Das Dutzend ist bereits voll. Bis Ende Februar haben Kriminelle zwölf Geldautomaten in Niedersachsen gesprengt, womit sich der Trend aus dem Rekordjahr 2022 mit insgesamt 68 Explosionen ungebrochen fortsetzt. „Keiner unserer 39 niedersächsischen Sparkassen ist es egal, wenn ihre Geldautomaten gesprengt werden“, betonte Präsident Thomas Mang gestern bei der Jahrespressekonferenz des Sparkassenverbands Niedersachsen. Doch alle 55.000 Geldautomaten in Deutschland in einem „Hau-Ruck-Verfahren“ gegen Sprengstoffanschläge zu ertüchtigen, sei allein schon aus organisatorischen Gründen nicht möglich.

Und die immer wieder als Vorbild angeführten Niederlande würden aufgrund ihrer begrenzten Anzahl von gerade mal 800 Geldausgabeautomaten nicht als Maßstab taugen. Allein die Sparkassen in Niedersachsen haben 2150 Automaten in Betrieb. Leider würden Gefährdungsanalysen bei der Auswahl der Standorte mit dem größten Nachrüstungsbedarf kaum helfen. „Wir haben auch Sprengungen an Orten gehabt, mit denen wir überhaupt nicht gerechnet haben“, sagt Mang. Er kritisiert in diesem Zusammenhang die „Fingerzeige“ aus der Politik, die den Geldinstituten die Verantwortung zuschieben. „Die Sparkassen sollen es richten, es handelt sich hier aber um Kriminalität“, ärgert sich der SVN-Chef. Außerdem macht er klar: „Niemand mehr als wir selbst hat ein Interesse daran, dass diese kriminellen Taten endlich ein Ende nehmen.“

Verbandsgeschäftsführer Guido Mönnecke rechnet vor, dass Kriminelle bei einer erfolgreichen Automatensprengung im Schnitt etwa 88.000 Euro erbeuten. „Der Gebäudeschaden dürfte etwa das Zehnfache ausmachen“, berichtet Mönnecke. Er weist auch darauf hin, dass die Verbrecher 2022 nur in 40 von 68 Fällen tatsächlich auch mit Bargeld fliehen konnten. „Die Kollateralschäden gibt es trotzdem.“ Mit den VGH Versicherungen stehe der Verband deswegen in einem dauerhaften Dialog. „Bisher ist der Versicherungsschutz überall gesichert, aber wir müssen da weiterhin präventiv tätig bleiben“, sagt Mönnecke. Der SVN-Geschäftsführer sieht zudem die Gefahr, dass Verbrecher auf bessere Sicherungsmaßnahmen mit noch größeren Sprengladungen reagieren könnten. „Wir müssen sehen, dass wir nicht in eine Spirale eintreten“, warnt er.
Dass die Kriminellen überhaupt so radikal vorgehen, sei ein recht junges Phänomen. „Wir kannten bis zum Jahr 2019 keine Anschläge mit Festsprengstoff auf niedersächsische Geldausgabeautomaten. Mit der Einleitung Gas in die Automaten ist es aber vorbei, es wird nun TNT eingesetzt“, sagt Mönnecke. Die Banken reagieren auf die neue Bedrohungslage unter anderem mit dem nächtlichen Verschluss von Selbstbedienungs-Foyers, mehr Videoüberwachung, neuen Einbruchmeldetechniken und Nebelsystemen, Einfärbesystemen und einer Reduktion des Geldbestands in den Automaten. „Wir halten uns an die Vereinbarungen, die dazu auf Bundesebene und mit dem niedersächsischen Innenministerium besprochen wurden“, betont Mang.
Jahrelang stieß die Sparkassen-Forderung nach einer langsamen Anhebung der Zinsen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) auf taube Ohren. „Und jetzt krempelt die EZB die Zinswelt nach einer jahrelangen Null- und Negativzinsphase binnen kürzester Zeit von links auf rechts. Dass das nicht gut ausgehen kann, haben wir vor 15 Jahren in den USA gesehen“, kritisiert der SVN-Präsident. Um die Auswirkungen auf die Kunden gering zu halten, federn die deutschen Banken und Sparkassen die abrupte Zinswende so gut es geht ab, sagt Mang. Dennoch würden sich in den Geschäftszahlen der niedersächsischen Sparkassen für 2022 schon erste „Anzeichen einer Zinsrückkehr“ bemerkbar machen. Im Kreditgeschäft knackten die Sparkassen zwar die 100-Milliarden-Euro-Marke. Der Anstieg fiel mit 6 Prozent aber deutlich geringer aus als in den Vorjahren und flachte in der zweiten Jahreshälfte merklich ab – vor allem bei den Immobilienkrediten für Privatkunden.

Um Wohnungsneubau und energetische Sanierung von Immobilien anzukurbeln, spricht sich der Sparkassenverband für eine gezielte Förderung des Bausparens aus. „Wenn Sie als Alleinstehender eine Wohnungsbauprämie von 70 Euro bekommen oder als verheiratetes Paar von 140 Euro, dann geht das an der heutigen Lebenswirklichkeit völlig vorbei“, stellt Mönnecke fest. Mang kritisiert zudem die zum 1. Februar eingeführten Kapital- und Systemrisikopuffer für Wohnimmobilien. Dadurch, dass die Banken hier größere Rücklagen bilden müssen, könnten sie insgesamt weniger Kredite anbieten. „Und eine Verknappung des Kreditangebots führt auch zu einer Verteuerung“, fügt der SVN-Präsident hinzu.
Trotz Rekordinflation sind auch die Einlagen der niedersächsischen Sparkassen um 3,3 Prozent gestiegen. „Früher haben wir sowas Angstsparen genannt. Das ist aber ein Begriff, den ich nicht so schätze“, meint Mang. Das Wort „Wohlstandsverlust“ spricht der SVN-Präsident dagegen gleich mehrfach aus. „Die Kunden müssen sich überlegen, was das Geld, das sie auf die hohe Kante gelegt haben, noch wert ist“, sagt der gelernte Diplom-Sparkassenbetriebswirt. Positiv bewertet er daher den andauernden Trend zu mehr Wertpapieranlagen in Niedersachsen (plus 12 Prozent) auch wenn der im Vergleich zum Vorjahr (plus 50 Prozent) nicht mehr ganz so stark gewachsen ist und nun bei 2,8 Milliarden Euro liegt. Das meiste Geld (77,8 Milliarden) parken die niedersächsischen Sparkassenkunden allerdings weiterhin auf ihren Giro- und Tagesgeldkonten. Das soll sich ändern. „Wir wollen mit unseren Kunden stärker ins Gespräch über sinnvolle Anlageformen kommen“, sagt Mang und meint damit Termingelder, langfristige Kapitalanlagen und Aktien. „Selbst bei einem Guthabenzins von 2,5 Prozent bleibt weiter eine negative Realverzinsung und ein Wohlstandsverlust. Deswegen setzen wir in der Anlagestrategie sehr stark auf Wertpapiere“, ergänzt Mönnecke.