Der türkische Journalist und Dissident Can Dündar rät den niedersächsischen Behörden, Wahlkampfveranstaltungen des türkischen Regimes auch in Niedersachsen zuzulassen. In knapp zwei Monaten will sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei vorgezogenen Wahlen im Amt bestätigen lassen. Noch ist unklar, ob er und seine Vertrauten auch dieses Mal in Deutschland Wahlkampfauftritte abhalten wollen, um die hier lebenden Türken von sich zu überzeugen. Im Vorfeld des Referendums im vergangenen Jahr hatten Mitglieder der Regierungspartei AKP auch Auftritte in Niedersachsen geplant, Hannover und Nordenham sagten die Veranstaltungen jedoch ab. Dem Vizechef der AKP untersagte das niedersächsische Innenministerium sogar sämtliche politische Aktionen.

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Dündar hält diese Entscheidungen für falsch. „Erdoğan ist ein Diktator. Aber daraus, dass er in der Türkei keine Demonstrationen zulässt, darf nicht folgen, dass auch Deutschland Demonstrationen verbietet.“ sagte er bei einem Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick in Hannover. „Wir sind nicht wie er, wir sind keine totalitär denkenden Menschen, sondern Demokraten.“ Und diese müssten an ihrem Prinzip der gleichen Rechte für alle festhalten. Allerdings müsse die Regierung Erdoğan und seinen Mitstreitern klarmachen, dass sie ihr Kundgebungsrecht nicht für Polarisierung und Hassreden gegen andere missbrauchen dürften.

Can Dündar bei einer Veranstaltung in Hannover. Foto: Evangelische Akademie Loccum

Dündar lebt in Berlin im Exil, nachdem ein türkisches Gericht ihn im Mai 2016 wegen Geheimnisverrats zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt hatte. Dündar war Chefredakteur der Tageszeitung „Cumhuriyet“ gewesen und hatte in der Zeitung illegale Waffenlieferungen der Türkei an Syrien öffentlich gemacht. Daraufhin war er festgenommen worden und hatte mehrere Monate im Gefängnis gesessen. Im Prozess war der Vorwurf der Spionage fallengelassen worden, allerdings fiel ein Urteil wegen Geheimnisverrats und Beleidigung des Präsidenten. Die türkische Regierung rüstet in diesen Tagen allerdings wieder gegen den Journalisten. Das höchste Berufungsgericht der Türkei hatte im März entschieden, dass das gefällte Urteil zu milde ausgefallen und Dündar auch wegen Spionage verurteilt werden müsse. Das Gericht erließ Haftbefehl und forderte vom Justizministerium, Dündar mithilfe der internationalen Polizeiorganisation Interpol aufzuspüren und festzunehmen. Einer solchen „Red Notice“ müssen die Interpol-Mitgliedstaaten allerdings nicht folgen, deshalb wird die deutsche Regierung sich bald im Fall Dündar positionieren müssen.

Das Ende der Herrschaft Erdoğans?

Der Journalist selbst gibt sich gelassen.  „Ich habe Erdoğans kriminelle Aktivitäten öffentlich gemacht, natürlich will die Regierung mich lebenslänglich im Gefängnis sehen.“ In der Reaktion der türkischen Justiz erkenne er keine Absicht zur Gerechtigkeit, sondern Panik. „Es geht nur um Rache.“ Auch den vorgezogenen Wahltermin deutet Dündar als Zeichen, dass der türkische Präsident in einer unsicheren Situation steckt und das Ende seiner Herrschaft bevorstehen könnte. „Seine Position und die Situation des Landes verschlechtern sich immer weiter.“ Das Referendum im vergangenen Jahr sei ein Beleg dafür, auf welch tönernen Füßen Erdoğans Herrschaft stehe. „Nur knapp über 50 Prozent haben für die Ausweitung seiner Rechte gestimmt, aber fast 50 Prozent dagegen“, sagt Dündar. „Daran hat sich nichts geändert, auch jetzt kämpft das halbe Land gegen ihn.“ Daraus ziehe Dündar seine Hoffnung auf ein baldiges Ende des Regimes. „Mit ein bisschen Glück kann ich in zwei Monaten in mein Land zurückkehren.“

Es ist leicht, Menschen zu manipulieren

Dass Erdoğan und sein Regime nach wie vor Unterstützer wie etwa den ehemaligen, niedersächsischen Landtagsabgeordneten Mustafa Erkan gewinnen, beunruhigt Dündar nicht. „In Deutschland wissen Sie doch gut, wie leicht es sein kann, Menschen zu manipulieren.“ Ignoranz und Dummheit seien die Hauptfeinde der Türkei und solange diese existierten, gelänge es auch, Menschen für die falsche Sache zu motivieren. Erkan, der von der SPD nicht mehr zur Landtagswahl aufgestellt worden war, hatte im vergangenen Dezember bekannt gegeben, dass er künftig für den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu als Berater arbeiten werde. Er wolle die türkische Regierung unterstützen, denn Erdoğan habe die Türkei demokratisch gemacht, erklärte Erkan zur Begründung seiner Entscheidung.