Sollte es eine Impfpflicht geben? Das sagen Weil und Althusmann
Die Zahl der führenden deutschen Politiker, die sich angesichts der explodierenden Corona-Infektionszahlungen für eine allgemeine Impfpflicht aussprechen, wächst jeden Tag. Bei ihrem Auftritt vor der Landespresse äußerten sich am Dienstag auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU).
Beide waren sich einig in der Erwartung, dass mit Beginn des nächsten Jahres eine Impfpflicht kommen wird. Was ihre aktuelle Einschätzung angeht, unterschieden sich die Formulierungen allerdings schon. Weil sagte: „Auch ich sehe, dass die Impfpflicht selbstverständlich in Betracht gezogen werden muss. Aber wenn sie kommt, dann wäre es ein herber Rückschlag, wenn sie anschließend vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern würde.“ Daher müsse man jetzt das mildere Mittel, die 2G-Regel, austesten und ihren Erfolg messen – um dann gegebenenfalls im Januar die Impfpflicht als härtere Maßnahme doch noch festlegen zu müssen. „Hier ist dann der Bund gefordert“, fügte Weil hinzu. Althusmann erklärte: „Ich halte eine Impfpflicht für zwingend notwendig, denn wir sind in einer äußerst ernsten Situation. Das Thema dürfte anstehen, wenn die Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Dezember Bilanz zu den bisherigen Mitteln im Bundesinfektionsschutzgesetz zieht und Veränderungen festlegt.“ Die „Zeit der geduldigen Aufklärung ist jetzt am Ende“, fügte er hinzu.
Seit Dienstag gilt 2G-Pflicht bei Veranstaltungen, beim Sport oder auch in Gaststätten
Weil und Althusmann, sowie die Minister Daniela Behrens (Soziales) und Grant Hendrik Tonne (Kultus) erläuterten am Dienstag die Corona-Situation in Niedersachsen. Die neue Corona-Verordnung, die von heute an gilt, sieht praktisch 2G-Pflichten für viele Bereiche vor – Veranstaltungen, Gaststätten, Sportangebote oder Konzerte. Wenn sich die Corona-Lage verschärft, kann auch 2Gplus angeordnet werden – neben der Impfung ist dann ein zertifiziertes Testergebnis zwingend. Das heißt: Ungeimpfte Personen haben künftig praktisch kaum noch Zutritt zum öffentlichen Leben, abgesehen vom Besuch in Geschäften, der nach wie vor für jedermann erlaubt ist. Auch im Nahverkehr gibt es noch keine 2G-Regel, wohl aber 3G. Nicht-Geimpfte müssen neben dem Ticket ein aktuelles Test-Zertifikat vorweisen können, sonst müssen sie im Kontrollfall den Bus verlassen und wohl auch ein Bußgeld entrichten.
In Niedersachsen liegen derzeit 185 Menschen auf den Intensivstationen der Kliniken, ein Anstieg wird erwartet – denn 0,8 Prozent derer, die positiv getestet, also infiziert sind, landen aller Erfahrung nach einige Wochen später auf der Intensivstation. Niedersachsen hat insgesamt 2350 Betten in der Intensivmedizin, die Hälfte davon ist für akute Fälle (Herzinfarkte, Schlaganfälle) reserviert, 587 werden für Corona-Fälle frei gehalten – auch für eine Lage, in der Niedersachsen für andere Länder aushelfen muss. Hotspots der Corona-Infektionen sind in Niedersachsen Salzgitter mit einer Inzidenz von mehr als 400, Cloppenburg, Grafschaft Bentheim und Vechta mit mehr als 300. Am unteren Ende fallen Holzminden, Nienburg und die Stadt Osnabrück mit weniger als 100 auf. Mehrere Veränderungen der Vorschriften stehen nun wohl bevor:
Kontaktbeschränkungen: Laut Corona-Verordnung gilt, sofern die Warnstufe I erreicht ist, eine Kontaktbeschränkung von maximal 25 Personen (auch in den eigenen vier Wänden). Bei den Warnstufen II und III kann diese Zahl verringert werden auf 15 oder 10 Personen. Das kann dann auch für Versammlungen unter freiem Himmel gelten. Von 3G- und 2G-Regeln in der Corona-Verordnung waren Jugendliche (12 bis 18 Jahre) bisher ausgeschlossen, für sie gelten diese Pflichten künftig allerdings auch.
Doch ein Lockdown? Bisher sieht das Bundesinfektionsschutzgesetz nicht vor, dass flächendeckend Geschäfte oder öffentliche Einrichtungen geschlossen oder Ausgangssperren verhängt werden können. Womöglich aber wird das von der Ampel-Koalition gerade geänderte Bundesgesetz noch einmal wieder verschärft, nachdem die Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Dezember Bilanz gezogen haben wird. Anschließend wäre es möglich, dass die Landesregierung mit Zustimmung des Landtags noch weit schärfere Einschränkungen verhängt – über Ausprägung und Umfang wollte in der Pressekonferenz am Dienstag noch niemand spekulieren. „Wir wollen einen allgemeinen Lockdown nach Möglichkeit vermeiden“, betont der Ministerpräsident.
Testpflicht am Arbeitsplatz: Laut geplantem Bundesgesetz muss jeder Arbeitnehmer entweder genesen, geimpft oder täglich getestet sein. Dabei darf er zwei Selbst-Tests wöchentlich, die ihm der Arbeitgeber anbieten muss, nutzen – allerdings nur als Test unter Aufsicht einer Kontrollstelle, für die der Arbeitgeber sorgen muss. Daneben muss jeder Arbeitnehmer, der nicht geimpft ist, für die übrigen Arbeitstage selbst einen tagesaktuellen zertifizierten Corona-Test vorweisen können. „Verstöße dagegen können bis zur Kündigung führen“, erklärt Althusmann. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeichnet für den Vorschlag verantwortlich.
Veränderungen in der Schule: Die Testpflichten gelten auch für Beschäftigte in Schulen oder Kindergärten, die nicht geimpft sind. Für die Schüler gilt ab sofort wieder die Maskenpflicht für alle Jahrgänge auch im Unterricht. Es bleibt bei Testpflichten dreimal wöchentlich der Schüler zuhause, bevor sie in die Schule kommen. Gibt es einen Infektionsverdacht, so müssen sich alle Schüler der Gruppe (also etwa der Klassengemeinschaft) fünf Schultage nacheinander einem täglichen Test unterziehen. Bisher gibt es 2600 Infektionsfälle an niedersächsischen Schulen – bei einer Zahl von insgesamt 1,1 Millionen Schülern.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
Jetzt vorbestellen