28. Juli 2025 · 
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Bücher-Podcast: Femmes fatales, verlorene Männer und die faulste Form von Liebe

Bücher-Podcast: Kein klassischer Krimi, sondern ein literarisches Rätselspiel – Jakob Noltes Hannover-Roman spielt mit Noir-Elementen, Feminismus und viel Theater.

Was ist das eigentlich? Ein Krimi? Ein Manifest? Ein Theaterskript? Jakob Noltes Roman „Die Frau mit den vier Armen“ lässt sich kaum greifen – und das ist vielleicht gerade sein Trick. Beworben wird das 2024 erschienene Buch als „Niedersachsen-Noir“, wobei schon die Genrebezeichnung so schillernd ist wie die Figuren selbst. Die Uraufführung der Bühnenfassung im Oktober im Schauspiel Hannover dürfte deshalb auch ein Heimspiel der besonderen Art werden.

Christian Wilhelm Link und Anne Beelte-Altwig sprechen im Podcast über das Buch "Die Frau mit den vier Armen". | Foto: Lada, Suhrkamp, Montage: RB

Der Autor, geboren am Deister, lebt inzwischen in Berlin – und bringt von dort eine Vorliebe für den sogenannten „fantastischen Realismus“ mit. Das Hannover, das er beschreibt, hat wenig mit den Bildern aus Reiseführern zu tun. Statt Sehenswürdigkeiten und Stadtschönheit gibt es schräge Figuren, düstere Schauplätze und gesellschaftliche Bruchlinien. Zwischen Limmerstraße und Ihme-Zentrum entfaltet sich eine Kulisse, in der weniger die Stadt als solche, sondern vielmehr das Unbehagen der Gegenwart ins Zentrum rückt.

Die Handlung? Eine Kommissarin stolpert gleich zweimal über Leichen – beide Male direkt in ihrer Nachbarschaft. Die Ermittlungsarbeit rückt schnell in den Hintergrund. Statt klassischer Krimispannung entwickelt sich ein intellektuelles Rätselspiel, durchzogen von Anspielungen auf Filme, Musik und Literatur. Die Gespräche wirken oft wie Theaterproben, die Schauplätze wie Kulissen. Wer klare Strukturen und falsche Fährten erwartet, wird eher ratlos zurückgelassen.

Dabei ist das Buch keineswegs oberflächlich. Im Gegenteil: Es verhandelt viele der drängenden Themen der Gegenwart – von Einsamkeit über Geschlechterverhältnisse bis hin zur Frage, wie viel Vertrauen wir noch in staatliche Strukturen haben. Die titelgebende Mörderin erscheint erst spät, hinterlässt aber bleibenden Eindruck. Ihre Gedanken wirken wie ein gesellschaftspolitisches Manifest – mal provozierend, mal entlarvend, nie bequem.

Und trotzdem ist „Die Frau mit den vier Armen“ kein typischer Regionalkrimi. Zwar spielen vertraute Orte wie das Ihme-Zentrum, der Kröpcke oder eine Handvoll Lindener Kneipen eine Rolle, doch sie bleiben eher symbolische Kulisse als lebendiger Schauplatz. Noltes Hannover ist kein Ort der Heimatgefühle, sondern eine Bühne für Brüche, Zweifel und Zwischenräume – mal lakonisch beobachtet, mal leicht überzeichnet.

Was daraus entsteht, ist kein klassischer Roman, aber auch kein reines Experiment. Es ist ein vielschichtiges, sprachlich raffiniertes Buch, das sich gängigen Erzählmustern entzieht – und vielleicht gerade deshalb Lust macht, es sich auf der Theaterbühne noch einmal anders zu erschließen.

Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link
Anne Beelte-Altwig
AutorinAnne Beelte-Altwig

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