funktionen hat ihren Sinn. Das gilt vor allem dann, wenn der Amtsinhaber ein Seiteneinsteiger ist und sich in der neuen Rolle erst zurechtfinden muss. Der Begriff „Rolle“ ist hier ganz bewusst gewählt, denn Spitzenpolitiker agieren mehr als andere Berufsgruppen in einem festgefügten Schema, sie müssen sich anpassen – genau wie Schauspieler, die einstudierte Texte vorzutragen haben und dem Publikum gefallen müssen. Ein guter Politiker ist, wer beides kann: authentisch bleiben und doch den Erwartungen der Rolle gerecht werden. Wie ein guter Schauspieler auch.

Ob Barbara Otte-Kinast nach bald 150 Tagen Amtszeit als neue niedersächsische Landwirtschaftsministerin eine gute Politikerin ist, muss sich erst noch erweisen. Bislang überwiegen die Zweifel, und das liegt an mehreren unglücklichen Auftritten. Nicht, dass die bisherige Vorsitzende der Landfrauen keine Ahnung von ihrem Thema hätte. Das ist beileibe nicht so, sie kennt sich als praktizierende Bäuerin sogar gut aus in den Agrarthemen, weiß auch von den schwierigen Verästelungen im Geflecht zwischen EU, Bund und Ländern. Auf jede Fachfrage kann sie bestimmt eine passende und korrekte Antwort geben. Von einem Minister ist allerdings etwas anderes gefordert: Er soll klare Ziele formulieren, eine Richtung vorgeben, die anderen dabei mitziehen und Gestaltungswillen erkennen lassen. Und er soll leidenschaftlich für seine Positionen einstehen.

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Nun hat aber Otte-Kinast mehrfach so gewirkt, als lasse sie die Probleme auf sich zukommen und entscheide dann, wie darauf möglichst pragmatisch reagiert werden kann. Das vermittelt den Eindruck von Schwäche und Manipulationsfähigkeit. Als es um die Natura-2000-Gebiete ging und die CDU eine Überprüfung des Erlasses aus rot-grünen Zeiten wollte, ließ sich Otte-Kinast vom routinierten Politikfuchs Olaf Lies (SPD), im Verein mit dem Landkreistag, über den Tisch ziehen. Das war ein Anfängerfehler, der jedem mal passieren kann. In den Wochen danach war es ihre Pressestelle, die in der Landespressekonferenz bei Nachfragen nicht glänzte und sich in Fachfragen vom Vize-Regierungssprecher, einem erfahrenen Landwirtschaftsexperten, aus der Patsche helfen lassen musste. Das jüngste Presse-Hintergrundgespräch mit Otte-Kinast brachte dann ein Fass zum Überlaufen, da das Ministerium schlecht vorbereitet wirkte und eine Botschaft aussendete, die in der Koalition höchste Alarmstimmung auslöste: Die Ministerin beerdigt den „Tierschutzplan“, spricht lieber von „Nutztierhaltungsstrategie“ und gab auf Nachfragen frank und frei zu, dass sie strenge Fristen zur Erfüllung von Tierschutzauflagen eigentlich skeptisch sieht – denn solche Zeitvorgaben seien ja oft sowieso nicht einzuhalten. Abschied vom Tierschutzplan? Da schienen selbst die Parteifreunde in der CDU-Landtagsfraktion, die sie offenbar nicht vorher informiert hatte, unangenehm berührt.

Mit dieser offen ausgesprochenen Position ist Otte-Kinast zu weit gegangen. Es mag ja sein, dass die strengen Regeln des alten Tierschutzplans, entworfen ursprünglich vom CDU-Mitglied und Minister Gert Lindemann, praktisch auf Hindernisse und Hürden stoßen. Am Beispiel der Kastration von Ferkeln wird das gerade in diesen Tagen deutlich. Aber daraus den Schluss zu ziehen, den strengen „Tierschutzplan“ gegen eine aufgeweichte „Nutztierstrategie“ auszutauschen, ist schlichtweg unpolitisch. Wenn eine staatliche Vorgabe wirken soll, muss sie mit Vehemenz vorgetragen werden. Außerdem ist das öffentliche Signal, von einem Tierschutzplan abzuweichen, verheerend für eine Verbraucherschutzministerin. Otte-Kinast beging noch einen zweiten Fehler, indem sie die Vorgaben des Koalitionsvertrages missachtete – denn dort ist von „qualitativen Verbesserungen beim Tierwohl“ die Rede und von der „Fortführung“ des Tierschutzplans, nicht etwa davon, ihn einzustampfen. Dass die SPD als Koalitionspartner auf Otte-Kinast verärgert ist und dies auch öffentlich zum Ausdruck brachte, kann man daher gut verstehen.


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Noch verständlicher ist der Ärger in der Union, der nicht nur hinter vorgehaltener Hand, sondern von Landtagsfraktionschef Dirk Toepffer sogar unverblümt geäußert wird. Man mag die Bedeutung der Bauern-Lobby in Niedersachsen streiten, die Landwirtschaft verliert von Jahr zu Jahr an Einfluss. Für die CDU aber bleibt dieser Zweig existentiell, und nichts ist schädlicher für die Verankerung der Partei in ihrer agrarischen Basis, wenn die zuständige Ministerin keinen Kampfgeist zeigt und uneindeutig auftritt. Symptomatisch ist das bei der Weideprämie, für die kein Geld im Landeshaushalt steht. Statt sich öffentlich in die Bresche zu werfen, gibt die Ministerin schon vor den Haushaltsgesprächen mit dem Finanzminister klein bei und signalisiert, Geld vom Land werde es vermutlich sowieso nicht geben – also müsse sie sich beim Bund bemühen, und das könne eben dauern, bis es Früchte zeigt. Das mag ehrlich sein, aber es klingt nach Resignation.

Immerhin erscheint Otte-Kinast lernwillig, und dringend hat sie guten Rat nötig – für die Art, wie man ein Ministerium führt, wie man für sich politische Unterstützung mobilisiert und auch für die Art und Weise, wie Botschaften nach draußen gesendet werden. Der Handlungsbedarf ist jedenfalls groß.

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