Der Algorithmus hat’s drauf. Nachdem jedes Land, inklusive das eigene, innerhalb kürzester Zeit zum Delta-Variantengebiet werden und einem den geplanten Sommerurlaub ordentlich vergällen kann, werden einem in Mail-Newslettern von Reiseportalen schon gar keine hammergünstigen Angebote für Touren mit den Titeln „Malerische Algarve" oder „Wundervolles Cornwall“ mehr gemacht. Stattdessen sollen wir mit „Beschauliches Rheda-Wiedenbrück“, „Romantischer Kurort Bad Mergentheim“ oder „Ruhepause in Freising“ geködert werden.
Gut, dass es die langweiligen Dia-Vorträge mit Urlaubsfotos nicht mehr gibt. Oder wollten Sie Ihre Nachbarn auf ein Glas Wein einladen und sagen: „…und dann zeigen wir Euch unsere tollen Urlaubsfotos aus dem beschaulichen Rheda-Wiedenbrück“?

Vorsicht geboten ist in diesem Jahr natürlich auch, wenn Sie in den Ferien ein Flussdelta besuchen wollen. Das Donaudelta liegt gefährlich weit im Osten, das Gangesdelta kommt gar nicht in Frage. Aus Sicht des Infektionsschutzes wäre vielleicht eine Reise zum Paläo-Delta im Eberswalde-Krater möglich. Kleiner Nachteil: Es liegt auf dem Mars und wird von Ryanair gerade nicht angeflogen. Also doch lieber Malle?
Wenn Ihnen nun schon der Deltamuskel zuckt und Sie angesichts der anstehenden Sommerferien im Dreieck springen, denken Sie daran: Mit dem großen Delta werden in der Physik auch vier Elementarteilchen bezeichnet, was uns wiederum zum Autor des Romans „Elementarteilchen“, Michel Houellebecq, bringt. In dem Buch heißt es an einer Stelle:
Das Unglück erreicht erst dann den Tiefpunkt, wenn die in greifbare Nähe gerückte praktische Möglichkeit des Glücks erblickt worden ist.
Das führt zu der Erkenntnis, dass wir den Tiefpunkt des Corona-Unglücks eigentlich schon hinter uns haben müssten, es sei denn, nach Delta schaut schon Epsilon um die Ecke. Aber wollen wir wirklich schon über den Sommerurlaub 2022 sprechen?
So, und nun heißt es wieder: Keep calm and read Rundblick. Heute lesen Sie bei uns das Interview mit Marco Genthe, der nicht nur FDP-Abgeordneter, sondern auch Bestatter ist, über Rituale nach dem Tod von Angehörigen und was sich dabei geändert hat. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius erklärt, warum die Behörden „ein neues Kapitel in der Arbeitskultur der Landesverwaltung” aufschlagen, Grünen-Fraktionsvize Miriam Staudte denkt über eine veränderte Struktur der Landwirtschaftskammer nach und JU-Chef Christian Fühner hat eine Forderung an den Kultusminister (kostenloses Rundblick-Probeabo hier).
Die Reisebeilage "Beschauliches Rheda-Wiedenbrück" ist leider noch nicht fertig, kommt aber noch. Versprochen.
Ihnen einen beschaulichen Donnerstag
Martin Brüning