12. Okt. 2016 · 
Finanzen

Verliert Niedersachsen seine Landesbehörden für Straßenbau?

Die Signale stehen auf Verständigung: Wenn die Ministerpräsidenten heute zusammenkommen, um bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen endlich die Kuh vom Eis zu bringen, sind die Erwartungen groß. Viele Beobachter rechnen mit einem Durchbruch. Die hauptsächlich davon Betroffenen könnten überraschenderweise die Beschäftigten der bisherigen Landesbehörden für Straßenbau und -unterhaltung sein. Der Bund möchte die Zuständigkeit zumindest für die Planung von Autobahnen nämlich gern selbst übernehmen – und, wie es heißt, die Mehrheit der Ministerpräsidenten steht dem wohl auch aufgeschlossen gegenüber. Nur Stephan Weil (SPD) und Horst Seehofer (CSU) zögern angeblich. „Es ist sowohl für Donnerstag als auch für Freitag ein Gespräch zwischen Ministerpräsidenten und Kanzlerin eingeplant“, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen am Mittwoch. Für die Reform des Länderfinanzausgleichs, der 2019 ausläuft, sei es nun höchste Zeit – denn die Vorboten des Bundestagswahlkampfes könnten in den kommenden Monaten eine Einigung eher erschweren. [caption id="attachment_12273" align="aligncenter" width="780"]Egal, wer baut: Hauptsache kein Stau - Foto: Jakob Brüning Plant, baut und betreibt bald eine Bundesbehörde die Autobahnen?  - Foto: Jakob Brüning[/caption] Bisher ist der Länderfinanzausgleich von der Hilfe der reichen Länder für die armen geprägt: In einer ersten Stufe, bei der die Umsatzsteuereinnahmen nach Einwohnern aufgeteilt werden, geschieht das zu einem 15prozentigen Anteil mit einem Bonus für die finanzschwachen Länder. Das sind etwa acht Milliarden Euro jährlich. In einer zweiten Stufe geben die reichen Länder (vor allem Bayern, Baden-Württemberg und Hessen) Geld für die armen – das sind rund 8,5 Milliarden Euro jährlich. Die Ministerpräsidenten haben Ende 2015 einstimmig ein neues Modell beschlossen: Das komplizierte System soll vereinfacht werden, die reichen Länder sollen nicht mehr zahlen – sondern allein der Bund, der bisher nur beteiligt ist, aber nicht Hauptfinanzier. Er soll statt der von Schäuble bereits angebotenen 8,5 Milliarden Euro jährlich künftig nun 9,7 Milliarden zahlen. Der Bundesfinanzminister reagierte aus zwei Gründen reserviert auf den Vorschlag: Wenn die Länder sich zurückziehen, hätte erstens  allein der Bund die Verantwortung für die Unterstützung finanzschwacher Länder – und das könnte sich in acht oder zehn Jahren als sehr teure Aufgabe erweisen, die der Bund dann allein tragen müsste. Die reichen Länder seien doch aber mitverantwortlich für die Solidarität.  Zweitens würde der Bund nur dann einen höheren Betrag für die schwachen Länder ausgeben wollen, wenn alle Länder im Gegenzug mehr Eingriffe des Bundes in ihre eigenen Kompetenzen tolerieren würden. Dort zögern die Länder allerdings noch. Hinter den Kulissen wird über mehrere Themen gerungen – etwa eine Änderung des Grundgesetzes mit dem Ziel, dem Bund direkte Zuschüsse an die Kommunen (etwa zur Schulsanierung) oder an die Hochschulen zu erlauben. Schäuble hat Anfang Oktober auch von einem „Weisungsrecht des Bundes“ gesprochen, etwa in der Steuerverwaltung, oder auch von einer „Regionalisierung der Sozialgesetzgebung“ – also der möglichen Einführung niedrigerer Standards in einzelnen Ländern. Der Aufschrei des Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske kam prompt, tatsächlich dürfte es sich bei der Idee zur Aufweichung von Sozialstandards um eine Nebelkerze  handeln. Realistisch wäre aber eine Stärkung der Bundeskompetenz in der Straßenbauverwaltung, die allerdings auch nicht ohne eine Reform des Grundgesetzes machbar wäre. Bisher planen, bauen und betreuen Landesbehörden die Autobahnen und Bundesstraßen  im Auftrag des Bundes. Viele Landesämter sind aber personell ausgedünnt, das gilt jedoch weniger für die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLSV) mit ihren rund 3200 Mitarbeitern. Der Bund beklagt seit langem, dass viele Länder die nötigen Straßen- und Autobahnneubauten zu langsam planen. Im Fall einer Reform würde aus allen Landesbehörden der Teil ausgegliedert und einer neuen Bundesbehörde zugeordnet werden, der Autobahnen plant, baut und betreibt. Wie es aus Regierungskreisen heißt, will der Bundeswirtschaftsminister diese Bundesbehörde sogar ausweiten auf die Bundesstraßen, während der Bundesverkehrsminister hier noch zurückhaltend ist. Kritiker der Neuregelung befürchten, die Übertragung der Kompetenz auf den Bund könnte dazu führen, dass verstärkt private Investoren am Bau von Autobahnen beteiligt werden. Außerdem sind einige Länder-Verkehrspolitiker in Sorge, bei einer Übertragung der Zuständigkeit von den Ländern auf den Bund könnten sie in der Verkehrspolitik weniger mitbestimmen.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #184.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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