31. Juli 2025 · 
MeldungBildung

Brauchen Gymnasien mehr Schulsozialarbeiter?

Elternräte an Gymnasien fördern mehr Schulsozialarbeiter für ihre Schulform. Die rot-grüne Landesregierung freut das Signal: Der Wert sozialer Arbeit wird anerkannt.

Elternräte im Kreis Cloppenburg wenden sich mit einer Online-Petition an die Landesregierung und fordern mehr Sozialarbeiter auch für Gymnasien – wir berichteten. Wie reagiert Niedersachsens Landespolitik auf diese Forderung? Im Kultusministerium sowie in den regierungstragenden Fraktionen von SPD und Grünen erkennt man im Engagement der Elternräte vor allem einen Stimmungswandel: Schulsozialarbeit wird inzwischen wertgeschätzt und als Bereicherung empfunden. Das war insbesondere an den Gymnasien – vorsichtig formuliert – noch nicht immer so.

„Wir nehmen die Sorgen der Elternräte der Gymnasien ernst“, sagt die Grünen-Bildungspolitikerin Lena Nzume auf Rundblick-Anfrage. „Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren in allen Schulformen so viele zusätzliche Stellen in der Schulsozialarbeit und in multiprofessionellen Teams geschaffen wie keine Regierung zuvor – allein 250 zusätzliche Vollzeitstellen in den vergangenen beiden Haushalten sowie weitere 100 Vollzeitstellen, die nun folgen sollen.“ Damit werde auch der Aufwuchs der Schulsozialarbeit konsequent gestärkt, sagt Nzume. Dass Gymnasien unterdurchschnittlich gut mit Schulsozialarbeitern versorgt sind, führt sie auf den geringeren Bedarf zurück. Es gebe Schulen, an denen die sozialen Bedingungen und Herausforderungen etwa durch Armut, Inklusion oder Migration deutlich größer seien als an anderen. „Trotzdem erleben wir überall zunehmende Herausforderungen – und genau deshalb ist es richtig, dass wir überall in den Ausbau von Unterstützung investieren.“

Auch die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kirsikka Lansmann, zeigt großes Verständnis für den Wunsch vieler Eltern nach mehr Schulsozialarbeit. „Dieses Engagement macht deutlich, dass schulische Unterstützung längst nicht mehr nur auf guten Fachunterricht reduziert wird, sondern das gesamte Lernumfeld umfasst. Unser Ziel bleibt weiterhin, dass künftig an jeder Schule, ungeachtet der Schulform, sozialpädagogisches Personal verfügbar ist. Daran arbeiten wir.“ Doch die vorhandenen Ressourcen müssten zielgerichtet eingesetzt werden, mahnt sie. „Die Bedarfe an Schulsozialarbeit können – je nach Schulform und sozialer Ausgangslage – sehr unterschiedlich sein.“ Das bedeute nicht, dass Schulsozialarbeit an Gymnasien weniger wichtig ist, betont Lansmann. „Aber eine gerechte Verteilung der begrenzten Mittel orientiert sich am jeweiligen Bedarf vor Ort – nicht ausschließlich an der Schulform, sondern an den konkreten Herausforderungen der Schulen. Unser langfristiges Ziel bleibt ohne Frage eine auskömmliche Schulsozialarbeit an allen niedersächsischen Schulen.“

Die oppositionelle CDU-Fraktion schließt sich der Forderung der Elternräte der Gymnasien an. „Die Forderung der Elternräte an niedersächsischen Gymnasien nach einer flächendeckenden und verlässlichen Schulsozialarbeit unterstützen wir“, sagt CDU-Bildungspolitiker Christian Fühner und fordert die Landesregierung auf, den Stufenplan zum Ausbau der Schulsozialarbeit wieder aufzunehmen und gemachte Zusagen einzuhalten. Fühner erinnert an die Vereinbarung zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden aus 2016, die Schulsozialarbeit in die Landesverantwortung zu übernehmen und entsprechend bedarfsgerecht auszubauen. „Dieses Versprechen wird von Kultusministerin Hamburg wissentlich ignoriert und ausgesessen“, kritisiert der CDU-Politiker.

Wie das niedersächsische Kultusministerium auf Rundblick-Anfrage erklärte, seien mittlerweile fast alle weiterführenden Schulen landesseitig mit Schulsozialarbeitern ausgestattet. Eine Ausnahme bildeten tatsächlich die Gymnasien. „Landesweit verfügt rund die Hälfte der Gymnasien über Fachkräfte für soziale Arbeit in schulischer Verantwortung“, erklärt Ministeriumssprecherin Britta Lüers. 600 Schulsozialarbeiter seien an Grundschulen eingesetzt und alle öffentlichen Berufsschulen verfügten über sozialpädagogisches Fachpersonal. Die Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden aus dem Jahr 2016 sieht das Kultusministerium derweil sogar übererfüllt. Seit 2019 sei die Schulsozialarbeit in Niedersachsen sukzessive auf 375 Vollzeiteinheiten ausgeweitet worden. Vereinbart hatte man ursprünglich einen Aufwuchs um 200 Vollzeiteinheiten von 2019 bis 2021. An der Stoßrichtung möchte man festhalten: „Perspektivisch soll jede Schule multiprofessionell mit Fachkräften und Schulsozialarbeit ausgestattet werden“, erklärt Lüers. „Dies kann jedoch nur dann umgesetzt werden, wenn zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen. Aktuell ist im Rahmen des Startchancen-Programms geplant, die Soziale Arbeit in schulischer Verantwortung weiter auszubauen.“

Für die AfD-Fraktion sind fehlende Sozialarbeiter nur Symptom eines größeren Problems. Harm Rykena findet die Forderung der Elternräte aus deren Sicht zwar verständlich. Insgesamt sieht er darin aber „eine Bankrotterklärung für die rot-grüne Schulpolitik und die direkte Folge der Bestrebungen, das gegliederte Schulsystem mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium durch die gleichgeschaltete Einheitsschule zu ersetzen.“ Rykena meint, dass durch den Trend zu Ober- und Gesamtschule das Niveau sinke und immer mehr Eltern ihre Kinder an Gymnasien unterbringen wollen. Daraus ergebe sich der Mehrbedarf an Sozialarbeitern für die Gymnasien. „Nun aber gibt es nicht genug Sozialarbeiter, um diesen Mehrbedarf zu decken“, sagt Rykena und stellt sich gegen die Forderung, alle Gymnasien besser mit Sozialarbeitern auszustatten. „Statt sie nach dem Gießkannenprinzip auf Gymnasien zu verteilen, wäre es sinnvoller, sie an Brennpunktschulen einzusetzen, wo sie auch dringend benötigt werden.“

Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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