Willkommen zum Politikjournal Ihres Vertrauens! Zumindest hoffe ich, dass wir Ihr Vertrauen genießen. Denn das ist nicht selbstverständlich und nicht jeder ist so optimistisch wie Sozialminister Andreas Philippi, wie es um das wechselseitige Vertrauen im Land bestellt ist. Das Gegenteil von Vertrauen ist bekanntlich Kontrolle oder, in zivilisierterer Form, Bürokratie. Nicht ohne Grund betonte Philippi in seiner Rede das Vertrauen so sehr, als er den – von den Kommunen als Bürokratiemonster geschmähten und nun entschärften – Entwurf des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) in den Landtag einbrachte.
Noch immer, ist Philippi überzeugt, vertrauen die Frauen darauf, dass der Staat den Gleichstellungsanspruch aus Artikel 3 des Grundgesetzes umsetzen kann und will. Auch wenn sie wie eh und je bei gleicher Qualifikation weniger verdienen, seltener in Führungspositionen aufrücken, öfter mit Sorgearbeit allein gelassen werden und öfter im Alter arm sind. Vertrauen, meint Philippi, können die kommunalen Arbeitgeber auch ruhig ihren Gleichstellungsbeauftragten, denn die seien Partnerinnen der Dienststellen – und wie in jeder Partnerschaft hat nicht nur eine Seite Schuld, wenn der Haussegen schief hängt.
„Der Gesetzentwurf zeugt nicht von Vertrauen“, konterte Sophie Ramdor von der CDU. Hätte die Regierung Vertrauen in die Kommunen und Sparkassen, müsste sie sie nicht mit zusätzlichen Vorschriften gängeln. Zwischen den frauenpolitischen Sprecherinnen von CDU und Grünen entspann sich eine interessante Kontroverse darüber, was zuerst da war – oder zuerst abgebaut werden sollte: die Benachteiligung im privaten Leben oder im Job? So lange Frauen keine Entlastung bei Kinderbetreuung und Pflege bekommen, nütze ihnen das Gesetz nichts, argumentierte Ramdor. „Strukturelle Benachteiligung hat direkte Folgen im Privaten“, entgegnete Tanja Meyer von den Grünen. Ein bisschen ketzerisch könnte man sagen: Neue Gleichstellungsbeauftragte sind wahrscheinlich leichter zu finden als neue Erzieherinnen (oder ein neuer Partner, der sich liebevoll um die betagte Schwiegermutter kümmert). Also fangen wir doch erstmal damit an. Aber ich gebe zu, das Problem ist komplexer.

Was das Verhältnis von Bürokratie und Vertrauen betrifft, sagte Hans Martin Wollenberg vom Marburger Bund einen klugen Satz: „Die Dosis macht das Gift.“ Als Psychiater weiß er, was Menschen brauchen, um psychisch stabil zu bleiben: Einen Sinn in dem, was sie tun. Viele Ärzte vermissen genau das in ihrem Job, wenn sie mehr als die Hälfte ihrer Zeit mit Verwaltungstätigkeiten verbringen. Für unsere Bürokratie-Serie habe ich Armin Saak in seiner Hausarztpraxis in Gifhorn besucht. Ich hatte ihn bei einer Podiumsdiskussion kennen gelernt und war beeindruckt, wie ausdauernd er nach Lösungen für die Probleme in seiner Branche sucht. Für das meiste von dem, was er tut, müsse man gar kein Arzt sein, argumentierte er. Deswegen ermöglicht er einer Mitarbeiterin in seiner Praxis ein Studium als „Physician Assistent“ (PA). „Macht die Türen im Gesundheitssystem auf und holt die Leute rein, die motiviert sind“, appelliert er. Damit die Absolventen in dem neuen Beruf demnächst auch Verantwortung übernehmen dürfen, braucht es aber vor allem eines: Vertrauen.
Wenn Sie Ideen haben, wie wir wieder mehr Vertrauen zueinander fassen, lassen Sie es uns wissen. Ganz unbürokratisch!
Ihre Anne Beelte-Altwig