Wahlfälschung oder „eine Formalie“? Wie ein Fauxpas in Weser-Ems das GEW-Image belastet
Wer jemals in einem Wahlvorstand gesessen oder eine Betriebsratswahl organisiert hat, der kennt die Tücken des Systems: Sehr viele Vorschriften müssen beachtet werden, das Regelwerk ist nicht immer einfach und auch nicht immer sofort einleuchtend. Insofern muss man Nachsicht haben mit jenen, die solche Aufgaben ehrenamtlich organisieren müssen. Aber gilt das auch für Schulpersonalräte, die in solchen Fragen eine lange Erfahrung haben die wesentlichen Verhaltensvorgaben eigentlich im Schlaf beherrschen müssten? Bei der Wahl der neuen Personalratsmitglieder für den Schulbezirkspersonalrat (SBPR) im Bereich der früheren Bezirksregierung Weser-Ems war es im vergangenen Jahr zu Unregelmäßigkeiten gekommen, das Verwaltungsgericht hob die Wahlen auf und nächste Woche findet die Wiederholung der Wahlen statt. Ende des Jahres war der Vorgang öffentlich geworden, nachdem ein Vertreter des Verbandes der Lehrer an Wirtschaftsschulen (VLWN), Manfred Glauser, in der Sache Presseauskünfte gegeben hatte – unter anderem gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Er berichtete über das merkwürdige Verhalten von Wahlvorstandsmitgliedern, die allesamt der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) angehörten. Zahlreiche Formvorschriften wurden ignoriert.
Wer nun erwartet hätte, dass sich die GEW-Vertreter im Osnabrücker Schulbezirkspersonalrat reumütig zeigen, ihre Fehler eingestehen und Besserung geloben würden, sah sich jedoch getäuscht. In einer Stellungnahme mit Datum vom 21. Dezember fiel der Anteil der Entschuldigung sehr knapp aus, dafür startete die GEW ein paar Zeilen weiter unten einen umso schärferen Gegenangriff auf den VLWN-Vertreter Glauser. Ihm wurde eine „Schmutzkampagne“ vorgeworfen, da er sich „in der Schulöffentlichkeit geäußert“ und den Ruf der GEW und des Schulbezirkspersonalrats „beschädigt“ habe. Das klingt so sehr danach, dass die Verantwortlichen ertappt wurden, dass es sich nun lohnt, die Vorgänge im Detail noch einmal zu beleuchten. Auffällig ist auch, dass die GEW-Landesspitze in Hannover den Fall ganz anders bewertete und von „unentschuldbaren Fehlern“ sprach, die „sehr gravierend“ seien. In der Landeshauptstadt immerhin ist das Schuldbewusstsein zu spüren.
Die Personalratswahlen, die in allen Behörden des Landes und auch in den Schulen 2020 stattgefunden haben, entscheiden über die Zusammensetzung der Mitarbeitervertretung – in jeder Schule, im Kultusministerium und auch auf Bezirksebene, wo bisher die vier Landesschulbehörden (Osnabrück, Lüneburg, Hannover und Braunschweig) agiert haben, künftig sind es regionale Schulämter. Bei allen wichtigen Entscheidungen der jeweiligen Ebene wirken die Personalräte mit, werden beteiligt und können zur Not auch Vorgänge beschleunigen oder abbremsen, wenn es um Personal- und Organisationsfragen geht. Seit vielen Jahren stehen sich, grob gesagt, zwei Lager gegenüber – auf der einen Seite die zum DGB gehörende Gewerkschaft GEW, die seit jeher in den Schulpersonalräten dominant ist, auf der anderen die Organisationen des Beamtenbundes, also etwa der Philologenverband oder auch der VLWN. Wie Glauser berichtet, ist in seinem Bereich, dem SBPR in Osnabrück, die Stimmung immer schon angespannt gewesen. Vor vier Jahren hatte der Wahlvorstand, bestehend nur aus GEW-Mitgliedern, an einem Montag das am vorausgegangenen Freitag mitgeteilte Ergebnis korrigiert – es seien 2000 Stimmen versehentlich doppelt gezählt worden, teilten sie damals lapidar mit. Glauser wollte es 2016 genauer wissen und Einblick in die Listen nehmen, das wurde ihm aber verweigert. Er ging vor Gericht, zog später dann die Klage aber zurück. „Das war ein Fehler“, sagt er heute und begründet sein damaliges Verhalten mit Loyalität: „Wir wollten damals nicht riskieren, dass die gesamte Wahl wiederholt werden muss, da der Philologenverband im ersten Durchgang überraschend gut abgeschnitten hatte.“
Vor vier Jahren meinte Glauser, nun seien die GEW-Vertreter im SBPR ausreichend sensibilisiert und würden die nächste Wahl mit mehr Sorgfalt angehen. „Doch das war nicht so“, sagt der VLWN-Vertreter heute. Er listet erneut mehrere schwere Versäumnisse auf, die jetzt, bei der SBPR-Wahl 2020, aufgefallen sind – wieder unter einem Wahlvorstand, der nur aus GEW-Mitgliedern bestand:
Einzelbewerber zugelassen: Für die Wahl wurde ein Einzelbewerber zugelassen, was eigentlich nur ausnahmsweise bei spezieller Begründung erlaubt wäre. Doch die Begründung fehlte. Das Verwaltungsgericht Osnabrück urteilte: Wären die 222 Stimmen, die dieser Einzelbewerber erhielt, dem Philologenverband gegeben worden, so hätte dieser im Personalrat einen Sitz mehr gehabt.
Wahlprotokolle nicht angefordert: Die Auszählung für die SBPR-Wahlen läuft so, dass aus allen Schulen die Protokolle der dortigen Wahlen eingesammelt und dann die Stimmen addiert werden. Das Verwaltungsgericht nannte es „eklatant rechtswidrig“, dass die Protokolle oft nicht angefordert wurden, manchmal gar nicht existierten. Die Meldebögen aus den einzelnen Schulen seien unterschiedlich zustande gekommen – teilweise sind sie gefaxt worden, dann wieder hätten Faxgeräte versagt und der Wahlvorstand telefonierte die Ergebnisse zusammen. Es herrschte ein Durcheinander.
Fristen unklar und verwirrend: Der Wahlvorstand soll die Schulen im Unklaren gelassen haben, wann und wie sie die Ergebnisse an den Wahlvorstand melden müssen. Einige Meldebögen seien erst nach Ende der Auszählung ausgedruckt und nicht mehr berücksichtigt worden, obwohl sie vorher schon geschickt worden waren. Wieder andere Meldebögen, die eindeutig verspätet eingingen, seien doch noch gewertet worden.
Keine öffentliche Auszählung: Der Wahlvorstand gab nicht allgemein bekannt, wo die Auszählung sein würde und für wann genau sie vorgesehen war. Glauser wollte am Freitag um 13.45 Uhr dabei sein, doch der Raum sei verschlossen gewesen, sagt er. Der Wahlvorstand habe inzwischen die Wahlhelfer in den Feierabend geschickt, sei in einen anderen Raum im Erdgeschoss umgezogen und habe dort die Korrekturen vollzogen, ohne über den Raumwechsel allgemein zu informieren. Der Wahlvorstand sei dort unter sich geblieben.
Schulen wurden vergessen: Das erste, am 16. März 2020 festgestellte Wahlergebnis kam einer Kandidatin seltsam vor, ihr fehlten 16 Stimmen für einen Erfolg – und festgestellt wurde dann, dass in der Ergebnisermittlung die Angaben aus vier Schulen gefehlt hatten. Also hatte sich der Wahlvorstand bereits zur Neuauszählung entschlossen, bevor der ganze Fall später dann vor dem Verwaltungsgericht landete. Niedersachsens GEW-Sprecher Christian Hoffmann erklärte auf Rundblick-Anfrage, der Landesverband der Gewerkschaft halte die Vorgänge für „schwerwiegend“ – zumal sie unter Leitung eines erfahrenen Personalratsvertreters geschehen seien. Gleichwohl werbe die GEW dafür, die Wahlordnung zu vereinfachen – sie sei eben „sehr komplex“. Eine Wiederholung der SBPR-Wahl in Osnabrück läuft am 27. und 28. Januar.