Thümler: Wir leisten einen Beitrag, dass der Bürgerkrieg in Ruanda nicht vergessen wird
2019 jährt sich eines der schlimmsten Kapitel der Menschheit zum 25. Mal. Beim Bürgerkrieg in Ruanda
wurden zwischen April und Juli 1994 bis zu eine Million Menschen auf grausame Art und Weise ermordet,
es waren Angriffe der Hutu-Mehrheit gegen die Tutsi-Minderheit. Seit Jahren schon wirken deutsche
Rechtsmediziner und Archäologen an der Aufarbeitung der Geschehnisse mit, es geht vor allem darum, die
Skelette der Toten zu reinigen und sie – als Mahnung und zum Gedenken – an einem würdevollen Ort
aufzubewahren. Daran beteiligen sich Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege.
Gestern hat der ruandische Botschafter in Deutschland, Igor Cesar, das Landesamt besucht. Bei der
Gelegenheit versprach Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU), die Unterstützung der Arbeit
fortzusetzen – und die ruandischen Behörden und Dienststellen weiter nachhaltig zu fördern.
Der Völkermord in Ruanda an der Tutsi-Minderheit dauerte rund 100 Tage und hatte eine gewaltige
Opferzahl. Nach Ansicht des Leiters der Rechtsmedizin des Hamburger Universitätsklinikums Eppendorf
(UKE), Klaus Püschel, ist dieses Ereignis „der schlimmste Genozid aller Zeiten“, zumal in den anschließenden
Kongo-Kriegen noch einmal hunderttausende Menschen getötet worden seien. Inzwischen herrsche in
Ruanda eine Regierung, die an der Aufarbeitung interessiert ist – und Konflikte würden auf friedliche Weise
gelöst. Flüchtlinge aus Afrika gebe es derzeit viele, aus Ruanda allerdings wollen die Menschen nicht weg.
Das Land sei stabil und habe einen gewissen Wohlstand, die Politiker leisteten gute Arbeit und der
Frauenanteil im Parlament sei hoch. Püschel bedauert allerdings, dass die Bundesregierung bisher wenig
Interesse für die Unterstützung deutscher Rechtsmediziner und Archäologen in Ruanda zeige. „Ich hatte
auch in Berlin versucht, einen Antrag auf Förderung einzureichen. Noch bevor ich ihn abgegeben hatte,
kam schon das Signal, dass er abgelehnt werden würde“, berichtet der UKE-Professor.
Die Zusammenarbeit zwischen dem niedersächsischen Landesamt, UKE und den ruandischen Behörden
bezieht sich vor allem auf den Ort Murambi 160 Kilometer südlich der Hauptstadt Kigali, wo 1994 eine noch
recht neue Schule stand. Man habe damals den Kindern den Hinweis gegeben, sie sollten sich in das
Gebäude zurückziehen, dort seien sie sicher. Das Gegenteil sei aber der Fall gewesen, die Huti-Milizen
hatten das Gebäude umstellt und dann 50.000 in der Schule sich aufhaltende Kinder ermordet. Die Opfer
wurden zunächst in Massengräbern verscharrt und erst später wieder geborgen. Püschel erläutert, die
gerichtsmedizinischen Befunde seiner Mitarbeiter in Uganda hätten teilweise dazu geführt, dass Straftäter
überführt und anschließend verurteilt wurden. Hauptsächlich gehe es jetzt aber darum, die Überreste der
Toten von 1994 zu reinigen, Knochen zusammen zu führen, die Skelette zu konservieren und in einer
Gedenkstätte einen angemessenen Platz dafür zu finden. Nach Ende des Völkermords war in Ruanda der
Wunsch geäußert worden, die Genozidopfer als „stumme Zeugen“ das Grauens zu erhalten. „Es geht
darum, den Ermordeten ihre Würde wieder zu geben“, erklärt Minister Thümler und lobt den Umgang mit
der Vergangenheit in Ruanda – „das ist Gedenken und gleichzeitig Versöhnung“.
Der ruandische Botschafter in Deutschland, Igor Cesar, erläuterte die Lage seines Landes: „Wir hatten
zwei Möglichkeiten – das Geschehene zu verdrängen oder es aufzuarbeiten. Wir haben uns für das
Aufarbeiten entschieden.“ Wie langwierig es sei, Verständnis für die Situation zu wecken, zeige auch das
Verhalten der Staatengemeinschaft. Die UN habe erst vor wenigen Tagen, also 24 Jahre nach dem Ereignis,
in einer Feststellung die Tutsi als Opfer ausdrücklich erwähnt. Vorher sei das nicht möglich gewesen,
berichtet Cesar.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #37.