
Pferde sind keine Gegenstände, die man ausschreiben kann. Hier wurde bisher oft einfach per Handschlag verkauft.
Glücklicherweise ist das Gestüt nicht auf Auktionspferde angewiesen. Brockmann ist viel im Land unterwegs und kauft bei Hofbesichtigungen junge Fohlen an, die dann in der Aufzuchtstation Hunnesrück bei Hildesheim aufgezogen und ausgebildet werden. Anschließend werden sie für die Züchtung auf dem Landgestüt eingesetzt oder weiterverkauft. Teilweise zu ähnlich hohen Preisen wie bei den Auktionen.
Werden Pferde unter Wert verkauft?
Es kommt allerdings auch vor, dass sich Fohlen nicht so entwickeln, wie Brockmann es sich erhofft hat. Denn auch wenn Pferde rechtlich als Gebrauchsgegenstände gelten, so sind es in der Realität Tiere, die auch krank werden können. „Manche haben etwa eine Fehlstellung, die erst später entdeckt wird. Für die Zucht kommen die Tiere nicht mehr infrage“, sagt Brockmann. Dann versucht das Gestüt, die Tiere direkt weiterzuverkaufen, ohne noch mehr Geld und Zeit in die Ausbildung zu investieren. Viel bekommt man für diese Tiere jedoch nicht mehr. „Mit etwa 2000 Euro kann man für ein solches Pferd noch rechnen“, sagt Brockmann. Die Gewinnspanne ist also sehr groß. „Und der Landesrechnungshof hat deshalb angenommen, wir verkauften Pferde unter Wert.“ Um diese Verkaufspraxis transparenter zu machen und die Kritik des Rechnungshofs aufzunehmen, werden die untauglichen Pferde ab sofort ebenfalls versteigert. „Pferde sind keine Gegenstände, die man ausschreiben kann. Hier wurde bisher oft einfach per Handschlag verkauft“, sagt Christine Gade, Leiterin des Haushaltsreferats im Landwirtschaftsministerium. Bei einer Auktion dagegen lasse sich nachvollziehen, wie der Preis zustande gekommen ist. Allerdings werden seit Jahrzehnten immer weniger Pferde gebraucht. Landwirte spezialisieren sich, Pferde spielen bei den meisten deshalb keine Rolle mehr. Und auch im Freizeitbereich ist man dazu übergegangen, statt des eigenen Pferdes lieber eine Reitbeteiligung einzugehen. „Das spart Kosten und Zeit“, sagt Brockmann. Diese Entwicklung trifft das Landgestüt nicht nur beim Verkauf der Pferde, sondern auch im zweiten Wirtschaftszweig, der Besamung. Noch immer werden in Niedersachsen weltweit die meisten Zuchtpferde herangezogen, doch in den vergangenen 50 Jahren ist die Zahl der Bedeckungen um etwa 40 Prozent eingebrochen. Gab es früher noch rund 100 Deckstellen im Land, so sind es jetzt nur noch fünf ständige und 24 temporäre Deckstellen. Rund 4000 Mal werden Stuten derzeit pro Jahr mit Samen von den Hengsten des Landgestüts befruchtet, meist per künstlicher Befruchtung, selten durch natürliche Deckung.Landesrechnungshof: Deckstellen sind Verlustgeschäft
Aus Sicht des Landesrechnungshofes sind die Deckstellen deshalb ein Verlustgeschäft. Schließlich kann der Samen auch verschickt und vor Ort von einem Tierarzt eingesetzt werden. Doch aus Sicht von Brockmann wäre es fatal, die Deckstationen zu schließen. „Das Sozialleben der Pferdezuchtvereine findet an den Deckstationen statt. Unsere Mitarbeiter werben dort Züchter an, geben Rat zur Zucht und vermitteln Paarungen.“ Dieser Kontakt in der Fläche sei für das Landgestüt sehr wichtig. „Wenn wir die Deckstationen vor Ort schlössen, würden nicht nur viele Züchter in Ermangelung des Kontakts schließen, wir verlören auch Kunden“, sagt Brockmann. Das könne man an den realen Zahlen nach der Schließung der bisherigen Stationen sehen. 59 Prozent der Züchter, in deren Nähe eine Deckstation geschlossen wurde, wandten sich danach einer privaten Hengststation zu. Dem Landgestüt entgingen dadurch Einnahmen von 140.000 Euro, dem lediglich 23.000 Euro Einsparungen durch das nicht mehr benötigte Personal gegenüberstehen.
Früher hatten wir eine landwirtschaftlich geprägte Kundschaft, die unser Angebot kannte. Da hat es gereicht, einmal im Jahr einen Katalog herauszugeben.
Doch Personal wird eher mehr gebraucht als weniger. Aufgrund einer neuen Tierschutzleitlinie haben die Mitarbeiter 2009 die Stallungen umgebaut. Aus drei Boxen wurden zwei, dazu kamen 15 Koppeln, sogenannte Paddocks. „Den Erfolg der Maßnahmen hat man beim Tierwohl direkt gemerkt, die Pferde wurden ruhiger“, sagt Brockmann. Doch die Hengste müssen in die Paddocks gebracht, herumgeführt und später gesäubert werden. „Das bedeutet zusätzliche Arbeit.“ Zudem müsse das Landgestüt viel mehr Zeit in Öffentlichkeitsarbeit investieren. „Früher hatten wir eine landwirtschaftlich geprägte Kundschaft, die unser Angebot kannte. Da hat es gereicht, einmal im Jahr einen Katalog herauszugeben“, sagt Brockmann. Doch in der Konkurrenz zu privaten Züchtern und mit der Aufgabe, wieder mehr Menschen für Pferde und den Reitsport zu interessieren, muss das Gestüt auch im Internet und den Sozialen Medien präsent sein.
All dieser Mehraufwand, der natürlich Kosten verursacht, bildet sich aber im derzeitigen kameralen System nicht ab. Wie früher erfasst das Landgestüt lediglich Einnahmen und Ausgaben, nicht aber Kosten. Ende der achtziger Jahre und 2006 hatten jeweils ein externes Unternehmen und die Nord/LB dem Gestüt geraten, das kamerale Modell beizubehalten, denn für einen Landesbetrieb, der keinen Gewinn machen soll, sei der Aufwand für Kosten-Leistungsbilanzen zu hoch. Doch das wird sich nun ändern, denn künftig soll das Landgestüt keine stetig steigenden Zuschüsse mehr vom Land bekommen, sondern ein Budget. „Nun hat sich aber auch die Ausgangssituation geändert“, sagt Brockmann. Dennoch solle man angesichts der Lage in der Pferdezucht nicht davon ausgehen, dass die Budgetierung in naher Zukunft eine finanzielle Unterstützung des Landgestüts überflüssig macht. „Wenn man ein solches Vorzeigeunternehmen wie das Landgestüt weiterhin in Niedersachsen haben möchte, wird das nicht ohne Zuschüsse gehen“, sagt Brockmann.