Tierschutz-Fragen werden zum Streitthema bei der Reform des Landes-Jagdgesetzes
Niedersachsens Landesregierung plant nur zwei Jahre nach der jüngsten Novelle eine erneute Überarbeitung des Landes-Jagdgesetzes. Die Koalition aus SPD und Grünen hatte sich auf diesen Schritt bereits in den Koalitionsverhandlungen 2022 verständigt – also nur fünf Monate, nachdem damals mit großer Mehrheit vom Landesparlament erst ein neuer Gesetzestext beschlossen worden war. Im niedersächsischen Agrarministerium arbeitet das Team rund um Ministerin Miriam Staudte (Grüne) nun an den Details der Neufassung und scheint dabei einigen Gegenwind aus der Jägerschaft zu erfahren. Noch möchte sich die Regierung offiziell nicht zu weit aus der Deckung wagen. Ende August sind deshalb zunächst nur den zuständigen Fachpolitikern der Koalitionsfraktionen erste Eckpunkte vorgestellt worden. „Der Änderungsentwurf des niedersächsischen Jagdgesetzes soll insbesondere Tierschutz-Aspekte bei der Jagdausübung in den Vordergrund stellen sowie ökologische, wildbiologische und ethische Kriterien stärker berücksichtigen“, erklärte Ministerin Staudte daraufhin auf Rundblick-Anfrage und hielt sich damit exakt an die Zielbestimmung des rot-grünen Koalitionsvertrags. Staudte zeigt sich zudem davon überzeugt, dass die entsprechenden Veränderungen auch zu einer höheren Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft beitragen würden.

Die nun anstehenden Beratungen dürften insbesondere ein gesellschaftliches Streitthema aus dem Jahr 2022 erneut befeuern. Damals wurde bereits zwischen Jägern und Tierschützern intensiv über die Frage diskutiert, ob von Jägern auf streunende Hunde und Katzen geschossen werden darf. Die damalige SPD-CDU-Koalition hatte sich nach langen Debatten darauf verständigt, den Abschuss von Streunerkatzen, die mehr als 300 Meter von Wohnsiedlungen angetroffen werden, auch weiterhin zu erlauben. Für streunende und wildernde Hunde wurde festgelegt, dass die Tiere bei der unteren Naturschutzbehörde angezeigt werden müssten. Offenbar plant Niedersachsens rot-grüne Landesregierung nun, auch den Abschuss von Streunerkatzen aus dem Jagdgesetz zu streichen. Nach Informationen, die das Politikjournal Rundblick aus dem Agrarministerium erhalten hat, ist das Verbot des Abschusses von Katzen und Hunden einer der wesentlichen Eckpunkte der Gesetzesreform. Karin Logemann, agrarpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, bestätigt im Rundblick-Gespräch, dass der Austausch zu dieser Frage aufgenommen wurde. Man befinde sich aktuell in einer Findungsphase, sagt Logemann und spricht sich für eine „differenzierte Betrachtung“ der Katzen-Problematik aus. Die Sozialdemokratin betont: Die hier in Frage stehenden Katzen seien keine Hauskatzen, sondern verwilderte Katzen, die kaum einzufangen seien. Außerdem ist ihr dieser Satz wichtig: „Tierschutz ist nicht teilbar.“ Damit will die Agrarpolitikerin zum Ausdruck bringen, dass auch der Schutz von Bodenbrütern vor ebenjenen Streunerkatzen in die Tierschutz-Abwägung mit einbezogen werden müsse.
Zu den weiteren Eckpunkten Staudtes zählen nach Auskunft des Ministeriums ein Verbot von sogenannten Totschlagfallen sowie ein Verbot vom Einsatz lebender Tiere bei der Ausbildung von Jagdhunden. Vor knapp zwei Wochen hat es laut Rundblick-Informationen den ersten Austausch zwischen Jagdverbänden und Agrarministerium zu diesen Fragen gegeben. Die Gespräche wurden allerdings erst auf Druck der Verbände in die Wege geleitet. Jägerschaft-Präsident Helmut Dammann-Tamke, bis 2022 CDU-Landtagsabgeordneter, konnte sich dabei auf den Wortlaut des Koalitionsvertrags berufen, laut welchem eine Überarbeitung des Jagdrechtes nur in Abstimmung mit den Fachverbänden vonstattengehen sollte. Nach eigenen Angaben hatte Dammann-Tamke die Agrarministerin deshalb bereits vor über einem Jahr dazu eingeladen, sich etwa die in Rede stehende Jagdhund-Ausbildung persönlich anzusehen. Zu einem solchen Termin soll es aber bislang nicht gekommen sein.
Kritisiert wird von Tierschützern an der aktuellen Praxis, dass dabei Enten vorübergehend flugunfähig gemacht werden, damit Jagdhunde lernen können, diese im Wasser aufzuspüren. Dammann-Tamke erläuterte im Rundblick-Gespräch, dass der aktuelle Kompromiss vorsieht, pro Hund nur drei Enten für diese Form der Ausbildung zu verwenden. Außerdem nutze man Pappmanschetten, um die Tiere am Wegfliegen zu hindern. Federn reiße man den Enten schon lange nicht mehr aus. Die Pappmanschetten würden sich mit der Zeit im Wasser auflösen und die Enten wieder befreien, sollte der Hund sie nicht aufspüren können. Es gehe bei dieser Art der Ausbildung also auch um Aspekte des Tierschutzes. Um beiderseitigen Schutz geht es auch bei der Jagdhund-Ausbildung am Saugatter, bei der zu forsche und zu ängstliche Hunde aussortiert werden sollen. Den Jagdhunden den richtigen Umgang mit Wildschweinen beizubringen, sei für Niedersachsen wichtig im Hinblick auf die Ausbreitung der „afrikanischen Schweinepest“ (ASP), sagt Dammann-Tamke. Ein weiterer Streitpunkt soll außerdem die Verwendung von Schliefenanlagen sein, bei denen Jagdhunde lebenden Füchsen in einem nachgebauten Fuchsbau nachjagen. Dabei werden die Tiere zwar voneinander getrennt, doch für die Füchse stellt diese Form der Jagdhund-Ausbildung aus Tierschutzsicht eine unnötige Stresssituation dar. Dammann-Tamke berichtet von Projekten der Tierärztlichen Hochschule, die eine vermeintliche Stressbelastung überprüfen soll.
Dieser Artikel erschien am 08.10.2024 in der Ausgabe #174.
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